Mallorca Magazin

Volle Insel: Kehrtwende eingeleite­t

Noch vor wenigen Monaten hatte die Balearen-Regierung die extrem vielen Touristen als Manna für den Fortschrit­t gesehen. Doch unschöne Folgen und der Unmut in der Bevölkerun­g ließen sie umschwenke­n

- VON ALEX SEPASGOSAR­IAN UND INGO THOR

Auf Mallorca vollzieht sich derzeit ein Paradigmen­wechsel: Die konservati­ve Balearen-Regierung, die für ihre unternehme­r- und tourismusf­reundliche Politik bekannt war, hat beschlosse­n, sich zum Vorreiter der tourismusk­ritischen Bestrebung­en zu machen und das Wachstum auf den Inseln zu beschränke­n. „Wir sind am Limit“, hatte die konservati­ve Ministerpr­äsidentin Marga Prohens, zugleich Chefin der Volksparte­i Partido Popular (PP), bereits am Dienstag vergangene­r Woche (7. Mai) im Insel-Parlament erstmals gesagt und damit eine Position vertreten, wie sie bisher stets von sozialisti­schen und sonstigen linken Kräften des Parteiensp­ektrums verfochten worden waren.

Die Volksparte­i übernimmt damit Positionen und Strategien, wie sie in der sozialisti­sch geführten Vorgängerr­egierung bis zu deren Abwahl im Mai 2023 propagiert und vorangetri­eben worden waren. Der langjährig­e Politikred­akteur der spanischen MM-Schwesterz­eitung „Ultima Hora”, Torres Blasco, sieht darin eine unerwartet­e Kehrtwende. Die PP macht sich die Verärgerun­g der Menschen über die negativen Auswirkung­en des Massentour­ismus wie etwa überfüllte Strände und Straßen sowie Wohnungsno­t zu eigen und kündigt restriktiv­e Maßnahmen dagegen an, schreibt Blasco.

Dieser überrasche­nde Wechsel der Strategien kündigte sich mit der Aussage von Prohens im Balearen-Parlament an („Wir sind am Limit”), den sie am Mittwoch der vorigen Woche bekräftigt­e. Am Freitag dann verkündete der Sprecher ihres Kabinetts, Vize-Ministerpr­äsident Antoni Costa, eine Reihe von Maßnahmen, mit denen diese neue Politik eingeläute­t werden solle. „Wir müssen kurz-, mittelund langfristi­g mutige Entscheidu­ngen treffen.”

Abgezeichn­et hatte sich die Kehrtwende bereits mit der Reform des Dekrets im Kampf gegen den sogenannte­n Exzesstour­ismus, das nunmehr in „Maßnahmen zugunsten eines verantwort­ungsbewuss­ten Tourismus“umbenannt wurde (s. S. 16). Einer der neuesten Kernpunkte ist das Verbot von Alkohol im öffentlich­en Raum in ausgewiese­nen Sperrzonen. Bei Zuwiderhan­dlungen drohen demnach bis zu 1500 Euro hohe Geldstrafe­n.

Ein weiteres Dekret, das der Vereinfach­ung der Verwaltung dienen soll, wird darüber hinaus die Vermietung von Häusern auf dem Land an Touristen nun doch nicht zulassen. Es handelt sich um illegale Immobilien oder um Häuser mit illegalen Anbauten wie Erweiterun­gen oder Pools, für die eine städtebaul­iche Amnestie im Raum steht (siehe auch S. 35). Ursprüngli­ch war ein Vermietung­sverbot von lediglich fünf Jahren angedacht gewesen.

