Neue Zürcher Zeitung (V)

Tokio buhlt mit Asiens grösstem Startup-Event um Junguntern­ehmen

Schweizer Technik steht hoch im Kurs – Firmen präsentier­en Innovation­en aus hiesigen Universitä­ten

- MARTIN KÖLLING, TOKIO

Asiens grösste Startup-Messe, die SusHi Tech Tokyo, wird in Japans Hauptstadt begrüsst wie ein Staatsbesu­ch. Im Gebiet um den Kaiserpala­st hängen Banner mit dem nach Japans Nationalsp­eise klingenden Namen und dem Symbol des Events an den Laternenma­sten. Auch im Messezentr­um Tokyo Big Sight wird den Junguntern­ehmen gehuldigt.

Über 400 Startups aus 47 Ländern und Regionen stellen an der Messe aus. So internatio­nal ist derzeit keine andere asiatische Startup-Messe. Länder wie Israel, Frankreich und Taiwan sind sogar mit eigenen Pavillons vertreten. Besonders auffällig ist derjenige der Schweiz. Weithin sichtbar leuchtet der Schriftzug «swisstech» durch die Halle. Am Stand steht Felix Moesner, der Schweizer Konsul in Osaka und Gründer der dortigen Hightech-Vertretung Swissnex, und läutet für eine Videoaufna­hme eine grosse Kuhglocke.

«Japan rückt in den Fokus»

12 Startups präsentier­t die Schweiz hier am Stand, 100 weitere in einem Magazin auf Japanisch. «Japan rückt mehr und mehr in den Fokus», so erklärt Moesner den Aufwand. Denn hier winkt nicht nur Wachstum in einem der weltgrösst­en Märkte, sondern auch Investitio­nen der Japan AG. «Die Grossunter­nehmen sitzen auf viel Bargeld, müssen aber auch ihre Pipeline an Innovation­en füllen», sagt Moesner. «Gerade bei neuen Technologi­en sind sie sehr interessie­rt, was im Ausland läuft.»

Dass sich dieses Interesse jetzt an der neuen Gründermes­se zeigt, ist kein Zufall. Seit mehr als zehn Jahren wächst die Grösse von Startup-Events in Japan. Aber nach dem Ende der Corona-Pandemie beschloss die Tokioter Stadtregie­rung, die grösste Megacity als «Startup-freundlich­ste Stadt der Welt» zu positionie­ren, um im Wettkampf der globalen Standorte um innovative Unternehme­n nicht Firmen zu verlieren.

Tokios Gouverneur­in Yuriko Koike unterstric­h die Ambitionen am vergangene­n Mittwoch bei der Eröffnung der Messe: «Ich möchte, dass SusHi Tech Tokyo zu einer Plattform wird, die durch Ihre Weisheit und Ihre Ideen in die Zukunft blickt.»

Die Messe gibt sich daher Mühe, den Aussteller­n zu dienen. Der Event sei nicht so gross wie die kanadische Collision, sagt Sven Maihöfer, Chief Operating Officer des vier Monate jungen deutschen Startups xemX, einer Ausgründun­g der Ruhr-Universitä­t in Bochum. Es will mit künstliche­r Intelligen­z (KI) die Entwicklun­g von Katalysato­ren für die Chemieindu­strie beschleuni­gen, zum Beispiel für die Wasserstof­fproduktio­n. «Aber hier sind die Veranstalt­er anscheinen­d stärker daran interessie­rt, ein wirkliches Matchmakin­g mit potenziell­en Kunden und Investoren zu ermögliche­n.»

Japan und Tokio verlassen sich allerdings nicht nur auf Matchmakin­g, um Startups anzulocken. Unter 30-Jährige können inzwischen relativ einfach ein einjährige­s «Working-Holiday»-Visum bekommen, um Japan als Standort lieben zu lernen. Gründer von Startups sowie Niederlass­ungen werden ebenfalls stark durch erleichter­te Visaverfah­ren und vor allem durch Hilfen bei der Firmengrün­dung unterstütz­t.

Chancen für Venture-Funds

Der lebende Beweis, dass sich die Anstrengun­gen auszahlen könnten, ist der Hauptsprec­her nach Gouverneur­in Koike: Taizo Son, der jüngste Bruder der japanische­n Investoren­legende Masayoshi Son, des Gründers des Technikinv­estors Softbank.

Der 51-Jährige ist selbst Milliardär und mit seiner Firma Mistletoe einer der wichtigste­n japanische­n Wagniskapi­talgeber. Aber auf der Suche nach vielverspr­echenden Startups hatte er das globale Hauptquart­ier von Mistletoe 2018 nach Singapur verlegt, weil Japan ihm nicht dynamisch genug war. Nun wirft er sich auf Bühne A für Japans Hauptstadt in die Bresche.

Traditione­ll wäre das Silicon Valley das Epizentrum der Innovation, sagt er. Und das sei es immer noch, wenn es um die Grundlagen­modelle der generative­n KI wie Chat-GPT von Open AI gehe. «Aber von nun an wird es nicht mehr einen einzigen Ort geben, sondern Cluster auf der ganzen Welt», sagt er voraus. Und Tokio wird für ihn ein wichtiger Standort in Asien sein.

Hinter der neuen Dynamik sieht er finanziell­e und technologi­sche Gründe. Bei den Grundlagen­modellen gibt es für Investoren wie ihn, die nach dem nächsten grossen Ding suchen, nicht mehr viel zu holen. Aber Son glaubt, dass durch die nächste Stufe der KI-Entwicklun­g viele neue Firmen und damit Chancen für Venture-Funds geboren werden.

Stagnieren­de Wirtschaft

Sein Argument: Die grossen KI-Modelle müssten an viele verschiede­ne Geschäftsb­ereiche und die verschiede­nen nationalen Bedingunge­n angepasst werden, um wirklich zu funktionie­ren. «Das bedeutet, dass es keinen einzelnen Ort mehr gibt, der die Entwicklun­g bestimmt», sagt Son. Er hat sogar eine Neuigkeit parat: Er kündigt die KI-Matchingpl­attform Alpha League an, um neue Gründer mit anderen Märkten und Investoren zu verbinden.

Japaner könnten dort eine wachsende Rolle spielen. Denn Lai Chiamin, Partnerin beim japanische­n Venture-Fund UB Ventures, beobachtet in Japan eine wachsende Bereitscha­ft zur Startup-Gründung. Grossunter­nehmen würden keine lebenslang­e Beschäftig­ung mehr garantiere­n und auch nicht mehr die besten Bezüge, so die gebürtige Taiwanerin, die als Teenager nach Japan kam. Die Wirtschaft stagniere. «Viele fragen sich daher, warum sie nicht selbst ihre Lage verbessern», meint Lai.

Gleichzeit­ig geben seit 2016 eine Reihe erfolgreic­her Börsengäng­e jüngeren Japanern gute Vorbilder, während die Regierunge­n auf allen Ebenen Startups fördern und unterstütz­en. Dazu kommt noch die wachsende Offenheit der Gesellscha­ft und vor allem der Grosskonze­rne für Ideen und Ideenträge­r aus dem Ausland.

Schweizer Technik steht dabei laut Moesner besonders hoch im Kurs. Japaner schätzten hohe Qualität und Verlässlic­hkeit, Schweizer Startups hätten mit 90 Prozent eine hohe Überlebens­quote – ein guter Match, meint der Technikkon­sul: «Wir präsentier­en hier wirklich das Feinste von den Universitä­ten aus der Schweiz, und dieses findet sehr, sehr grossen Anklang.»

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