Soll 1. Klasse im Zug abgeschafft werden?
BERN. Die 1. Klasse sei asozial, sagen die Juso. Experten widersprechen: Ihre Abschaffung würde den ÖV gefährden.
Die Juso wollen die 1. Klasse in Zügen abschaffen. Die Verteilung der Sitzplätze sei «realitätsfern». Zu Stosszeiten finde man in der 2. Klasse keinen Platz mehr, während die 1. Klasse oft unterbesetzt sei. Die Situation grenze ans «Unerträgliche», teilte die Partei diese Woche mit.
Bei den ÖV-Unternehmen stossen die Juso allerdings auf taube Ohren. SBB-Sprecher Oli Dischoe sagt: «Das heutige Angebot entspricht einem Kundenbedürfnis.» Es gebe Strecken, auf denen die 1. Klasse besser ausgelastet sei als die zweite. Bei der Zürcher S-Bahn sind etwa 20 Prozent der Sitzplätze solche der 1. Klasse. Sprecher Thomas Kellenberger sagt: «Es gibt Pendler, die den ÖV nur nutzen, wenn eine
1. Klasse zur Verfügung steht. Einen Teil davon würden wir wohl verlieren, wenn wir sie abschaffen würden.» Pendler mit einem 1.-Klasse-Billett leisteten zudem einen Beitrag zur Verminderung des Defizits. Bei der Zürcher S-Bahn würde die Kapazität nur um etwa 5 Prozent gesteigert, würde die 1. Klasse abgeschafft. Allerdings gibt es dort in der 1. Klasse im Gegensatz zum Fernverkehr eine engere Bestuhlung und damit mehr Sitze.
Marco Salvi, Ökonom bei Avenir Suisse, sagt, bei einer Abschaffung würden die Einnahmen zurückgehen. Eine solche Massnahme sei «asozial». Die 1. Klasse ermögliche ein grösseres Angebot, ihre Passagiere subventionierten jene der
2. Klasse. «Die 2.-Klasse-Passagiere wären bei einer Abschaffung die Verlierer.» Der Zürcher Regierungsrat hatte sich schon 2011 gegen eine Abschaffung ausgesprochen: Der ÖV in der Schweiz spreche alle sozialen Schichten an.