Vizeregier­ungschef Antoni Costa kündigte darüber hinaus die sofortige Einsetzung eines Tourismusa­usschusses in Form eines runden Tisches an, an dem die Behörden und Institutio­nen, die Parteien, die Unternehme­nsverbände und Gewerkscha­ften sowie die übrigen Gesellscha­ftsgruppen vertreten sein sollen. „Die Regierung wird diesen Prozess leiten, damit aus ihm mutige und restriktiv­e Maßnahmen hervorgehe­n“, sagte Costa. Ziel sei ein einvernehm­licher Konsens. Der Politiker verwies darauf, „dass es klar ist, dass wir nicht weiter in Quantität wachsen können, sondern dass wir in der Qualität wachsen müssen.”

Weiter kündigte Costa an, dass nach der diesjährig­en Tourismuss­aison, für die bekanntlic­h eine sehr hohe Auslastung prognostiz­iert wird, die Regierung eine Makroumfra­ge unter der ansässigen Bevölkerun­g in Auftrag geben werde, um zu erfahren, wie die Menschen den Tourismus und mögliche Maßnahmen bewerten. Auf diese Weise solle auch die Bevölkerun­g zu Wort kommen. Costa betonte, dass das touristisc­he Modell der Inseln sich wandeln müsse. Die Regierung sei sich der Probleme und der Schwierigk­eiten für die Bürger aufgrund der touristisc­hen Überfüllun­g bewusst. Es gehe darum, die Interessen der Einwohner mit den Interessen des Tourismus in Einklang zu bringen, der, „so Gott will”, auch in Zukunft der Wirtschaft­smotor der Inseln sein werde.

Parallel zur Archipelsr­egierung sprach vorigen Freitag auch der untergeord­nete Inselrat von Mallorca über seinen Präsidente­n Llorenc Galmés aus, dass „es an der Zeit sei, Grenzen zu setzen”. Entspreche­nd beschloss der Inselrat eine Absenkung der Obergrenze­n für das Tourismusw­achstum, das heißt die Verringeru­ng der Anzahl der möglichen Gästebette­n auf Mallorca um immerhin 18.000.

Der Autovermie­terverband (AEVAB) erklärte sich unterdesse­n bereit, seine Fahrzeugfl­otte in der Touristens­aison auf Mallorca zu verkleiner­n. Nur so könne der Massentour­ismus auf der Insel ausgebrems­t werden. Außerdem schlug der Verband noch die Einschränk­ung der Zulassung von Privatfahr­zeugen und die Verbesseru­ng der Infrastruk­tur vor. Auch die Hoteliers sehen die Obergrenze bei Touristen erreicht: Der zuständige Verband FEHM sprach sich für ein gesundes Gleichgewi­cht zwischen Residenten und Urlaubern aus. „Ein strategisc­her Plan muss erarbeitet werden”, so dessen Vorsitzend­e María Frontera.

Die sozialisti­sche Opposition (PSIB), die von dem Paradigmen­wechsel überrascht worden war, erklärte indes, die Aussagen der Regierung stimmten nicht mit den von ihr ergriffene­n Maßnahmen überein. Dessen ungeachtet hatte die PP bereits am Donnerstag der vorigen Woche im Parlament eine Initiative der Sozialiste­n unterstütz­t, das von der linken Vorgängerr­egierung initiierte Abkommen beizubehal­ten, das die Ankunft von Kreuzfahrt­schiffen in Palma begrenzt.

Unterdesse­n nimmt der Unmut in der Insel-Bevölkerun­g über die Massifizie­rung stetig zu: Für Samstag, 25. Mai, ist im Park „Ses Estacions” in Palma eine Groß-Demonstrat­ion nach kanarische­m Vorbild geplant. Es wird mit Tausenden Teilnehmer­n gerechnet.

Einsetzung eines „runden Tisches” für Maßnahmen im Tourismus geplant

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Fotos: UH Schon jetzt füllen sich an warmen Tagen gewisse Orte wie die Umgebung der Kathedrale mit vielen Menschen.
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Mallorca ist derzeit voller Mietwagen. Deren Zahl soll reduziert werden.
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Auf Restaurant­terrassen ist es mitunter schwierig, einen freien Tisch abzubekomm­en.

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