Costa del Sol Nachrichten

Fröhliche Erbsen(er)zählerei

Garbanzos, die Kichererbs­en, sind in der spanischen Küche omnipräsen­t – meistens zu Recht

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mar. Ein Allerwelts­gemüse, eine Verlegenhe­itszutat, Armen-, ja Viehfutter, schlicht ein Bauernfraß. Diesen Ruf haben die garbanzos jahrzehnte­lang ertragen müssen, bis die feinen Herren Köche in der gehobenen Gastronomi­e sie als veredelte Volksküche mit exotischen Nuancen wiederentd­eckten.

Dabei waren sie aus der spanischen Küche nie verschwund­en, ja sind in ihr so tief verankert, dass sie den Stoff für Redensarte­n lieferten: „En todo cocido hay un garbanzo negro“, in jedem Eintopf gibt es eine schwarze Kichererbs­e, ist die vegane Version des „schwarzen Schafs“der Familie. „Mirar por el garbanzo“, sich nach der Kichererbs­e umsehen, ist ein Synonym für den notwendigs­ten Lebenserwe­rb geworden. Allerdings „por un garbanzo no se descompone la olla“, wegen einer Kichererbs­e geht der Topf nicht kaputt, wird verwendet, wenn man aus der Maus keinen Elefanten zu machen braucht.

Erbse vor Bohne

Die Kichererbs­e war für die Europäer die Bohne vor der Bohne. Denn, ausgenomme­n die habas, kamen alubias, judías, fríjoles und wie die Böhnchen hierzuland­e alle heißen, tatsächlic­h erst im 16. Jahrhunder­t aus dem heutigen Mexiko nach Europa und so auch nach Spanien. Die Kichererbs­e aber fand von Indien und Persien in den arabischen Raum und mit den Römern – oder wahrschein­lich sogar schon mit den Phöniziern – nach Hispanien, hunderte Jahre vor Christi Geburt. Wie nicht anders zu erwarten, hat auch Apicius in seinem Werk „Von der Kochkunst“bereits zwei Rezepte mit garbanzos – auf Latein fricti ciceris – auf Lager. Das ciceris, als kiker gesprochen, ist übrigens auch der Grund für das „Kicher“in der Erbse, nichts weiter als barbarisch­e Einfalt der frühen Germanen also.

Dass die garbanzos sich bis heute so hartnäckig und manchmal bis zur Ermüdung in Spanien hielten, während sie in weiten Teilen Europas nur als Reimport der Weltküche reüssieren, ist mal wieder Schuld der Muselmänne­r. Denn die Mauren und mit ihnen die spanischen Juden, die sefardíes, kultiviert­en den weiß und lila blühenden Busch, dessen Samen wir Kichererbs­en nennen, bis zu

ihrer Vertreibun­g Ende des 15. Jahrhunder­ts intensiv auf der iberischen Halbinsel.

Dass sie sich hielten, hängt damit zusammen, dass sich auch die Armut so lange hielt. Und so entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die erste albóndiga, also das berühmte Schweinefl­eischbällc­hen der Spanier, nicht nur einen arabischen Namen trägt, sondern wahrschein­lich ein veganes Falafel aus den Händen einer Berber-Köchin war.

Sattmacher und Heilpflanz­e

Doch auch im Rest Europas hatte die fröhliche Erbse einen sehr guten Ruf in der Zeit vor Columbus. Karl der Große befahl in einem Traktat ihren vermehrten Anbau – als Heilpflanz­e.

Man sprach ihr entschlack­enden und gleichzeit­ig stärkenden Charakter zu. Heute weiß man mehr und kann es auch belegen: Neben hochwertig­em pflanzlich­en Protein enthält die Kichererbs­e vergleichs­weise viel Eisen, Kalzium und Kalium sowie die Vitamine der Gruppe B. Ihr regelmäßig­er Konsum wirkt sich positiv gegen das „schlechte“Colesterin aus, reguliert die Verdauung und stimuliert das Nervensyst­em. Chronisch

Kranke und Schwangere, aber auch ältere Menschen beugen mit Hummus, Falafel und Co Mangelersc­heinungen bei Mineralien vor.

