Liebe Leser,
es scheint die Zeit der enormen Großzügigkeit zu sein. Gemeint ist erst einmal nicht die Spendierfreude der spanischen Regierung für Kataloniens Separatisten, sondern der große gesellschaftliche Boom des Teilens.
Non stop tun wir es: Bilder, Inhalte im Netz
„teilen“(Spanisch „compartir“). Wird dieses
Teilen dadurch abgewertet, dass der simple
Klick nichts kostet? Kommt drauf an, schließlich kann man auch offline Schönes und Wertvolles teilen, ohne dabei groß etwas zu verlieren.
Ein solches, interkulturelles Teilen fand in unserer spanischen Gegend am Samstag statt: 11.11, Sankt Martin. Ein Dutzend Familien aus diversen Ländern im Abenddunkel unterwegs, mit Laternen, Liedern und einer Darbietung der Martinslegende. Diese vermittelt ja eine nochmals tiefere Dimension des Teilens. Eine, wo der Spender nicht nur ein Stück seines Besitzes weggibt. Sondern wo er, aus einer privilegierten Position heraus, den Benachteiligten bemerkt. Ihm seine Beachtung schenkt. Auf seine Bedürfnisse eingeht und dafür sogar den eigenen Komfort beschneidet.
Nun also doch zu Pedro Sánchez: Ist Spaniens (noch?)-Präsident nicht eine heutige Martinsfigur? Hat nicht auch er, aus einer hohen Stellung heraus, die Bedürftigkeit eines gebeutelten Volkes erkannt? Mit (reichlich) sozialistischem Wohlwollen kann man es so sehen: Der Staatsschef vergibt aus Gnade 400 Menschen eine juristische Schuld, erlässt der Region milliardenschwere Geldschulden – und nimmt das Opfer einer zerschnittenen spanischen Ordnung und eisiger Gegenwinde auf sich.
Gewaltige Menschenmassen aber zündeten am Sanktmartinswochenende keine freudigen Laternen an, sondern brannten vor Wut. Ist es mit ihrer Großzügigkeit doch nicht so weit her? Oder eher andersrum, erkennen sie im angeblichen Erbarmen des Präsidenten ein linkes Komplott, um seinen sehr wackeligen Platz auf dem hohen Ross zu retten? Fest steht nur eines: Wenn allein die, die nun mit Fahnen „Verräter“rufen, im eigenen Lebensnetzwerk vorwiegend selbstloses „compartir“praktizierten, wäre bereits ein dringend nötiges Lichtlein im heutigen Dunkel angezündet. Teilen wir gut!