Im Zeiichen des Expressiionismus
Jorge Rando bewegt sich zwischen der spanischen und der deutschen Kultur – Ein Einblick in die Schaffensphase des Künstlers
Jorge Rando hat 2014 in Málaga das Museo Jorge Rando in Málaga eröffnet. Es ist das erste auf den Expressionismus spezialisierte Museum in Spanien. Im Gespräch mit der CSN bietet er einen Einblick in sein Leben.
Mit lautem Scheppern lädt der Kleintransporter-Fahrer drei Bierkästen ab, Touristen schauen angespannt auf einen Stadtplan, an der Hausecke döst ein zerrupfter Kater in der Sonne. Schnellimbiss-Läden und China-Geschäfte bestimmen das Bild auf dem Hinweg durch die Calle Ollerías.
Postkarten mit Flamencotänzern, Wein aus Málaga und gepunktete Schlüsselanhänger sind in Málagas Stadtteil El Molinillo nicht zu finden, dafür aber waschechte Malagueños und ein Museum, das den Anspruch erhebt, nicht auf Anhieb gefunden zu werden. Wem etwas daran liegt, das Museum Jorge Rando in der Calle Cruz del Molinillo zu besuchen, der soll sich anstrengen. Fast hätte es der Künstler Jorge Rando in Madrid eröffnet, aber Rando ist in Málaga aufgewachsen. Deshalb entschied er 2014, dass es in einem Gebäude untergebracht werden sollte, das 1878 erbaut wurde und sich direkt neben dem Kloster des katholischen Mercedarier-Ordens befindet. Es ist bisher das einzige auf den Expressionismus spezialisierte Museum in ganz Spanien.
Zu sehen sind eine permanente Ausstellung mit Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen Randos. In den übrigen Sälen gibt es Wechselausstellungen, im Erdgeschoss ein Atelier für expressionistische Künstler und Bildhauer sowie eine Bücherei, die für jeden Kunstinteressierten geöffnet ist. In dem von einem duftenden MandarinenBaum und einer überdimensionalen pinkfarbenen Skulptur einer Schwangeren eingerahmten Innenhof treten Orchester auf, gibt es Autorenlesungen und Gedichtvor- träge. Alles andere als steril soll das Museum wirken.
Museumsdirektorin Dr. Vanesa Diez Barriuso bittet um einige Minuten Geduld, denn der Meister arbeitet gerade an einem Bild und braucht noch etwas Zeit. So bleiben einige Minuten für einen kurzen Streifzug durch die Räume des Museums. In der oberen Etage in Saal 1 ist noch bis zum 23. Mai die Sammelausstellung Simpatía con el Expresionismo (dt.: Sympathie für den Expressionismus) mit Werken von 17 Künstlern des Künstlerkollektivs Pro Arte y Cultura zu sehen. In Saal 2 kann der Besucher unter dem Titel Jorge Rando farbenprächtige Werke des gleichnamigen Künstlers bewundern. Aquarelle im Miniaturformat, ebenfalls Werke von Jorge Rando, sind in Saal 3 ausgestellt, und in Saal 4 kann sich der Betrachter von Randos Ölgemälden in den Bann ziehen lassen. Diese Schau trägt den Titel El Sufrimiento posa clamando Justicia (dt.: Das Leid posiert, um Gerechtigkeit einzufordern).
Regelmäßig sind auch Werke expressionistischer und neoexpressionistischer Künstler wie Käthe Kollwith, Ernst Barlach und Otto Dix zu sehen. Jede Ausstellung wird von einem Programm mit Kolloquien, Konferenzen, Theaterstücken oder Konzerten begleitet. In der Museumsbroschüre ist zu lesen, dass sich ein Museum nie durch sich selbst legitimiert, sondern erst durch die Gesellschaft seine Daseinsberechtigung erhalte. Der Anspruch des Museo Rando sei es, über die Kunst spirituelle und humanistische Werte zu vermitteln, heißt es in der Broschüre. In Deutschland wird sein Werk mit der Wiedergeburt des Neo-Expressionismus gleichgesetzt.
