Volle Insel: Kehrtwende eingeleitet
Noch vor wenigen Monaten hatte die Balearen-Regierung die extrem vielen Touristen als Manna für den Fortschritt gesehen. Doch unschöne Folgen und der Unmut in der Bevölkerung ließen sie umschwenken
Auf Mallorca vollzieht sich derzeit ein Paradigmenwechsel: Die konservative Balearen-Regierung, die für ihre unternehmer- und tourismusfreundliche Politik bekannt war, hat beschlossen, sich zum Vorreiter der tourismuskritischen Bestrebungen zu machen und das Wachstum auf den Inseln zu beschränken. „Wir sind am Limit“, hatte die konservative Ministerpräsidentin Marga Prohens, zugleich Chefin der Volkspartei Partido Popular (PP), bereits am Dienstag vergangener Woche (7. Mai) im Insel-Parlament erstmals gesagt und damit eine Position vertreten, wie sie bisher stets von sozialistischen und sonstigen linken Kräften des Parteienspektrums verfochten worden waren.
Die Volkspartei übernimmt damit Positionen und Strategien, wie sie in der sozialistisch geführten Vorgängerregierung bis zu deren Abwahl im Mai 2023 propagiert und vorangetrieben worden waren. Der langjährige Politikredakteur der spanischen MM-Schwesterzeitung „Ultima Hora”, Torres Blasco, sieht darin eine unerwartete Kehrtwende. Die PP macht sich die Verärgerung der Menschen über die negativen Auswirkungen des Massentourismus wie etwa überfüllte Strände und Straßen sowie Wohnungsnot zu eigen und kündigt restriktive Maßnahmen dagegen an, schreibt Blasco.
Dieser überraschende Wechsel der Strategien kündigte sich mit der Aussage von Prohens im Balearen-Parlament an („Wir sind am Limit”), den sie am Mittwoch der vorigen Woche bekräftigte. Am Freitag dann verkündete der Sprecher ihres Kabinetts, Vize-Ministerpräsident Antoni Costa, eine Reihe von Maßnahmen, mit denen diese neue Politik eingeläutet werden solle. „Wir müssen kurz-, mittelund langfristig mutige Entscheidungen treffen.”
Abgezeichnet hatte sich die Kehrtwende bereits mit der Reform des Dekrets im Kampf gegen den sogenannten Exzesstourismus, das nunmehr in „Maßnahmen zugunsten eines verantwortungsbewussten Tourismus“umbenannt wurde (s. S. 16). Einer der neuesten Kernpunkte ist das Verbot von Alkohol im öffentlichen Raum in ausgewiesenen Sperrzonen. Bei Zuwiderhandlungen drohen demnach bis zu 1500 Euro hohe Geldstrafen.
Ein weiteres Dekret, das der Vereinfachung der Verwaltung dienen soll, wird darüber hinaus die Vermietung von Häusern auf dem Land an Touristen nun doch nicht zulassen. Es handelt sich um illegale Immobilien oder um Häuser mit illegalen Anbauten wie Erweiterungen oder Pools, für die eine städtebauliche Amnestie im Raum steht (siehe auch S. 35). Ursprünglich war ein Vermietungsverbot von lediglich fünf Jahren angedacht gewesen.
Vizeregierungschef Antoni Costa kündigte darüber hinaus die sofortige Einsetzung eines Tourismusausschusses in Form eines runden Tisches an, an dem die Behörden und Institutionen, die Parteien, die Unternehmensverbände und Gewerkschaften sowie die übrigen Gesellschaftsgruppen vertreten sein sollen. „Die Regierung wird diesen Prozess leiten, damit aus ihm mutige und restriktive Maßnahmen hervorgehen“, sagte Costa. Ziel sei ein einvernehmlicher Konsens. Der Politiker verwies darauf, „dass es klar ist, dass wir nicht weiter in Quantität wachsen können, sondern dass wir in der Qualität wachsen müssen.”
Weiter kündigte Costa an, dass nach der diesjährigen Tourismussaison, für die bekanntlich eine sehr hohe Auslastung prognostiziert wird, die Regierung eine Makroumfrage unter der ansässigen Bevölkerung in Auftrag geben werde, um zu erfahren, wie die Menschen den Tourismus und mögliche Maßnahmen bewerten. Auf diese Weise solle auch die Bevölkerung zu Wort kommen. Costa betonte, dass das touristische Modell der Inseln sich wandeln müsse. Die Regierung sei sich der Probleme und der Schwierigkeiten für die Bürger aufgrund der touristischen Überfüllung bewusst. Es gehe darum, die Interessen der Einwohner mit den Interessen des Tourismus in Einklang zu bringen, der, „so Gott will”, auch in Zukunft der Wirtschaftsmotor der Inseln sein werde.
Parallel zur Archipelsregierung sprach vorigen Freitag auch der untergeordnete Inselrat von Mallorca über seinen Präsidenten Llorenc Galmés aus, dass „es an der Zeit sei, Grenzen zu setzen”. Entsprechend beschloss der Inselrat eine Absenkung der Obergrenzen für das Tourismuswachstum, das heißt die Verringerung der Anzahl der möglichen Gästebetten auf Mallorca um immerhin 18.000.
Der Autovermieterverband (AEVAB) erklärte sich unterdessen bereit, seine Fahrzeugflotte in der Touristensaison auf Mallorca zu verkleinern. Nur so könne der Massentourismus auf der Insel ausgebremst werden. Außerdem schlug der Verband noch die Einschränkung der Zulassung von Privatfahrzeugen und die Verbesserung der Infrastruktur vor. Auch die Hoteliers sehen die Obergrenze bei Touristen erreicht: Der zuständige Verband FEHM sprach sich für ein gesundes Gleichgewicht zwischen Residenten und Urlaubern aus. „Ein strategischer Plan muss erarbeitet werden”, so dessen Vorsitzende María Frontera.
Die sozialistische Opposition (PSIB), die von dem Paradigmenwechsel überrascht worden war, erklärte indes, die Aussagen der Regierung stimmten nicht mit den von ihr ergriffenen Maßnahmen überein. Dessen ungeachtet hatte die PP bereits am Donnerstag der vorigen Woche im Parlament eine Initiative der Sozialisten unterstützt, das von der linken Vorgängerregierung initiierte Abkommen beizubehalten, das die Ankunft von Kreuzfahrtschiffen in Palma begrenzt.
Unterdessen nimmt der Unmut in der Insel-Bevölkerung über die Massifizierung stetig zu: Für Samstag, 25. Mai, ist im Park „Ses Estacions” in Palma eine Groß-Demonstration nach kanarischem Vorbild geplant. Es wird mit Tausenden Teilnehmern gerechnet.
Einsetzung eines „runden Tisches” für Maßnahmen im Tourismus geplant