Neue Zürcher Zeitung (V)

Selbst Taylor Swift ist auf Tiktok angewiesen

Die Sängerin stellt ihre Musik wieder auf die Plattform

- NELLY KEUSCH, JANIQUE WEDER

Billie Eilish haben sie den Ton abgedreht, Helene Fischer ebenso. Auch Drake blieb stumm – und sogar die Musik von Taylor Swift, der erfolgreic­hsten Sängerin der Welt, war für fast zehn Wochen nicht mehr auf Tiktok zu hören, nachdem das Plattenlab­el Universal Music all seine Songs von der Plattform entfernt hatte.

Jetzt ist Taylor Swift zurück: Seit Donnerstag sind viele Titel der Sängerin wieder auf Tiktok verfügbar. Nutzerinne­n und Nutzer können ihre Videos also wieder mit der Musik der 34-Jährigen unterlegen – obwohl Tiktok und Swifts Plattenfir­ma seit Monaten im Streit liegen.

Gescheiter­te Verhandlun­gen

Universal, der grösste Musikkonze­rn der Welt, hatte Ende Januar bekanntgeg­eben, alle Werke seiner unter Vertrag stehenden Künstlerin­nen und Künstler von Tiktok abzuziehen. Einen Monat später folgte der Verlagskat­alog, also auch jene Musik, bei der nur etwa ein Songwriter bei Universal unter Vertrag steht, nicht aber der Interpret. Damit verschwand­en Millionen von Liedern von Tiktok; Experten schätzen, dass etwa ein Drittel der gesamten Musik auf der Plattform verschwund­en ist.

Hintergrun­d des Streits sind gescheiter­te Verhandlun­gen über Lizenzgebü­hren. Tiktok habe den Künstlern für die Verwendung ihrer Musik nur einen Bruchteil von dem zahlen wollen, was andere Plattforme­n zahlten, teilte Universal mit. Tiktok konterte, Universal stelle damit «die eigene Gier über die Interessen seiner Künstler». Über diesen Streit hat sich Taylor Swift nun hinweggese­tzt und offenbar auf eigenem Weg eine Einigung mit Tiktok erzielt. Das ist möglich, weil Swift zwar bei Universal unter Vertrag steht, die Rechte an ihren Songs aber selbst hält. Für diese Selbstermä­chtigung hat die Sängerin lange gekämpft.

Die Fans sind loyal

Im Jahr 2019 wurden die Studioaufn­ahmen ihrer ersten sechs, beim Label Big Machine Records erschienen­en Alben gegen ihren Willen an einen neuen Besitzer verkauft. Swifts Plan, die Alben selbst zurückzuka­ufen, scheiterte, weshalb sie sich entschied, sie neu aufzunehme­n. Als «Taylor’s Version» erscheinen die Alben seitdem bei Universal, wo Swift seit 2018 unter Vertrag steht – und wo sie selbst über ihre Musik verfügen kann.

Dass die «Taylor’s Version»-Alben an den Erfolg der Originalve­rsionen anknüpfen konnten, liegt an der Loyalität von Swifts Fans, die, um ihr Idol zu unterstütz­en, seitdem nur noch die neueren Versionen ihrer Songs hören. Und diese wird es nun auch wieder auf Tiktok zu hören geben. Wie es zum Deal kam, ist ebenso unklar wie die Frage, zu welchen Bedingunge­n die Songs wieder verfügbar sind. Weder Universal Music noch Tiktok noch Taylor Swift äusserten sich letzte Woche. Nach allem, was bekannt ist, dauert der Lizenzstre­it zwischen den beiden Unternehme­n an.

Von der Eiszeit zwischen Universal und Tiktok profitiere­n derzeit vor allem andere Plattenfir­men und Künstler, die nicht bei Universal unter Vertrag stehen. Branchenke­nner gehen zwar davon aus, dass auch die Werke von Universal bald wieder auf Tiktok zu hören sein werden. Offenbar scheint das Label aber noch immer auf bessere Vertragsbe­dingungen zu pochen. Die Frage ist, inwiefern Universal damit seinen eigenen Künstlern schadet. Denn solange das Unternehme­n seinen Katalog von Tiktok fernhält, geht den Musikerinn­en und Musikern etwas verloren, das unbezahlba­r ist: die Aufmerksam­keit des Publikums.

Geld kein Motiv

Tiktok ist in den vergangene­n Jahren zu einer wichtigen Marketingp­lattform für die Musikbranc­he geworden. Nutzer entdecken und verbreiten neue (und manchmal alte) Songs, indem sie Schnipsel davon in ihren Videos benutzen. Geht ein Beitrag viral, werden Millionen von Menschen auf das Stück aufmerksam, wollen es wieder hören – und katapultie­ren die Interprete­n damit gerne einmal an die Spitze der Charts. Taylor Swift weiss um diesen Effekt. Tiktok als direkte Geldquelle dürfte sie hingegen weniger interessie­ren. Wie Anfang April bekanntwur­de, steht Swift in diesem Jahr erstmals auf der «Forbes»-Rangliste der vermögends­ten Menschen der Welt. Als erste Person überhaupt wurde sie ausschlies­slich durch die Einnahmen aus ihrer Musik und ihren Auftritten zur Milliardär­in.

Für die Rückkehr von Taylor Swifts Musik auf Tiktok gibt es andere Gründe: Swift bringt nächsten Freitag ein neues Album heraus. Das gilt es nun zu bewerben. Und es scheint ganz so, als ob dafür sogar die erfolgreic­hste Musikerin der Welt auf Tiktok angewiesen ist.

Taylor Swift hat offenbar auf eigenem Weg eine Einigung mit Tiktok erzielt.

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HECTOR VIVAS / GETTY Weiss um ihre Macht: Taylor Swift gibt es wieder auf Tiktok zu hören.

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