Spiritualität als Leitfaden
2016 wurde Rando mit dem ErnstBarlach-Preis ausgezeichnet. Heike Stockhaus, Direktorin des Ernst Barlach Museums in Hamburg Wedel kommentierte sein Werk mit den Worten: „Es handelt sich um eine spirituelle Wiedergeburt der Kunst. Er bedient sich der Prinzipien der expressionistischen Künstler und nutzt die Spiritualität als Leitfaden.“
Rando hat im Ernst Barlach Museum einen permanenten Ausstellungsraum, es ist das erste Mal, dass ein deutsches Museum eine
Jede Ausstellung wird von einem Programm mit Theaterstücken oder Konzerten begleitet
Dauerausstellung eines spanischen Künstlers beherbergt.
Im Manifest „Testamento Contemporáneo de las Artes“(dt.: Zeitgenössisches Testament der Kunst) beschreibt Rando, welche Rolle die Kunst seiner Meinung nach in der Gesellschaft spielen sollte. So sollte sich der Künstler stets vor Augen führen, dass er eine Schlüsselrolle in der Gesellschaft einnimmt. Dazu gehöre auch, dass die Kunst dazu dient, zu zeigen, wie wichtig es ist, sich für Werte wie Freiheit und Gerechtigkeit und ein friedliches Zusammenleben einzusetzen.
Kritik am Kunstmarkt
Rando kritisiert, dass sich die Kunst von der apokalyptischen Welle der Korruption, des Betrugs und vom ungezügelten Materialismus hat mitreißen lassen. Er betrachtet es als bedrohlich, dass sich die Kunst von falschen Werten hat korrumpieren lassen und in ein Konsumprodukt verwandelt hat. Rando ruft die Künstler dazu auf, nicht noch mehr Zeit verstreichen zu lassen, ohne dass sich die Künstler „gegen diese Epidemie auflehnen, die die wahre Kunst verschlingt, um sie gegen etwas zu ersetzen, das als Kunst bezeichnet wird“.
An alle Künstler richtet er den Appell, „die Reinheit und Freiheit in der Kunst aufrechtzuerhalten, um der Kunst die Geistigkeit zurückzu- geben, indem sie dem Inhalt gegenüber der Form wieder den Vorrang gibt. Deutlich vertritt Rando die Meinung, dass die Kunst auf Unrecht und Gräueltaten aufmerksam machen und dazu beitragen soll, diese Taten nicht nur zu verurteilen, sondern auch aktiv zu bekämpfen.
Die Kunst solle sich nicht isolieren, so Rando. Sie sei nicht für einen exklusiven Kreis bestimmt, sondern universell. In dem Manifest fordert Rando auch, dass jeder Künstler seinen Weg wählen soll, um sich in seiner Sprache auszudrücken.
Jede freie Minute zum Malen
„Diese Kritiker und Meinungsmacher, die sich für heilige Kühe halten, sollen sich von der Kunst fernhalten und denjenigen den Weg ebnen, die ihre Arbeit aufrichtig, weise und mit Liebe zur Kunst ausführen“, so der Künstler. Die Arbeit der Künstler solle nicht das Ergebnis einer unermüdlichen Suche nach dem Schwierigen, dem noch nie Dagewesenen sein oder die Provokation zum Ziel haben, sondern vielmehr hochwertig sein und aus Weisheit, Freiheit und Hingabe resultieren, die unentbehrlich für das künstlerische Schaffen seien.
Leise Schritte sind zu hören. Der Meister hat seinen Pinsel zur Seite gelegt und ist bereit für das Interview. Eigentlich gebe er nur selten Interviews, da er aber eine ganz besondere Beziehung zu Deutschland habe, mache er heute eine Ausnahme. Nach einer Stunde erinnert ihn einer der Museumsmitarbeiter an den nächsten Termin, obwohl er, wie er ganz zu Anfang sagte, viel lieber jede freie Minute zum Malen nutzen würde.