Nur ein Ja ist auch ein Ja
Spaniens neues Gesetz zur sexuellen Selbstbestimmung – Richter kritisieren: „Kein Allheilmittel“
Madrid – mar. Großdemos zum Weltfrauentag wird es an diesem 8. März wegen der Coronavirus-Pandemie nicht geben. Ein zentrales Anliegen der Frauenrechts-Bewegung kommt aber voran: Spanien legt sein Gesetz zur sexuellen Selbstbestimmung vor.
Dieser Gesetzesentwurf mit seinem Postulat „Nur ein Ja ist ein Ja“hat eine Vorgeschichte. Bei den San-Fermines-Fiestas 2016 verging sich die „Manada“(zu Deutsch: Das Rudel) an einem Mädchen. Die fünf Männer filmten ihr abscheuliches Werk, verbreiteten es über Whatsapp und prahlten auch noch damit.
Zum Entsetzen eines ganzen Landes verurteilten die Richter die fünf Angeklagten zuerst auf sexuellem Missbrauch. Für das Gericht lag der Tatbestand der Vergewaltigung nicht vor, weil das Opfer sich nicht zur Wehr gesetzt hatte und den Männern keine Gewaltanwendung
oder Drohungen nachgewiesen werden konnte.
Darauf kam es zu massiven Protesten und zu einer erneuten Verurteilung wegen Vergewaltigung durch den Obersten Gerichtshof. Die über Jahre andauernde gesellschaftliche Debatte formte dieses Selbstbestimmungs-Postulat „Nur ein Ja ist ein Ja“, die der Gesetzgeber im Ley de Libertad Sexual aufgriff. Kern dieses Gesetzesentwurfs ist: Vor Gericht sollen Sexualakte ohne die „unmissverständliche Zustimmung“strafbar sein. Dem Opfer soll erspart werden, Nachweise über eine vorliegende Aggression erbringen oder sich rechtfertigen zu müssen, wieso es die Übergriffe „stillschweigend“
über sich ergehen ließ. Entscheidend für die Urteilsfindung soll weniger sein, ob vom mutmaßlichen Täter Gewalt ausging, sondern ob die sexuellen Handlungen auf dem expliziten gegenseitigen Einverständnis beruhten.
Der Oberste Justizrat steht dem Entwurf des Gesetzes zur sexuellen Selbstbestimmung in Inhalt und Form kritisch gegenüber. Das konservativ geprägte Richtergremium macht in der Definition der Einverständniserklärung einen Widerspruch zur Unschuldsvermutung aus. Als ein Grundsatz der Rechtssprechung gilt, dass dem Angeklagten eine Schuld nachgewiesen werden muss. Der Gesetzestext nehme jedoch den Angeklagten in die Beweispflicht anstatt den Kläger.
Der Oberste Justizrat tendiert auch dazu, weiterhin Missbrauch von Vergewaltigung zu unterscheiden – als Vergehen gegen die sexuelle Freiheit, das eine mit Gewalt,
das andere ohne. Ferner sprach er sich auch gegen die Einrichtung spezieller Gerichtshöfe für sexuelle Gewalt aus.
Gesellschaftlicher Prozess
Ein „Allheilmittel“gegen sexuelle Gewalt stellt der Entwurf wohl nicht dar, und auch nicht gegen Fehlurteile. „Man kann über einen gesetzgeberischen Akt nicht die Kultur der Beziehungen zwischen Männern und Frauen ändern“, meint Manuel Cancio, Professor für Strafrecht an der Universidad Autónoma de Madrid. Das sei ein gesellschaftlicher Prozess, die Gesetze würden diesem nur folgen.
Für Patricia Faraldo, Rechtsprofessorin an der Universität A Coruña erfülle er aber „eine sozialpädagogische Funktion“, denn „bis jetzt hieß Schweigen Übereinkunft und die Verfügbarkeit über den weiblichen Körper. Mit dem neuen Gesetz ist Schweigen Ablehnung“.
„Bis jetzt hieß Schweigen Übereinkunft, jetzt heißt Schweigen Ablehnung.“