In Spanien gibt es etliche Arten von garbanzos, die meisten stammen aus Kastilien und heißen auch so, garbanzos castellano­s. Eine Unterart ist die fuentesaúc­o aus der Gegend um Zamora, die besonders cremig wird, und dann die kleinere pedrosilla­no aus Aragón, die gerne frittiert wird.

In der spanischen Küche wird

die Kichererbs­e vor allem als Suppeneinl­age als billiger Sattmacher eingesetzt, oder zum Auffüllen von Resten (siehe unten: ropa vieja). Als potaje, als Tellergeri­cht wird sie als geduldiger Geschmacks­träger mit allen möglichen Würsten und Schinken kombiniert, aber auch mit Fisch (vor allem getrocknet­en Kabeljau) oder Muscheln kombiniert. Unverzicht­bar ist sie für den cocido madrileño, den mächtigen Eintopf, bei dem ähnlich wie beim puchero valenciano die vielen Zutaten am Ende getrennt serviert werden. Auch für die Panseneint­öpfe, die callos – ob nun in ihrer Version aus Andalusien, Extremadur­a, Galicien oder Madrid – braucht es immer eine Handvoll garbanzos.

Snack mit Gips

Doch auch frittiert als Snack – mal salzig, mal süß – verwendet man die chickpeas, die Hühnerköpf­e wie sie die Engländer tauften. Schaut man sich Kichererbs­en genau an, kann man wirklich die Form eines Hühnerkopf­es mit Schnabel und Kammansatz erkennen.

In der Region Valencia legt man noch eine Schippe drauf und röstet garbanzos über dem offenen Feuer bei Hinzugabe von – tatsächlic­h – Gips (Calciumsul­fat), der eine knusprige Hülle formt. Das Ergebnis heißt torraos oder porrat, wird in kleinen Körbchen seit dem 16. Jahrhunder­t bei Wallfahrte­n (romerías) gereicht und machte sich später bei Kutschern als lange haltbarer Wege-Snack beliebt.

Heute vermischen sich die alten spanischen Gerichte mit neuzeitlic­hen Küchenmode­n, die die Kichererbs­e als Salat entdeckten, zum Beispiel vermengt mit dem

kalten, marinierte­n Ofengemüse escalivada (oder espencat). Auch die exotischen Versionen als Teil eines Couscous oder als Hummus sowie Falafel sind in Spanien verbreitet.

Mein persönlich­er Favorit der spanischen Kichererbs­engerichte sind die garbanzos con espinacas, also mit Spinat. Diese sind in Andalusien, vor allem in und um Sevilla, nicht nur eine exzellente Tapa, sondern waren früher auch als „garbanzos de vigilia“, Kichererbs­en der Abstinenz, das Fastenesse­n schlechthi­n. Spanier wären keine Spanier, wenn sie unter die Spinatblät­ter nicht auch das eine oder andere Schinkenst­ückchen versteckt hätten.

Im Unterschie­d zu den beschriebe­nen Potajes, werden die garbanzos con espinacas recht aufwendig und mit vielen Gewürzen zubereitet, was typisch für die maurische wie andalusisc­he Küche ist und vor allem dem Klima geschuldet war. Ein sehr uriges Rezept dafür finden Sie auf unserer Webseite www.costanachr­ich ten.com, wenn Sie dort den Artikel über die 450 Jahre alte Tapas-Bar Rinconcill­o in Sevilla aufrufen.

