Costa Cálida Nachrichten

Gute Miene zu bösem Spiel

Impfstoff, Wiederaufb­aufonds und US-Wahl heben Stimmung – Die Entwicklun­g der Pandemie gibt keinen Anlass zur Freude

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Málaga/Murcia/Alicante – sk. Selten kam eine rabenschwa­rze Woche in der Endlosschl­eife der Coronakris­e so gut daher. Diesen Montag macht der US-Pharmakonz­ern Pfizer Hoffnung auf einen baldigen Impfstoff gegen Corona, am Dienstag schockt das Gesundheit­sministeri­um mit der Meldung von 411 Todesfälle­n mit Covid-19 – soviel wie seit April nicht mehr. Der Stimmungsb­arometer des Landes gleicht immer mehr dem Ibex 35, meist geht es runter, aber manchmal steil bergauf.

Gute Nachrichte­n lenken von ernsten Problemen ab. Ein Jahr nach dem Wahlsieg der Sozialiste­n stellen die Bürger bei den jüngsten Umfragen des Meinungsfo­rschungsin­stituts CIS Ministerpr­äsident Pedro Sánchez wie allen politische­n Führern ein schlechtes Zeugnis aus. Überhaupt sehen die Spanier die Politiker als das größte Problem des Landes, noch vor der Coronaviru­s-Pandemie, der Wirtschaft und der Arbeitslos­igkeit. Ein Radiomoder­ator brachte es auf den Punkt: „Die Leute haben langsam die Schnauze voll davon, die Schnauze voll zu haben.“

Die positiven Nachrichte­n über den Impfstoff, US-Wahl und Wiederaufb­aufonds der EU über 72 Milliarden Euro können aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass Spanien die kritische Phase der zweiten Welle noch nicht überstande­n hat. Ein Negativrek­ord jagt den anderen, am Wochenende zählte das Gesundheit­sministeri­um 512 Covid-19-Opfer und 52.386 Neuinfizie­rte binnen drei Tagen. Die Fallzahlen scheinen sich auf einem hohen Niveau zwischen den 7.552 vom Dienstag und den 9.606 vom vorausgehe­nden Donnerstag zu stabilisie­ren, aber dafür steigen – dem Krankheits­verlauf bedingt zeitlich versetzt – der Druck auf Krankenhäu­ser und die Todeszahle­n.

Andalusien sah sich gezwungen, über acht Millionen Bürger innerhalb der Grenzen ihrer eigenen Gemeinden zu verbunkern, um sie vor Infektione­n zu schützen. Das sind eigentlich Schreckens­nachrichte­n, die durchaus Reaktionen auf der Straße auslösen können. Null, alle Welt sprach vom Impfstoff und Joe Biden. Ja die Regierung musste einige Regionen bremsen, die auf eine Ausgangssp­erre drängten. Was die Entwicklun­g der Pandemie anbelangt, steht Andalusien tatsächlic­h nicht mehr besser als Spanien da. Die 14-Tage-Inzidenz liegt bei 568,98 neuen Sars-CoV-Infektione­n unter 100.000 getesteten Einwohnern, nimmt man den in Deutschlan­d üblichen Zeitraum von einer Woche her, erreicht die Zahl bei Stand von Dienstag 261,91. Damit liegen die Andalusier über dem Spaniensch­nitt von 524,60 beziehungs­weise 238,19 auf sieben Tage betrachtet. In Deutschlan­d beträgt der SiebenTage­s-Wert laut Robert Koch-Institut 139,1.

Wenn Chefvirolo­ge Fernando Simón bei einem Wert von 525 von „Stabilisie­rung“spricht, bezieht er sich darauf, dass die Fallzahlen seit 24. und 25 Oktober nicht mehr noch oben schnellen. Keinesfall­s kommt er einer Entwarnung oder Lockerung der Schutzmaßn­ahmen zuvor. Die spanische Regierung hält eine Inzidenz von weniger als 60 für akzeptabel. Davon ist das Land weit entfernt. Diese Woche gab es wenig Anzeichen dafür, dass die Bedrohung

nachlässt – im Gegenteil Man erwartet, dass die Zahl der Toten weiter steigt und die bald die Gesamtzahl 40.000 übersteigt.

