Neue Zürcher Zeitung Sunday (V)
SVP will Unis durchleuchten
Als Reaktion auf die Proteste müsse der Bund aktiv werden, verlangt die Partei. Die politische Vielfalt an den Hochschulen sei in Gefahr.
Es ist Ruhe eingekehrt an den Schweizer Universitäten. Vorläufig zumindest. In den meisten Fällen beendete die Polizei diese Woche die Besetzung von Hochschulgebäuden durch propalästinensische Aktivisten. Für die Bundeshausfraktion der SVP ist bereits die Zeit der politischen Aufarbeitung angebrochen. Sie hat am Freitag einstimmig zwei Fraktionspostulate beschlossen, in denen sie vom Bund Aufklärung über die Hintergründe der Besetzungen verlangt.
«Es ist offensichtlich, dass die Besetzungen nicht einfach so spontan geschahen», ist SVPNationalrat Benjamin Fischer überzeugt, bei der Partei zuständig für das Dossier Familien, Bildung und Gesellschaft. Die verschiedenen Gruppen hätten sich koordiniert und abgesprochen. «Das sieht man schon an den praktisch identischen Forderungen an zig verschiedenen Universitäten in verschiedenen Ländern», sagt Fischer. Der Bund tue gut daran, dieses Phänomen vertieft zu untersuchen. Namentlich will die SVP, dass untersucht wird, wie die Besetzungen geplant worden seien und «welche Rolle in- und ausländische Netzwerke» dabei gespielt hätten.
Auf manchem Campus haben die Proteste deutliche Spuren hinterlassen. So berichtete der «Sonntags-blick» von einem besorgten Brief jüdischer Studentinnen und Studenten an die Leitung der Universität Lausanne. Und gegenüber der NZZ sagte die Co-vorsitzende der Fachgruppe Jüdische Studien der Universität Basel: «Die Studierenden am Zentrum für jüdische Studien fühlen sich durch die Proteste bedroht.»
Was sich an den Unis manifestiert habe, sei schlicht beängstigend, so Fischer. «Die Boykottaufrufe gegen israelische Hochschulen und Forscher sind antisemitisch», hält er fest. «Wie muss sich wohl ein israelischer Forscher in der Schweiz fühlen?» Habe man während des Irak-krieges je gegen die Zusammenarbeit mit amerikanischen Unis demonstriert? «Nein. Die Leute gingen gegen die Bush-regierung auf die Strasse», sagt der Svp-politiker. Und so will er vom Bundesrat auch wissen, wie der Nationalfonds, der im Auftrag des Bundes Wissenschafter aller Disziplinen fördert, mit Forschern umgeht, die diese Boykottaufrufe mittragen.
Seine Partei geht in ihren Forderungen aber über die jüngsten Ereignisse hinaus. Geht es nach der SVP, muss der Bundesrat aufzeigen, ob die politische Vielfalt und «die Neutralität von Forschung und Lehre» noch gewährleistet seien und wie verbreitet Fälle von politischer Diskriminierung an Schweizer Universitäten seien. Fischer verweist auf das Berner Nahost-institut. Ein Dozent lobte im vergangenen Oktober die Hamas für ihren Terror-angriff auf Israel. Die Universität führte eine Administrativuntersuchung durch und löste das Institut in der Folge auf. «Wir sehen hier ein Symptom für tiefliegende Probleme, namentlich in den Geisteswissenschaften», sagt Fischer.
Was auffällt: Fischer hatte sich im Nationalrat noch vor kurzer Zeit gegen ein Verbot von Nazisymbolen ausgesprochen. Jetzt vom Bund zu verlangen, die Gesinnungen an Schweizer Unis unter die Lupe zu nehmen, sieht er nicht als Widerspruch. «Ich bin der Allerletzte, der Meinungen einschränkt. Aber das sind öffentlich finanzierte Institutionen, nicht ein paar verwirrte Gestalten, die irgendwo Parolen skandieren.»
Dass andere Fraktionen die Forderungen mittragen, scheint unwahrscheinlich. Die Besetzungen seien zügig unterbunden worden, erklärt Fdp-nationalrätin Regine Sauter. «Das war auch absolut richtig, denn diese Gruppen von Studierenden vertreten eine einseitige und extreme, zum Teil auch antisemitische Haltung in Bezug auf den Nahostkonflikt, andere Meinungen werden nicht toleriert.» Doch brauche es «kein Tätigwerden der nationalen Politik oder ein Eingreifen des Bundes», die Universitäten seien in der Lage, dies selber zu regeln.
Es sei billig, aus dieser traurigen Lage politisches Kapital schlagen zu wollen, kritisiert Sp-nationalrat und Bildungspolitiker Matthias Aebischer. «Diese Gespenster beschwört die SVP auch nicht zum ersten Mal, schon öfters glaubte sie, die Hochschulen seien von bösen Geistern unterwandert.» Manches, was zuletzt bei den Protesten geäussert und gefordert wurde, sei bedenklich, betont auch der Berner. Wie alle Institutionen seien die Unis nicht gefeit gegen extreme Weltanschauungen, «linke und rechte», so Aebischer. «Wenn schon, dann müsste man alle politischen Strömungen unter den Lehrbeauftragten und Studierenden im Auge haben und nicht bloss eine einzige Gruppe.»