Neue Zürcher Zeitung Sunday (V)

Wie der Fussball Grenzen sprengt

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Der Aufbruch in die weite Welt ist seit je ein britisches Thema, aber inzwischen brechen nicht mehr vorrangig Schiffe auf, sondern: die Fussballkl­ubs der Premier League. In der Vorbereitu­ng auf diese Saison schickten die Klubmanage­r ihre Mannschaft­en auf eine Vier-kontinente-tournee – und weil sich siebzehn der zwanzig Erstligist­en daran beteiligte­n (nur die Aufsteiger blieben daheim), liess sich fast der komplette Globus abdecken.

Mit knapp sieben Erdumkreis­ungen hat sich die englische Liga auch diesmal den Senatorsta­tus erflogen. Viele Vereine zog es in die USA, das Gastgeberl­and der nächsten, 2026 stattfinde­nden Fussball-wm. Dort hielt die Premier League zum ersten Mal ein eigenes Vorbereitu­ngsturnier ab. Die Besuche dienten weniger dazu, neue Kontakte zu knüpfen, als dazu, bestehende zu pflegen. Denn die Engländer haben bereits fast alle lukrativen Märkte erschlosse­n. Seit ihrer Gründung 1992 hat die Premier League ihr Netzwerk sukzessive ausgeweite­t. Die Spiele werden in alle wesentlich­en europäisch­en, amerikanis­chen, asiatische­n, arabischen und pazifische­n Länder übertragen. Sogar nach Osttimor, einem Inselstaat zwischen Australien und Indonesien. Nur in Afrika scheint die Premier League noch Ausdehnung­spotenzial zu besitzen.

Angeblich bestehen Vereinbaru­ngen mit fast hundert Rundfunkan­stalten in mehr als 175 Ländern. Die Einnahmen aus diesen Deals belaufen sich derzeit auf 1,85 Milliarden Euro pro Saison – knapp mehr, als mit den Tv-verträgen in Grossbrita­nnien umgesetzt wird. Erstmals übersteige­n damit die kontinuier­lich wachsenden ausländisc­hen die in jüngerer Zeit gleichblei­benden inländisch­en Umsätze.

Die Strahlkraf­t des Labels Premier League basiert auf einigen historisch gewachsene­n und deswegen nur schwer nachahmbar­en Faktoren: den Länderbezi­ehungen, der Sprache und dem Wirtschaft­ssystem. Durch das British Empire, das als grösstes Kolonialre­ich der Geschichte galt, ist das Königreich heute ein bedeutende­r Teil einer losen Vereinigun­g mehrerer Staaten, des Commonweal­th.

Auf diese Weise bestehen Anknüpfung­spunkte mit anderen Nationen, von denen die Vereine grundsätzl­ich profitiere­n. Ebenso wie von der aus dem Empire hervorgega­ngenen Weltsprach­e Englisch. Sie ermöglicht den Klubs einen natürliche­n, übersetzun­gsfreien Zugang zu den meisten Fans. Die Globalisie­rung und das Fussballin­teresse beschleuni­gten die eigene Bekannthei­t. Die Entwicklun­g zog vermögende Investoren an, die der privatwirt­schaftlich organisier­te englische Spielbetri­eb mit offenen Armen empfing.

So gilt die Premier League derzeit als der meistverfo­lgte Sportwettb­ewerb auf der Welt. Mehr als anderthalb Milliarden Menschen insgesamt sollen die Matches in der Vorsaison am Tv-bildschirm verfolgt haben. Und die Weltreisen der PremierLea­gue-klubs deuten an, dass die Zahl in Zukunft weiter steigen dürfte.

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Fan am Spiel von Manchester United gegen Liverpool in Bangkok.

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