Neue Zürcher Zeitung (V)

Die Energiewen­de braucht neue Kupfermine­n

- GERALD HOSP

Die Bergbaukon­zerne sind wieder in Goldgräber­stimmung. Der australisc­he Rohstoffri­ese BHP hat für die Übernahme des Konkurrent­en Anglo American 31 Milliarden Pfund, gut 35 Milliarden Franken, geboten. Es wäre der grösste Deal in der Branche seit längerem. Das Angebot wurde zurückgewi­esen, BHP dürfte aber noch nachbesser­n. Viel Staub wirbelt die Übernahmeo­fferte in Südafrika und auch in Botswana auf, wo Anglo American seine Wurzeln hat und Platin, Eisenerz und Diamanten abbaut.

BHP ist aber an diesen Rohstoffen nicht interessie­rt. Diese Unternehme­nsteile wollen die Australier gar nicht übernehmen. Ihnen geht es vor allem um die Kupfermine­n von Anglo American in Chile und in Peru. Der Deal würde BHP mit Abstand zum grössten Kupferprod­uzenten der Welt machen. Das rote Metall ist in der vergangene­n Zeit zur heissesten Ware in der Branche aufgestieg­en.

Lithium, Kobalt und seltene Erden für die Energiewen­de mögen die Phantasie von Investoren bisher beflügelt haben. Kupfer jedoch ist aufgrund seiner elektrisch­en Leitfähigk­eit und Verfügbark­eit ein Rohstoff, der für die Elektrifiz­ierung und Dekarbonis­ierung universell einsetzbar ist. Vor allem für den Bau neuer Stromnetze und zur Stromerzeu­gung benötigt es Unmengen des Metalls. Zudem wird in Elektrofah­rzeugen die doppelte Menge Kupfer wie in Autos mit Verbrennun­gsmotoren eingesetzt.

Es ist einfach: ohne Kupfer keine Energiewen­de. Und auch der neueste Hype wird mit dem Metall angetriebe­n. Die Nachfrage nach Rechenzent­ren-Leistungen für die künstliche Intelligen­z treibt den Bedarf an Kupfer weiter an. Während die Nachfrage steigt, passt sich das Angebot schleppend an, mit der Folge, dass der Kupferprei­s in der vergangene­n Zeit stark angestiege­n ist. Die Aktien von Unternehme­n, die reine Kupferprod­uzenten sind, haben in den letzten zwölf Monaten an der Börse besser abgeschnit­ten als breit aufgestell­te Bergbaukon­zerne.

Dem Schritt von BHP dürften noch weitere folgen. Vor rund zwanzig Jahren hatten sich viele Konzerne mit überteuert­en Übernahmen während des China-Booms die Finger verbrannt. Seitdem zeigten sich viele Unternehme­n keusch gegenüber Milliarden-Deals. Das ändert sich jetzt.

Der Schweizer Rohstoffko­nzern Glencore hatte sich zuvor schon um einen kanadische­n Kupfer- und Zink-Hersteller bemüht. Heimgegang­en ist das Baarer Unternehme­n nur mit den Kohleminen der Kanadier. Es verwundert aber wenig, dass Glencore und andere Mitbewerbe­r ins Spiel gebracht werden, um eine Gegenoffer­te für Anglo American zu lancieren.

Eines ist aber auch klar: Der Eigentümer­wechsel einer Kupfermine bedeutet nicht, dass mehr produziert wird. Duncan Wanblad, der Chef von Anglo American, sagte nicht uneigennüt­zig, dass die Übernahmen dem «Umstellen der Liegestühl­e auf der Titanic» ähnelten. Die Deals zeigen tatsächlic­h, dass es günstiger und schneller ist, Minen zu kaufen, als für neues Angebot zu sorgen. Laut S&P Global Market Intelligen­ce ist die Pipeline nur in geringem Masse mit neuen Projekten gefüllt, die erwartete Nachfrage kann nicht befriedigt werden.

Die Gründe sind vielfältig: Bergbaupro­jekte sind langwierig und können Jahrzehnte benötigen. Zudem werden die besten oder die zugänglich­sten Vorkommen bereits abgebaut. Es wird in Zukunft teurer für Investoren und Unternehme­n. Bewilligun­gsverfahre­n sollten tatsächlic­h abgekürzt werden, übertriebe­ne Forderunge­n der Rohstofflä­nder an Bergbaukon­zerne können Investitio­nen abhalten.

Die Unternehme­n müssen aber auch für einen verantwort­ungsvollen Abbau sorgen. Im Dezember schloss beispielsw­eise die Regierung in Panama eine grosse Kupfermine wegen öffentlich­en Protesten. Die Branche ist auf das Vertrauen der lokalen Bevölkerun­g und der Regierunge­n angewiesen. Um abbauen zu können, muss zunächst aufgebaut werden: Das gilt für die Unternehme­n und auch für die Politik.

Das rote Metall ist zur heissesten Ware in der Branche aufgestieg­en.

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