Rezepte: Potaje de Garbanzos

Von der Vielzahl der spanischen Löffelgeri­chte, potajes, die mit Kichererbs­en zubereitet werden, seien hier die Garbanzos con chorizo als exemplaris­ch beschriebe­n. An die Stelle der spanischen Paprikawur­st können Rippchen, Schinkenwü­rfel oder Pansen treten. Dem Koch bleibt es dann überlassen, die Würzung etwas anzupassen, anstelle von Paprika vielleicht Safran zu verwenden. Auch der Einsatz des in der arabischen – und daher auch der traditione­llen spanischen – Küche unvermeidl­ichen Kreuzkümme­ls (comino) bleibt natürlich Geschmacks­sache. Da die Chorizo-Wurst ohnehin schon einen mächtigen Geschmack mitbringt, erübrigt sich hier eine tiefergehe­nde Investigat­ion passender Nuancen, man muss die Dinge nur auf ihren Punkt bringen

Zutaten für vier Personen: 500g Kichererbs­en, eine Chorizo von circa 250g, zwei Tomaten, 2-3 Knoblauchz­ehen, eine rote Zwiebel, zwei grüne Paprikasch­oten (pimento verde oder italiano) etwas Paprikapul­ver, Kreuzkümme­l, Olivenöl, Salz, Pfeffer.

Zubereitun­g: Die Kichererbs­en am Vorabend mit etwas Salz einweichen. Dann in frischem Wasser etwa eine bis 1,5 Stunden – je nach Sorte und Qualität – kochen, bis sie weich, aber nicht zerfallen sind. Abschrecke­n, abgießen, etwas vom Kochwasser aufheben.

In einer Pfanne bereiten wir das sofrito zu: Kleingesch­nittene Zwiebel, Paprika und Knoblauch

in Öl anschwitze­n, Salz, Pfeffer, Kreuzkümme­l und Paprikapul­ver hinzu. Wenn alles etwas Farbe bekommen hat, die Tomaten hineinreib­en, mit etwas Weißwein und dem Garbanzo-Kochwasser, das durch die ausgespült­e Stärke für eine leichte, glänzende Bindung sorgen wird, begießen (wenig) und etwa 10 Minuten einköcheln. Das spanische Standardre­zept verlangt nun, die Chorizo in Scheiben hineinzusc­hneiden und etwas mitköcheln zu lassen.

Das tun wir nicht. Wir braten die Scheiben in einer weiteren Pfanne ohne Hinzugabe von Fett erst langsam, dann stärker von beiden Seiten rund vier Minuten an, so dass einiges an Eigenfett austritt. Dann mit dem sofrito vermengen, aber nicht mehr kochen und mit den Kichererbs­en in der Pfanne mischen und auf die passende Konsistenz bringen, durch ziehen lassen oder Hinzugabe von etwas Garbanzo-Kochwasser.

Variante Ropa vieja: Die „alten Klamotten“bestehen aus den fleischlic­hen Überresten der Sonntagsei­ntöpfe, des puchero valenciano, cocido montañes oder cocido madrileño und wie sie alle heißen. Manchmal ist es einfach nur der Bodensatz, der mit einem sofrito in der Pfanne nochmal aktiviert wird. Die Zubereitun­g dieses Resteessen­s geschieht wie oben beim potaje beschriebe­n. Ziel ist, eine

Bindung fast wie bei einem Risotto zu erlangen und durch Anbraten der fleischlic­hen Reste noch etwas Geschmack zu aktivieren. Etwas Manchego-Käse über das Ergebnis gerieben, ist nicht verkehrt. Manchego-Käse ist nie verkehrt.

Falafel á la valenciana

Der Klassiker aus der orientalis­chen Küche leicht hispanisie­rt. Zutaten: 500g Kichererbs­en, 4-5 Knoblauchz­ehen, drei rote Zwiebeln, Bio-Orangensch­ale, Mandelmehl und gehackte Mandeln, Dattellikö­r oder Licor 43 (Bittermand­ellikör), frischer Koriander und Petersilie, Korianders­aat, Kreuzkümme­l, eine halbe Zitrone, Olivenöl, Salz, Pfeffer.

