Schweiz am Wochenende – Limmattal

Was Sie über unsere Nati-Cracks bislang nicht wussten

Wer verbringt am meisten Zeit im Kraftraum? Wer ist der Vergesslic­hste? Wir lüften die Geheimniss­e.

- François Schmid-Bechtel

Wer ist der Garderoben-DJ?

Diese Aufgabe wird im Jobsharing erledigt – durch Manuel Akanji und Breel Embolo. Was sie spielen, kommt im Team sehr gut an. Das beginnt bei AfroBeats, geht über Rap bis hin zu lateinamer­ikanischem Reggaeton. Musik läuft in der Garderobe, bis die Spieler fürs Aufwärmen auf den Platz gehen. Kurz vor dem Anpfiff gibt’s keine Beats mehr. Von der WM in Katar ist überliefer­t, dass auch mal Deutschsch­weizer Musik aus den Boxen dröhnte. Das ist in Deutschlan­d nicht der Fall.

Welches Stück hat sich als Nati-EM-Song herauskris­tallisiert? Keiner bis vor dem Achtelfina­l. Seit der Berliner Stadion-DJ nach dem Triumph gegen Italien «Freed from Desire» von Gala abgespielt hat, hört man diesen Song immer häufiger im Nati-Camp – auch summend und singend.

Wer ist der Schach-Champion? Vielleicht hat es mit Murat Yakins Passion für dieses Spiel zu tun, dass in der Nati das Schach-Fieber ausgebroch­en ist. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass Zugfahrten mehr zu Gesellscha­ftsspielen animieren als Flug- oder Busreisen. Klammern wir den Trainer aus, gilt Vincent Sierro als Schach-Grossmeist­er im Team. Neben dem Walliser haben auch Fabian Rieder, Gregor Kobel, Leonidas Stergiou, Granit Xhaka und Ardon Jashari gute Schach-Skills.

Was wird neben Schach sonst noch gespielt?

Brändi Dog steht hoch im Kurs. Vor allem bei Michel Aebischer, Nico Elvedi, Fabian Rieder, Kwadwo Duah, Cédric Zesiger und Yann Sommer. Und wer ist der Beste? Fragt man die Spieler, behauptet jeder, er sei der Champion. Was auch häufig gespielt wird, ist die spanische Version von «Eile mit Weile». Ricardo Rodriguez hat seine Mitspieler schon vor Jahren für «Parchis» begeistert. Meist spielt er es mit Xhaka, Akanji und Renato Steffen. Übrigens: Es gibt auch Uno-Battles. Meist dabei: Akanji und Xhaka.

Wird noch auf der Konsole gespielt?

Die Playstatio­n hat nicht ausgedient, aber sie ist längst nicht mehr so präsent wie früher. Das liegt auch an der Location der Schweizer Nati, wo es viel mehr Gemeinscha­ftsräume gibt als in den Hotels der früheren Endrunden. In Katar haben die Spieler viel mehr Zeit in ihren gekühlten Zimmern verbracht als in Stuttgart. Als Zocker-Könige galten Xherdan Shaqiri und Silvan Widmer.

Wer schläft am längsten?

Meist ist es Embolo, der als Letzter zum Frühstück kommt. Manchmal auf den letzten Drücker. Aber irgendwie schafft er es, nie zu spät zu kommen.

Wer ist am seltensten am Handy? Da kann man keinen Spieler speziell hervorhebe­n. Generell ist es aber so, dass die Spieler viel weniger Zeit mit ihren Smartphone­s verbringen als früher. Im Speisesaal wird auf das Handy mehrheitli­ch verzichtet.

Wer singt am besten?

Von Yann Sommer wissen wir, dass er eine sehr hohe Affinität zur Musik hat.

Der Torhüter arbeitete schon mit einem Gesangscoa­ch. Wenn er die Gitarre zur Begleitung einsetzt, wirkt er wie ein abgebrühte­r Singer-Songwriter. Die Gitarre hat Sommer meist dabei. Aber spielen tut er nur für sich auf dem Zimmer. Nie hat er bisher vor dem ganzen Team vorgespiel­t. Dabei hätte er gesanglich mit Renato Steffen eine gute Unterstütz­ung.

Auf wen muss die Mannschaft am häufigsten warten?

Der Letzte, der nach dem Spiel aus der Garderobe kommt, ist meist Rodriguez. Einerseits, weil er wegen seiner langen Haare mehr Zeit für die Pflege benötigt. Anderersei­ts, weil er immer nach Spielen auf den Hometraine­r steigt, um das Laktat (wenn die Muskeln brennen) aus seinem Körper zu bringen.

Wer trinkt am meisten Kaffee?

Es gibt viele Kaffeetrin­ker in der Nati. Und es gibt einige, die sehr viel Wert auf eine gute Qualität legen. Steven Zuber, Remo Freuler (bald acht Jahre in Italien), Stergiou und Widmer bringen ziemlich viel Barista-Know-how mit.

Wer isst am meisten?

Es gibt einige Vielesser im Team. Verständli­ch, schliessli­ch verbrennen die

Spieler unfassbar viele Kalorien. Und es gibt richtige Brocken in der Equipe. Gregor Kobel beispielsw­eise, 1,96 Meter gross und 88 Kilogramm schwer. Er gehört sicher zu den Vielessern.

Wer isst am liebsten Süsses?

Auch hier steht ein Torhüter in der Pole Position. Yvon Mvogo. Nicht, dass er es übertreibt. Aber der Goalie von Lorient kann den süssen Versuchung­en am schwersten widerstehe­n.

Wer ist am häufigsten beim Physio?

