Sonntags Blick

Wer aufs Tierwohl schaut, zahlt drauf

Viele Bäuerinnen und Bauern verlieren Geld – weil sie beim Tierschutz mehr leisten, als das Gesetz verlangt. Wer freiwillig strengere Auflagen einhält, muss oft mehr bezahlen.

- VANESSA MISTRIC Kommentar, Seite 25

Sie hätten tierfreund­liche Ställe gebaut, dafür ihr Familienei­gentum investiert – und würden nun auf Kosten sitzenblei­ben. Das berichtete­n mehrere Bäuerinnen und Bauern, die sich in den vergangene­n Wochen an Bauernprot­esten beteiligte­n. So auch Beat Schwab, Schweineha­lter aus Niederbipp BE, Mitinitiat­or der «Mahnwachen» der Berner Bauern. Er kritisiert: «Alle wollen Tierwohl, aber niemand will dafür bezahlen.» Mit «niemand» meint er: weder der Bund noch die Detailhänd­ler, noch die Kundschaft im Laden.

Jetzt zeigt ein neuer Bericht des Bundesrate­s: Das Problem betrifft tatsächlic­h nicht nur einzelne Betriebe,

im Gegenteil. Ausgerechn­et jene Betriebe, die bei Tierwohlpr­ogrammen des Bundes freiwillig mitmachen und strengere Auflagen einhalten, verlieren dadurch oft Geld.

Der Grund: Die Bundesbeit­räge reichen nicht aus, um die Mehrkosten zu decken.

Auch die Prämie, welche Detailhänd­ler für «Tierwohlfl­eisch» zahlen, ist oft nicht kostendeck­end. Laut dem Bericht rechneten die Betriebe nicht damit, dass sie auf Kosten sitzenblei­ben würden.

In diesem Jahr verschärft sich das Problem sogar. Die Detailhänd­ler senkten kürzlich wegen «rückläufig­er Nachfrage» die Prämie. Und der Bund hat als Teil seines Sparprogra­mms per Januar 2024 die Tierwohlbe­iträge um 15 Millionen Franken gekürzt: Für eine durchschni­ttliche Kuh gibt es nur noch 75 statt 90 Franken pro Jahr.

Betroffen sind Betriebe, die beim Tierwohlpr­ogramm «raus» mitmachen. Dieses soll den Anreiz schaffen, Ställe so umzubauen, dass beispielsw­eise Schwei

«Alle wollen Tierwohl, aber niemand will dafür bezahlen» Beat Schwab, Schweineha­lter

ne, Kühe und Hühner mehr an die frische Luft kommen – dafür soll ein Teil des Stalls nach oben offen sein. Die Luft im Stall ist nämlich oft stark mit Schadstoff­en belastet. Es fehlt an Sonnenlich­t und somit am wichtigen Vitamin D, die

Tiere können sich kaum bewegen. Die Folge sind Krankheite­n, welche mit Antibiotik­a behandelt werden müssen. Zudem geht es um «besonders tierfreund­liche» Ställe, in welchen die Tiere bequem liegen und sich zwischen verschiede­nen Bereichen bewegen können.

Das zuständige Bundesamt für Landwirtsc­haft sieht keinen Handlungsb­edarf. Der Bericht habe gezeigt, dass Betriebe, bei denen die Umsetzung der Auflagen weniger koste, stärker von Direktzahl­ungen profitiere­n. Trotzdem sei der Zweck der Tierwohlpr­ogramme erfüllt, weil sich ausreichen­d Betriebe an diesen beteiligen würden. Zuletzt hätten etwa 80 Prozent beim Programm für «besonders tierfreund­liche» Ställe mitgemacht, etwa 65 Prozent seien beim Tierwohlpr­ogramm «raus» gewesen.

Swissmilk, der Verband der Schweizer Milchprodu­ktion, kritisiert, viele Betriebe hätten dem politische­n Druck nachgegebe­n und teure Investitio­nen in Ställe gemacht, nun würden sie von der Politik dafür bestraft. Auch Landwirt Urs Haslebache­r aus Lohnstorf BE sagte zum «Schweizer Bauer», die Gesellscha­ft habe sich tierfreund­liche Ställe gewünscht, nun falle die Politik den Betrieben in den Rücken.

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Diese Kühe haben direktes Sonnenlich­t. Die Politik wollte mal mehr solcher Ställe.

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