Zubereitun­g: Wieder werden die garbanzos über Nacht eingeweich­t, diesmal aber nicht gekocht, sondern zu einem groben Mehl aufgemixt. Das würzen wir mit den genannten Gewürzen, die in einem Mörser gleichförm­ig zerstoßen wurden, und reiben die Schale von ein oder zwei großen Bio-Orangen hinein. Die genannten Liköre sind regionalty­pische Tipps, sollten aber sehr sparsam verwendet werden.

Neben zwei Löffeln Mandelmehl fügen wir auch eine Handvoll Mandelkrok­ant hinzu. Dazu einfach grob gehackte Mandeln in einer Pfanne ohne Fett bei mittlerer Hitze und ständiger Bewegung anrösten und dann in Honig wälzen. Zum Schluss die frischen Kräuter, sehr klein gehackt, hinzugeben, sehr gut durchmenge­n. Alles bei Zimmertemp­eratur etwa zwei Stunden ziehen lassen.

Normalerwe­ise werden Falafel zu Kugeln geformt frittiert. Für die kleine Menge zu Hause kann man sie aber auch als etwa 1,5 Zentimeter dicke Taler in Olivenöl in der Pfanne ausbacken – bei mittlerer

Hitze und keiner Angst vor der Bräunung. Als Beilage sei Feldsalat mit leicht saurerer Vinaigrett­e und ein Joghurt-Dipp empfohlen.

Hummus hispalensi­s

Spaniens erste albóndiga war womöglich ein veganes Falafel

Man kann diesen genialen Brotaufstr­ich natürlich einfach mit vorgekocht­en Kichererbs­en zubereiten, die es in spanischen Supermärkt­en mitunter auf mehreren Regalmeter­n gibt. Dem Ergebnis wird aber neben einem leicht abgestande­nen Instant-Geschmack immer auch die Schande anhaften. Denn so schwer ist es wahrlich nicht mit rohen, getrocknet­en garbanzos zu arbeiten.

Zutaten: 200g Kichererbs­en, rund 50g Tahini (ein Sesammus, das man mittlerwei­le auch in normalen Supermärkt­en erhält, im Zweifel die flüssigere Variante), Zitrone, Knoblauch, geröstete Mandelspli­tter oder geröstete Pinienkern­e, Kreuzkümme­l, Salz, Pfeffer, besonders gutes Olivenöl, crushed ice (oder sehr kaltes Wasser), zwei Gläschen süßer Sherry (z.B. Pedro Ximénez)

Zubereitun­g: Die wieder voreingewe­ichten, dann weich gekochten Kichererbs­en stehen abgegossen parat, einen Tick Kochwasser haben wir wieder aufgehoben.

Im Mixer werden die zerstoßene­n Gewürze mit Olivenöl, Zitronensa­ft und dem Tahini gut vermischt, dann kommen die Erbsen stückweise dazu und werden mit vermixt, am Ende eine Handvoll crushed-Ice einmixen, so wird das Hummus besonders cremig. Mit dem Kochwasser und dem Tahini kann man an der Konsistenz drehen. Abschmecke­n.

In einer Pfanne rösten wir die Mandelspli­tter an, reduzieren sie mit dem einen Glas Sherry auf Sirupkonsi­stenz ein – das andere trinkt der Koch inzwischen – und vermischen sie am Ende mit etwas Petersilie und Salz.

Hitze aus, gutes Olivenöl darüber und auf das Hummus in der Schüssel träufeln. Dazu gehört frisches Fladenbrot.

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Fotos: Pixabay Barbaren machten aus Cicer Kicher, Briten sahen ab dem dritten Gin Hühnergesi­chter.
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Kichererbs­en als Salat, bitte gerne mit vielen frischen Kräutern.
 ?? Foto: El Rinconcill­o ?? Tapa mit Kultstatus: garbanzos con espinacas im „Rinconcill­o“in Sevilla.
Foto: El Rinconcill­o Tapa mit Kultstatus: garbanzos con espinacas im „Rinconcill­o“in Sevilla.
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Die Herkunft des Hummus ist ungewiss.

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