Weitere Islamisten kommen ins Spiel
Nach den abgesagten Auftritten von Taylor Swift fordert Österreichs Politik strengere Regeln für Security-Firmen
Es soll alles ganz anders gewesen sein. Am Montag übernahm ein neuer Anwalt die Vertretung von Beran A., dem Hauptverdächtigen rund um die Pläne eines Anschlags auf die Konzerte von Taylor Swift in Wien. Und er schildert den 19-Jährigen zwar als religiös dogmatischen, instabilen Einzelgänger, aber gefährlich sei er nicht. «Von Gewaltbereitschaft sind wir weit entfernt», sagte der Verteidiger dem Nachrichtensender Puls 24.
Anders als vergangene Woche von den Behörden dargestellt, habe er auch keinen funktionstüchtigen Sprengstoff zu Hause gehabt. Die bei ihm sichergestellten Chemikalien seien nicht «ausführnah», sagte der Anwalt. Es handle sich vielmehr um frei erwerbbares Wasserstoffperoxid, wie es zum Haarefärben verwendet werde, sowie um eine Säure zur Reinigung von Rohren. Den von einem amerikanischen Geheimdienst im sozialen Netzwerk Telegram entdeckten Schwur auf die Terrororganisation IS könne «jeder im Kinderzimmer leisten». Im ganzen Einvernahmeprotokoll sei auch nie die Rede von Taylor Swift. Er glaube, sein Mandant kenne den Superstar überhaupt nicht.
Wollte er nur cool sein?
Wie glaubwürdig das ist, ist unklar. Immerhin hatten die Behörden beim Österreicher mit nordmazedonischen Wurzeln auch Zündvorrichtungen, Falschgeld, islamistisches Propagandamaterial und Anleitungen zum Bombenbau sichergestellt. Das Geständnis, das er laut den Ermittlern nach der Festnahme abgelegt haben soll, widerrief Beran A. allerdings, wie am Wochenende bekanntgeworden war. Seine erste Anwältin erklärte, er habe nur cool sein wollen und aus technischem Interesse mit Sprengstoff experimentiert.
Innenminister Gerhard Karner bewertet die Lage nicht so. Die Ermittlungen bestätigten das Bild einer Radikalisierung, es habe konkrete Anschlagspläne gegeben, erklärte er am Montag.
Ob es nach den Festnahmen von Beran A. und seinem 17-jährigen mutmasslichen Komplizen Luca K. vor Swifts erstem Auftritt in Wien nötig war, alle Konzerte abzusagen, ist eine andere Frage. Die Sicherheitskräfte hatten erklärt, die konkrete Gefahr sei mit den Festnahmen gebannt, und empfahlen keine Absage. Den Entscheid zu diesem Schritt fällte der Veranstalter gemeinsam mit dem Management des Superstars. Ausschlaggebend dafür war, dass Luca K. als Mitarbeiter eines Unternehmens angeheuert hatte, das während der Shows im Stadion tätig gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund ist eine Recherche der Zeitung «Der Standard» brisant, wonach K. bei den Konzerten womöglich nicht der einzige Islamist im Stadion gewesen wäre. Laut dem Bericht sollen acht für die Anlässe vorgesehene Mitarbeiter eines Sicherheitsdiensts der Staatsschutzbehörde DSN wegen extremistischer Umtriebe bekannt sein.
Innenminister Karner bestätigte am Mittwoch, dass fünf vom Staatsschutz beobachtete Gefährder im Stadion tätig gewesen wären, allerdings nicht als Sicherheitspersonal, sondern in den Bereichen Facility und Catering. Es gibt aber bisher keine Hinweise darauf, dass die betroffenen Personen in Terrorpläne verwickelt waren. Der Rat für nationale Sicherheit, zu dem im Parlament Vertreter von Sicherheitsbehörden und den Spitzen von Regierung und Opposition am Dienstag zusammenkamen, empfahl dennoch eine stärkere Regulierung für Security-Firmen. Für Qualitätsstandards und Kontrollen soll nun ein Gesetz erarbeitet werden.
Verbreitet Skepsis herrscht dagegen, was den Vorschlag der konservativen Kanzlerpartei ÖVP betrifft, den Behörden «zeitgemässe Überwachungsmethoden» zu ermöglichen. Derzeit ist ihnen die Prüfung von verschlüsselten Messenger-Diensten verwehrt, weshalb Österreich auf den Hinweis eines USGeheimdiensts angewiesen war.
Konkurrenten beschimpft
Die ÖVP will dies schon lange ändern und beschloss 2018 in der Koalition mit der FPÖ die Erweiterung von Ermittlungsmassnahmen um eine staatliche Spionagesoftware («Bundestrojaner»), mit der solche Nachrichten gelesen werden können. Der Verfassungsgerichtshof bewertete die damalige Reform aber als zu weit gehend. Das von den Konservativen geführte Innenministerium erarbeitete deshalb eine neue Vorlage, die den Bedenken Rechnung tragen soll. So wäre die Überwachung nur zulässig, wenn äusserst schwere, «verfassungsgefährdende» Straftaten drohen. Sie müsste zudem auf bestimmte Chat-Nachrichten eingegrenzt und gerichtlich bewilligt werden.
Der grüne Koalitionspartner lehnt das Vorhaben dennoch ab. Im Zug der jüngsten Ereignisse willigten die Grünen zwar ein, den Entwurf zur juristischen Beurteilung in die Vernehmlassung zu schicken. Die Aussichten für einen Beschluss noch vor der Wahl Ende September sind aber gering. Auch die anderen Parteien kritisieren die Massnahme als Möglichkeit zur «Massenüberwachung» – eine Umsetzung ist auch in einer künftigen Koalition vorerst wenig realistisch. Die ÖVP beschimpfte deshalb die politischen Konkurrenten kurzerhand als «Gefährder».
Keine Mehrheit fand auch die vor allem von der rechtspopulistischen FPÖ erhobene Forderung nach einem Verbotsgesetz gegen den politischen Islam. Vorbild soll das 1945 beschlossene NS-Verbotsgesetz sein, das alle nationalsozialistischen Betätigungen untersagt. Dieses steht allerdings im Verfassungsrang und damit auf gleicher Stufe wie etwa Versammlungsund Meinungsfreiheit. Mit solchen Grundrechten könnte ein IslamVerbotsgesetz dagegen in Konflikt geraten, wie Juristen zu bedenken geben. Darüber hinaus genüge das geltende Strafrecht zur Bekämpfung des islamistischen Extremismus. Bereits Nachschärfungen der letzten Jahre wurden bisher kaum angewandt, wie «Die Presse» analysierte.