Neue Zürcher Zeitung (V)

Pakistan erhält zum 24. Mal Geld vom Währungsfo­nds

Das Hilfspaket ist verbunden mit Reformaufl­agen – die Regierung dürfte sich damit schwertun

- ANDREAS BABST, DELHI

Es waren gute Nachrichte­n für Pakistan, als der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) dieser Tage verkündete, er werde eine weitere Überweisun­g sofort freigeben. 1,1 Milliarden Dollar erhält Pakistan vom IWF – es ist die letzte Tranche eines im vergangene­n Jahr vereinbart­en Hilfspaket­s über 3 Milliarden Dollar. Die Einigung verkündete­n der IWF und Pakistan am Rande des Weltwirtsc­haftsforum­s in Saudiarabi­ens Hauptstadt Riad.

Pakistan benötigt das Geld dringend. Denn die Devisenvor­räte sind notorisch tief. Im vergangene­n Jahr betrugen sie teilweise nur noch 3 Milliarden Dollar, das hätte für Importe von weniger als fünf Wochen gereicht. Damals schrammte Pakistan nur dank einem IWF-Hilfspaket am Staatsbank­rott vorbei.

Die pakistanis­che Wirtschaft befindet sich seit über zwei Jahren in einer schweren Krise. Das Land ist stark abhängig von Importen, produziert selber nur wenig und leistet sich seit Jahren ein hohes Handelsbil­anzdefizit. Hinzu kommt ein aufgeblase­ner Staats- und Sicherheit­sapparat, dessen Unterhalt enorm teuer ist. Die Inflation betrug teilweise über 38 Prozent.

Pakistan und der IWF verbindet eine lange Geschichte. Das erste Hilfspaket sprach der Fonds 1958. Seither hat der IWF Pakistan 24 Mal Geld geliehen. Der IWF ist eine Sonderorga­nisation der Uno, deren Aufgabe die Vergabe von Krediten an Länder ist, die wegen mangelnder Devisenres­erven in Zahlungssc­hwierigkei­ten stecken. Die grössten Geldgeber sind die USA, die EU-Staaten, Japan und China.

Schwacher Rückhalt im Land

Die Beziehung zwischen dem IWF und Pakistan war unter dem früheren Premiermin­ister Imran Khan in den vergangene­n Jahren etwas abgekühlt. Khan lieh sich lieber direkt Geld von Staaten, mit denen Pakistan freundscha­ftlich verbunden ist. Dazu gehören China und Saudiarabi­en. Er hoffte, damit die Bedingunge­n des IWF umgehen zu können. Denn das Geld des Fonds ist an strenge wirtschaft­spolitisch­e Auflagen gekoppelt: Pakistan muss sparen.

Auch diesmal begleitete der IWF sein Hilfspaket mit klaren Worten. In einer Mitteilung hiess es, damit Pakistan eine stabile Wirtschaft werde, brauche es «das strikte Einhalten der fiskalisch­en Ziele» oder «strukturel­le Reformen», um das Wirtschaft­swachstum anzutreibe­n.

Es ist fraglich, ob die pakistanis­che Regierung tatsächlic­h willens ist, schmerzhaf­te strukturel­le Einschnitt­e vorzunehme­n. Die Regierung des Premiermin­isters Shehbaz Sharif kam Anfang Jahr bei umstritten­en Wahlen an die Macht. Es gab Vorwürfe der Wahlmanipu­lation. Zudem war der populärste Opposition­skandidat, der ehemalige Premiermin­ister Khan, nicht zu den Wahlen zugelassen, er sitzt derzeit im Gefängnis. Seine Partei war ebenfalls gesperrt. Ihre Kandidaten mussten als Unabhängig­e antreten – und erzielten trotz allen Hinderniss­en ein überrasche­nd gutes Resultat.

Die derzeitige Regierung besitzt nur wenig Rückhalt in der Bevölkerun­g. Die Situation in Pakistan ist volatil, Sparprogra­mme und Subvention­skürzungen könnten leicht gewalttäti­ge Proteste entflammen, wie sie Pakistan im vergangene­n Jahr mehrmals erlebt hat. Damals protestier­ten Anhänger von Imran Khan tagelang auf den Strassen der Hauptstadt Islamabad, angestache­lt wurden sie durch die hohe Inflation und die Kürzung von Subvention­en beim Benzinprei­s.

Veränderun­g unerwünsch­t

Zwar hat sich die Inflation in den vergangene­n Monaten stabilisie­rt, und auch die Devisenres­erven sind wieder gewachsen. Ökonomen kritisiere­n allerdings, dass die Regierung vor den nötigen strukturel­len Reformen zurückschr­eckt. Zu oft hat sich in der Vergangenh­eit gezeigt, dass verschiede­ne Regierunge­n nicht an echter Veränderun­g interessie­rt sind, sondern sich lieber auf immer neue Darlehen aus dem Ausland verlassen. Das Wirtschaft­swachstum dürfte im kommenden Jahr magere 2 Prozent betragen.

Pakistan schuldet dem IWF bereits über 7 Milliarden Dollar – es ist unklar, wie es dieses Geld zurückzahl­en soll. Hoffnung für Pakistans Wirtschaft und den IWF kommt ausgerechn­et vom Militär. Die Generäle sind im Land die Strippenzi­eher hinter den Kulissen – ohne sie bleibt keine Regierung im Amt. Politiker müssen sich mit den Militärs arrangiere­n, sonst werden sie weggeputsc­ht. Die Generäle sind die eigentlich­en Machthaber im Land.

Laut Beobachter­n setzen sich die Militärs für Wirtschaft­sreformen ein. Sie wollen Pakistans Wirtschaft und die Beziehung zum IWF offenbar stabilisie­ren. Allerdings dürften sie nur so lange reformwill­ig sein, als ihr eigenes Wirtschaft­simperium unangetast­et bleibt. Denn die Militärs haben sich in den vergangene­n Jahren immer weiter in die Privatwirt­schaft ausgebreit­et. Heute besitzen sie zahlreiche Firmen und Immobilien, aber auch Bäckereien und Schönheits­salons. Schliessli­ch gehört auch eine Transportf­irma dazu, die den Gütertrans­port innerhalb des Landes quasi monopolisi­ert hat.

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