20 Minuten - Deutschschweiz uberregional

«Mein Leben muss ständig in Säcke passen»

QAMISHLI. In Nordsyrien sind Hunderttau­sende Menschen auf der Flucht. 20 Minuten hat einige von ihnen getroffen.

- ANN GUENTER

Auf den Gängen der Abdul-Kadir-Schule stapeln sich Tische und Bänke. In den Zimmern liegen dünne Matratzen, allein die Wandtafeln verraten, dass es einst Klassenzim­mer waren. Die Oberstufen­schule des Städtchens Tel Tamr ist zu einem Unterschlu­pf für 50 geflohene Familien aus dem Norden des Landes geworden. Hier unter anderem richtet die Türkei ihre sogenannte Sicherheit­szone ein, in die Ankara jene Millionen von Flüchtling­en umsiedeln will, die vor dem syrischen Bürgerkrie­g in die Türkei geflohen waren. Das sorgt für neue Vertreibun­gen: 200000 Menschen haben gemäss UNO ihr Zuhause zurückgela­ssen, weil es innerhalb der türkischen «Schutzzone» liegt.

Zu ihnen gehört auch Ranja (30). Die frühere Englischle­hrerin ist in weniger als zwei Jahren bereits mehrfach geflohen: von Afrin nach Kobane, jetzt von Kobane nach Hasaka. «Ich will doch nur ein Leben ohne Angst und Kampf», sagt sie unter Tränen. «Ich will ein Zuhause, das ich mit Fotos und Büchern füllen kann, statt darauf achten zu müssen, dass alles in Säcke und Koffer passt.»

Auch in Tel Nasrin sind 30 arabische und kurdische

Familien untergekom­men. Das assyrisch-christlich­e Dorf hatte einst 1000 Einwohner, bevor der IS sie alle vertrieb. Nur eine Familie kehrte seit 2015 zurück. Heute bewohnen die neuen Flüchtling­e aus dem Norden die verlassene­n Christen-Häuser. Sie berichten von nächtliche­n Angriffen durch IS-Schläferze­llen. An den Hass dieser Terroriste­n erinnern die Trümmer der einst prachtvoll­en Kirche des Ortes: Der IS hatte sie an einem Ostersonnt­ag zerstört.

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200 000 Menschen haben gemäss UNO ihr Zuhause zurückgela­ssen.

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