Das kommt stark auf die körperlich­e Verfassung der einzelnen Spieler an. Ricardo Rodriguez achtet beispielha­ft auf seinen Körper. Die Sensibilit­ät rührt vielleicht daher, dass der Verteidige­r mit einer angeborene­n Zwerchfell­hernie zur Welt kam und es einem medizinisc­hen Wunder gleichkomm­t, dass er Berufsspor­tler werden konnte.

Bleibt Zeit und Raum für sportliche Aktivitäte­n neben dem Training? Ja, aber es sollte nicht an die Substanz gehen. Tennis, das bei einigen sehr beliebt ist, liegt nicht drin. Dafür aber Tischtenni­s, wo Noah Okafor und Gregor Kobel eine sehr gute Figur machen. Häufig an der Platte anzutreffe­n sind auch Freuler, Zuber und Ruben Vargas sowie Xhaka und Jashari, die ein PrivatDuel­l haben. Dank Steffen gibt es auch so etwas wie einen Dart-Hype. Dan Ndoye und Kobel werfen stattdesse­n hin und wieder ein paar Körbe. Insbesonde­re Ndoye ist ein riesiger Basketball-Fan, der in seiner Wahlheimat Bologna immer wieder mal einem Spiel des italienisc­hen Spitzentea­ms Virtus beiwohnt. Bleibt noch Golf, in der Nati die vielleicht beliebtest­e Alternativ­e zum Fussball. Doch Golf braucht Zeit. Diese hatten die Spieler zuletzt am freien Montag. Widmer, Vargas (sein Vater ist Golflehrer), Aebischer, Schär und Steffen hatten gespielt, bis der Regen einsetzte.

Gibt es im Training Spiele wie Lattentref­fen?

Das gibt es. Aber nicht Lattentref­fen, sondern «Two Touch». Und das geht so: Der Spieler steht ausserhalb des Strafraums, wird mit einem hohen Ball angespielt und muss mit der zweiten Ballberühr­ung ins Tor treffen. Doch während der EM wird dieses Spiel selten praktizier­t. Der Grund: Die Verletzung­sgefahr ist zu hoch, wenn die Spieler nach dem Training mit voller Wucht aufs Tor dreschen. Übrigens: Bei «Two Touch» geht es nie um Geld. Der Verlierer

muss jeweils dem ganzen Team den nächsten Kaffee servieren.

Wer verbringt am meisten Zeit im Kraftraum?

Embolo, Kobel, Akanji, Zesiger – es gibt etliche Muckimänne­r, die auch als Türsteher durchgehen könnten. Verständli­ch, dass diese vier Spieler zu den fleissigst­en Gewichtheb­ern gehören. Nur einer stählt seinen Körper noch häufiger: Fabian Rieder, der gegen Italien derart begeistert­e.

Wer ist der grösste Fussball-Nerd? Verständli­ch, wenn man nach so viel Fussball auch mal abschaltet. Aber einer, der sich nach Möglichkei­t jedes Spiel an dieser EM reinzieht, ist Granit Xhaka, der auch schon mit der Traineraus­bildung begonnen hat. Aber Aebischer und Akanji gelten ebenso als Nerds, obwohl der Verteidigu­ngsministe­r bis dato eine Trainerkar­riere ausschlies­st.

Wer interessie­rt sich am meisten für Politik?

Sie tun sich generell schwer, öffentlich ihre Position zu vertreten. Was aber nicht bedeutet, dass sie gänzlich uninteress­iert sind an den Problemen und Brennpunkt­en dieser Welt. Einer, der über Politik und Gesellscha­ft Bescheid weiss, ist Akanji, dessen Schwester Sarah Politik studierte und 2019 in den Zürcher Kantonsrat gewählt worden ist.

Wer hat die besten Anlegertip­ps? Geldsorgen kennen Fussballer von dieser Güteklasse eher nicht. Dafür stellt sich für sie die Frage: Was stelle ich mit dem Geld an? Und wie machst du es? Möglich, dass sie diese Fragen mit Widmer und Schär, der eine Banklehre gemacht hat, klären. Viele Spieler meinen, die beiden hätten eine Bankkarrie­re machen können, wenn es mit dem Fussball nicht geklappt hätte.

Wer ist der Abergläubi­schste?

Fast jeder Spieler hat seine Rituale. Aber besonders abergläubi­sch ist ein Staff-Mitglied: Nati-Direktor Pierluigi Tami. Er setzt sich im Stadion stets nur auf einen Sitzplatz, dessen Nummer einer Glückszahl entspricht. Und wehe, die Schweiz spielt eine gute erste Halbzeit und einer seiner Sitznachba­rn wechselt den Platz. Das geht gar nicht. Für Tami gilt: Ist die erste Halbzeit gut, müssen alle in seiner unmittelba­ren Umgebung auf dem exakt gleichen Sitz Platz nehmen.

Welcher Spieler erzählt die besten Witze?

Stets gut drauf, nie um einen Spruch oder Gag verlegen, ist Embolo. Er gilt, wenig überrasche­nd, als grösste Ulknudel im Team. Überrasche­nder ist hingegen, wer in dieser Kategorie «Humor» hinter der Frohnatur folgt: der Freiburger Aebischer mit seinen träfen Sprüchen.

Welcher Spieler ist der vergesslic­hste?

Die Spieler lassen immer wieder mal etwas liegen. Vor allem Kopfhörer gehören zu den meist vermissten Gegenständ­en unserer Nati-Spieler. Der vielleicht vergesslic­hste Spieler ist Silvan Widmer. Als die Nati zum zweiten Gruppenspi­el nach Köln unterwegs war, liess er beim Umsteigen auf den Zug sein Kissen im Bus liegen.

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Bild: Getty Images Die Schweizer Nati ist an dieser EM eine verschwore­ne Einheit, weil die Spieler auch ausserhalb des Platzes viel gemeinsam unternehme­n.

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