Neue Zürcher Zeitung Sunday (V)
Brücken schlagen mit Wurst und Fleisch
Sie fragen, unsere Kolumnistin antwortet
Frage 1 – Muss man die Kinder mit einladen?
Mein Mann und ich wollten Bekannte zum Essen einladen. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass ihre Teenager nicht dabei sein müssen (unsere möchten den Abend ausdrücklich nicht mit ihnen verbringen). Jedes Mal antwortete die Mutter, sie kämen gemeinsam. Nun habe ich gesagt, dass ich das Treffen verschieben wolle. Bin ich asozial? – Karin F., ohne Ort
Liebe Karin, haben Ihre Teenager das Problem oder Sie? Sollte sich das Thema auf Kinderebene abspielen, dann müssen die beiden Besuchsteenager mit den Erwachsenen klarkommen. Meist heisst die Antwort dann «Wlanpasswort» oder «Netflix». Finden Sie die Kinder Ihrer Bekannten ebenfalls befremdlich oder sind genervt davon, dass Ihre Freundin Ihre Zeichen nicht liest, dann sollten Sie sich die Frage stellen, ob es Sinn ergibt, sie aufwendig zu bekochen und drei Stunden zu Hause zu bewirten. Vielleicht wäre es einfacher, sich auf einen Kaffee in der Stadt zu treffen und das Ganze etwas unverbindlicher anzugehen. Und wenn ganz andere Probleme hinter Ihrer Ablehnung liegen, dann müssen Sie diese entweder ansprechen oder die Beziehung sanft einschlafen lassen. Gerne ein anderes Mal, ich melde mich. Wenn alle das Gesicht wahren, ist man auch nicht antisozial.
Frage 2 – Darf man Vegetarier Wurstgeruch aussetzen? Mein Yogalehrer ist Vegetarier. Ist es in Ordnung, dass ich morgens meine Einkaufstasche vom Markt in seine Räume mitnehme? Darin befinden sich meist Wurst und Fleisch, manchmal sogar Kutteln und Lebern. – Pascal c., Offenburg
Lieber Pascal, ich bin unentschlossen: Den herabschauenden Hund direkt neben einer Packung Mett zu praktizieren, fände ich befremdlich, aber wenn die Tasche in der Umkleide bleibt, sind die Sphären doch getrennt. Die meisten Vegetarier und Veganer sind toleranter, als man ihnen oft zuschreibt, vermutlich, um dem Klischee der militanten
Veganerin zu entkommen (ich habe in meinem Leben erst eine Frau erlebt, die beim Dinner nicht neben dem Braten sitzen wollte, und bin noch nie für meinen Fleischkonsum von irgendwem gemassregelt worden). Am besten fragen Sie Ihren Yogalehrer selber. Möglicherweise stellt er Ihnen einen Kühlschrank zur Verfügung. Ich mache mir nämlich mehr Sorgen um die Leber, der tun anderthalb Stunden Shavasana bei Raumtemperatur nämlich nicht gut.
Frage 3 – Soll man seinem Gast die Reste einpacken?
Neulich hatten wir Arbeitskollegen zum Dinner zu Hause. Ich hatte teures Fleisch gekauft, welches die Frau nicht aufgegessen hat. Ich habe es ihr dann eingepackt und mitgegeben. Nun sagt meine Frau, ich hätte sie blamiert, weil ich unterstellen würde, sie hätte nicht genug Geld, um sich selber Fleisch zu kaufen. – anonym, per E-mail
Lieber anonymer Ehemann, da hatten Sie die besten aller Absichten und bekommen von der Gattin einen überbrezelt wegen . . . na ja, Übergriffigkeit gegenüber den Kollegen? Von mir bekommen Sie Applaus: Ich würde Ihr Verhalten weniger als Unterstellung von Armut einordnen (ausser in der Firma Ihrer Frau wird bekanntermassen schlecht gezahlt), sondern als sinnvollen Beitrag zum Thema Ressourcenmanagement. Denn: Gutes Fleisch ist teuer, es kostet nicht nur viel Geld, es verbraucht viel Wasser und Fläche und pupst im Zweifelsfall zu viel Methan in die Atmosphäre; von den ethischen Fragen des Konsums ganz abgesehen. Und es schmeckt am nächsten Tag ganz hervorragend: Man kann es mit einem Salatblatt auf einem Brötchen paaren oder die Nudeln mit ihm aufpeppen. Ganz im Ernst: Sie haben nichts falsch gemacht, Sie sind einfach nur Ihrer Zeit voraus. Oder à point, um im Thema zu bleiben.