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Blutrache in Rüti wegen Streit in Mazedonien
ZÜRICH. Tödliche Abrechnungen wie in Rüti sind in Albanien Alltag: Darum flammt das alte Phänomen wieder auf.
RÜTI. An Weihnachten wurde der 51-jährige I. in seinem Restaurant in Rüti ZH erschossen. Es habe sich um Blutrache gehandelt, sagt ein Bekannter. Hintergrund ist ein langjähriger Streit zwischen den mazedonischen Familien I. und B., der schon mehrere Opfer gefordert hat. Die Tat habe ihn nicht überrascht, sagt Experte Markus Mohler: «Es ist nicht der erste Rachemord in der Schweiz.»
Nach der tödlichen Schiesserei in Rüti ZH scheint klar: Es war wohl Blutrache. Noch heute gehört das Phänomen im Norden Albaniens zum Alltag. Auch Kinder und Frauen sind betroffen. «Obwohl sie eigentlich davon ausgenommen sind, müssen sich Tausende im Land aus Angst zu Hause verstecken», sagt Lars Haefner, Präsident der Gesellschaft AlbanienSchweiz.
Blutrache geht zurück auf den Kanun. Das alte Gewohnheitsrecht regelte bis 1939 das Zusammenleben in Albanien. Hauptgrund für das Wiederaufflammen der Blutrache: Mit dem Fall des Kommunismus 1991 existierte im Land kein Rechtssystem mehr. «Beim Neuaufbau gab es Streit um Ländereien. Viele nahmen das Gesetz selber in die Hand», so Haefner. Fälle von Selbstjustiz häuften sich. Bandenkriege und Abrechnungen wie in Rüti würden aber oft unter dem Deckmantel der Blutrache verübt, so Haefner. «Dabei sind es einfach schreckliche Verbrechen.» Solche Racheakte hätten mit der überlieferten Blutrache kaum Gemeinsamkeiten.
Markus Mohler, Experte für Polizeirecht und Ex-Kapo-Kommandant, sagt, die Tat in Rüti habe ihn nicht überrascht: «Es ist nicht der erste Rachemord in der Schweiz.» Es sei möglich, dass sich der Täter in ein westeuropäisches Land oder nach Mazedonien abgesetzt habe. Die Schweiz könnte dann ein Gesuch um stellvertretende Strafrechtspflege stellen. Das könne funktionieren, sagt Mohler, der jahrelang auf dem Balkan arbeitete. In der Schweiz seien solche Taten aber nur schwer zu verhindern: «Solange es eine grosse Diaspora gibt mit Teilen, die sich nicht an unsere Rechtsordnung halten, ist das nur schwer zu bekämpfen.»