Neue Zürcher Zeitung Sunday (V)

Diese Tour ist besser als Paartherap­ie

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Die ehe muss ununterbro­chen ein alles verschling­endes Monster bekämpfen: die Gewohnheit.» Nein, mit diesem Zitat von Honoré de Balzac gleite ich nicht in die Eheberatun­g. Und doch habe ich festgestel­lt: Meine Partnerin und ich haben es sehr genossen, einmal nicht der üblichen Kompassnad­el zu folgen, sprich in die Berge, oder wenn Jura, dann bitte nur der höchste Berg. Sondern einmal in einer Landschaft unterwegs zu sein, in der alle Dorfnamen neu sind, in der es keine bekannten Fixpunkte am Horizont gibt und in der man ständig auf Neues und hie und da auf Überraschu­ngen stösst – das tut gut. Und gerade gestern hat sie vorgeschla­gen, doch wieder einmal in die Ajoie zu gehen, das sei doch so toll gewesen.

Gleich eine zweite Tugend lässt sich auf dieser einfachen Wanderung noch üben: runterscha­lten. Denn kaum im kleinen Dorf Damphreux gestartet, steht man vor der Teichlands­chaft Étang des Coeudres. Die Teiche wurden 1968 für die Karpfenzuc­ht angelegt. Das blieb bei vielen Vögeln nicht unbemerkt, und die Teiche und das umgebende Sumpfgebie­t entwickelt­en sich rasch zu einem Rastplatz für Zugvögel. 2007 konnte die Fondation Marais de Damphreux das Gebiet erwerben, sie legte die Fischzucht still und setzt sich seither für die ökologisch­e Aufwertung des Gebietes ein. Die Teiche wurden entschlamm­t, die Ufer entbuscht, und für Besucherin­nen wurde ein hölzernes Beobachtun­gshäuschen gebaut. Mit etwas Glück kann man hier Kiebitze, Flussregen­pfeifer und Bekassinen entdecken. Auch ohne viel Geduld und Glück sollte man aber Weissstörc­he sehen. Während 25 Jahren war ein Storchenpa­ar auf dem Kirchturm von Damphreux das einzige in der Ajoie. Nachdem die Fondation 2016 künstliche Nester auf hohen Pfählen installier­t hatte, gingen die Zahlen schnell in die Höhe – innerhalb von drei Jahren gab es 15 Brutpaare. Beim Étang des Coeudres sieht man sie auf solchen Pfählen, aber auch zuoberst auf den nahegelege­nen Kiefern. Die Wanderung macht einen grossen Bogen via Beurnevési­n und Bonfol nach Vendlincou­rt. Auf dem letzten Abschnitt führt sie nochmals an einer Serie von Teichen und Seen vorbei, schöne Picknickpl­ätze gibt es beim Étang du Milieu.

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Der Etang des Coeudres mit Damphreux im Hintergrun­d.

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