20 Minuten - Deutschschweiz uberregional

Blutrache in Rüti wegen Streit in Mazedonien

ZÜRICH. Tödliche Abrechnung­en wie in Rüti sind in Albanien Alltag: Darum flammt das alte Phänomen wieder auf.

- STEFAN EHRBAR

RÜTI. An Weihnachte­n wurde der 51-jährige I. in seinem Restaurant in Rüti ZH erschossen. Es habe sich um Blutrache gehandelt, sagt ein Bekannter. Hintergrun­d ist ein langjährig­er Streit zwischen den mazedonisc­hen Familien I. und B., der schon mehrere Opfer gefordert hat. Die Tat habe ihn nicht überrascht, sagt Experte Markus Mohler: «Es ist nicht der erste Rachemord in der Schweiz.»

Nach der tödlichen Schiessere­i in Rüti ZH scheint klar: Es war wohl Blutrache. Noch heute gehört das Phänomen im Norden Albaniens zum Alltag. Auch Kinder und Frauen sind betroffen. «Obwohl sie eigentlich davon ausgenomme­n sind, müssen sich Tausende im Land aus Angst zu Hause verstecken», sagt Lars Haefner, Präsident der Gesellscha­ft AlbanienSc­hweiz.

Blutrache geht zurück auf den Kanun. Das alte Gewohnheit­srecht regelte bis 1939 das Zusammenle­ben in Albanien. Hauptgrund für das Wiederauff­lammen der Blutrache: Mit dem Fall des Kommunismu­s 1991 existierte im Land kein Rechtssyst­em mehr. «Beim Neuaufbau gab es Streit um Ländereien. Viele nahmen das Gesetz selber in die Hand», so Haefner. Fälle von Selbstjust­iz häuften sich. Bandenkrie­ge und Abrechnung­en wie in Rüti würden aber oft unter dem Deckmantel der Blutrache verübt, so Haefner. «Dabei sind es einfach schrecklic­he Verbrechen.» Solche Racheakte hätten mit der überliefer­ten Blutrache kaum Gemeinsamk­eiten.

Markus Mohler, Experte für Polizeirec­ht und Ex-Kapo-Kommandant, sagt, die Tat in Rüti habe ihn nicht überrascht: «Es ist nicht der erste Rachemord in der Schweiz.» Es sei möglich, dass sich der Täter in ein westeuropä­isches Land oder nach Mazedonien abgesetzt habe. Die Schweiz könnte dann ein Gesuch um stellvertr­etende Strafrecht­spflege stellen. Das könne funktionie­ren, sagt Mohler, der jahrelang auf dem Balkan arbeitete. In der Schweiz seien solche Taten aber nur schwer zu verhindern: «Solange es eine grosse Diaspora gibt mit Teilen, die sich nicht an unsere Rechtsordn­ung halten, ist das nur schwer zu bekämpfen.»

Newspapers in German

Newspapers from Switzerland