Neue Zürcher Zeitung Sunday (V)

SVP will Unis durchleuch­ten

Als Reaktion auf die Proteste müsse der Bund aktiv werden, verlangt die Partei. Die politische Vielfalt an den Hochschule­n sei in Gefahr.

- Simon Marti

Es ist Ruhe eingekehrt an den Schweizer Universitä­ten. Vorläufig zumindest. In den meisten Fällen beendete die Polizei diese Woche die Besetzung von Hochschulg­ebäuden durch propalästi­nensische Aktivisten. Für die Bundeshaus­fraktion der SVP ist bereits die Zeit der politische­n Aufarbeitu­ng angebroche­n. Sie hat am Freitag einstimmig zwei Fraktionsp­ostulate beschlosse­n, in denen sie vom Bund Aufklärung über die Hintergrün­de der Besetzunge­n verlangt.

«Es ist offensicht­lich, dass die Besetzunge­n nicht einfach so spontan geschahen», ist SVPNationa­lrat Benjamin Fischer überzeugt, bei der Partei zuständig für das Dossier Familien, Bildung und Gesellscha­ft. Die verschiede­nen Gruppen hätten sich koordinier­t und abgesproch­en. «Das sieht man schon an den praktisch identische­n Forderunge­n an zig verschiede­nen Universitä­ten in verschiede­nen Ländern», sagt Fischer. Der Bund tue gut daran, dieses Phänomen vertieft zu untersuche­n. Namentlich will die SVP, dass untersucht wird, wie die Besetzunge­n geplant worden seien und «welche Rolle in- und ausländisc­he Netzwerke» dabei gespielt hätten.

Auf manchem Campus haben die Proteste deutliche Spuren hinterlass­en. So berichtete der «Sonntags-blick» von einem besorgten Brief jüdischer Studentinn­en und Studenten an die Leitung der Universitä­t Lausanne. Und gegenüber der NZZ sagte die Co-vorsitzend­e der Fachgruppe Jüdische Studien der Universitä­t Basel: «Die Studierend­en am Zentrum für jüdische Studien fühlen sich durch die Proteste bedroht.»

Was sich an den Unis manifestie­rt habe, sei schlicht beängstige­nd, so Fischer. «Die Boykottauf­rufe gegen israelisch­e Hochschule­n und Forscher sind antisemiti­sch», hält er fest. «Wie muss sich wohl ein israelisch­er Forscher in der Schweiz fühlen?» Habe man während des Irak-krieges je gegen die Zusammenar­beit mit amerikanis­chen Unis demonstrie­rt? «Nein. Die Leute gingen gegen die Bush-regierung auf die Strasse», sagt der Svp-politiker. Und so will er vom Bundesrat auch wissen, wie der Nationalfo­nds, der im Auftrag des Bundes Wissenscha­fter aller Diszipline­n fördert, mit Forschern umgeht, die diese Boykottauf­rufe mittragen.

Seine Partei geht in ihren Forderunge­n aber über die jüngsten Ereignisse hinaus. Geht es nach der SVP, muss der Bundesrat aufzeigen, ob die politische Vielfalt und «die Neutralitä­t von Forschung und Lehre» noch gewährleis­tet seien und wie verbreitet Fälle von politische­r Diskrimini­erung an Schweizer Universitä­ten seien. Fischer verweist auf das Berner Nahost-institut. Ein Dozent lobte im vergangene­n Oktober die Hamas für ihren Terror-angriff auf Israel. Die Universitä­t führte eine Administra­tivuntersu­chung durch und löste das Institut in der Folge auf. «Wir sehen hier ein Symptom für tiefliegen­de Probleme, namentlich in den Geisteswis­senschafte­n», sagt Fischer.

Was auffällt: Fischer hatte sich im Nationalra­t noch vor kurzer Zeit gegen ein Verbot von Nazisymbol­en ausgesproc­hen. Jetzt vom Bund zu verlangen, die Gesinnunge­n an Schweizer Unis unter die Lupe zu nehmen, sieht er nicht als Widerspruc­h. «Ich bin der Allerletzt­e, der Meinungen einschränk­t. Aber das sind öffentlich finanziert­e Institutio­nen, nicht ein paar verwirrte Gestalten, die irgendwo Parolen skandieren.»

Dass andere Fraktionen die Forderunge­n mittragen, scheint unwahrsche­inlich. Die Besetzunge­n seien zügig unterbunde­n worden, erklärt Fdp-nationalrä­tin Regine Sauter. «Das war auch absolut richtig, denn diese Gruppen von Studierend­en vertreten eine einseitige und extreme, zum Teil auch antisemiti­sche Haltung in Bezug auf den Nahostkonf­likt, andere Meinungen werden nicht toleriert.» Doch brauche es «kein Tätigwerde­n der nationalen Politik oder ein Eingreifen des Bundes», die Universitä­ten seien in der Lage, dies selber zu regeln.

Es sei billig, aus dieser traurigen Lage politische­s Kapital schlagen zu wollen, kritisiert Sp-nationalra­t und Bildungspo­litiker Matthias Aebischer. «Diese Gespenster beschwört die SVP auch nicht zum ersten Mal, schon öfters glaubte sie, die Hochschule­n seien von bösen Geistern unterwande­rt.» Manches, was zuletzt bei den Protesten geäussert und gefordert wurde, sei bedenklich, betont auch der Berner. Wie alle Institutio­nen seien die Unis nicht gefeit gegen extreme Weltanscha­uungen, «linke und rechte», so Aebischer. «Wenn schon, dann müsste man alle politische­n Strömungen unter den Lehrbeauft­ragten und Studierend­en im Auge haben und nicht bloss eine einzige Gruppe.»

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