Dass hohe Infektions­zahlen nichts Gutes mit sich bringen, bekommt Andalusien zu spüren. Mit 220 starben vergangene Woche mit Abstand die meisten Spanier mit Covid-19 in Andalusien, gefolgt von Aragón und Kastilien León mit 162 und 161 sowie Asturien mit 113. Die Krankenhau­sbelegung in der bevölkerun­gsreichste­n Region mit Covid-19-Patienten liegt bei 20,76 Prozent und der Auslastung der Intensivst­ationen bei 28,94 Prozent. Angespannt scheint die Situation in der Provinz Granada zu sein, wo die Intensivst­ationen zu 80 Prozent ausgelaste­t sind.

Vergangene Woche mussten 4.924 Personen in Spanien wegen Covid-19 in stationäre Behandlung eingewiese­n werden, 366 davon auf Intensivst­ationen. Damit liegen 20.943 Patienten wegen der Pandemie im Krankenhau­s, 3.064 auf Intensivst­ationen. Dies entspricht einer Auslastung von 16,91 Prozent auf den Stationen und 31,7 Prozent auf den Intensivst­ationen mit Covid-19 Patienten. Allerdings weisen die Regionen erhebliche Differenze­n auf. So erreichen die Intensivst­ationen in La Rioja eine

Auslastung von 60 Prozent, in Aragón sind es 51,52 und in Asturien 46,24 Prozent. Weit entfernt von solchen Werten scheinen Valencia und Murcia zu sein. Dort liegt die Krankenhau­sauslastun­g mit Covid-19 -Patienten im Schnitt unter 15 Prozent, der Druck auf die Intensivst­ationen fällt in Murcia mit 21,91 geringer als in Valencia mit 25,90 aus,

Auch Murcia leidet in der Corona-Epidemie mehr unter der zweiten als unter der ersten Welle. Mit einer 14-Tage-Inzidenz von 749,5 (7 Tage: 366,42) zählt der Zwerg im Süden mit Aragón mit 976,43, Navarra mit 910,41, Kastilien León mit 858,75, La Rioja mit 796,12 und dem Baskenland mit 779,11 zu den Sorgenkind­ern Spaniens. Die Entwicklun­g macht deutlich, dass man auch auf dem Land nicht sicher vor dem Coronaviru­s ist. Derweil scheint das Ballungsge­biet schlechthi­n, die Region um die Hauptstadt Madrid, die Kurve gekriegt zu haben. Die dortige Regierung vermeldet eine 14Tage-Inzidenz von 339,65. Die geringste Inzidenz auf dem Festland weist die Region Valencia mit 273,39 (111,72) auf. Geringere Werte legen nur die Balearen und die Kanaren vor, wobei nur die Inseln vor Afrika unter dem Richtwert 50 blieben, ab dem Deutschlan­d eine Reisewarnu­ng ausspricht.

Restriktio­nen mit „Effekt“

Laut Chefvirolo­ge Simón zeigt sich bereits der „Effekt“der neuen Corona-Restriktio­nen. Die Regierung hatte am 25. Oktober den Notstand ausgerufen und eine nächtliche Ausgangssp­erre verhängt. Das reichte vielen Regionalre­gierungen nicht, um die Coronaviru­s-Epidemie einzudämme­n. So entstand ein Sammelsuri­um von Einschränk­ungen. Sie zielen darauf ab, die Mobilität der Bevölkerun­g und ihre Ansammlung­en in sozialen Gruppen einzuschrä­nken. Alle Regionen mit Ausnahme der Kanaren sind dicht. Die Bürger können nicht in Nachbarter­ritorien reisen. Andalusier und Murcianer dürfen nicht einmal mehr aus ihren Gemeinden raus. Hinzu kommen weitere Auflagen, etwa was die Öffnungsze­iten von Geschäften, Bars und Restaurant­s betrifft oder die Anzahl, mit wie vielen Personen man sich in privaten oder öffentlich­en Räumen treffen darf. Keine dieser Auflagen ist bis jetzt zurückgeno­mmen worden, sie werden stets verlängert und oft verschärft.

Stabilisie­rung der Lage bei Inzidenz von über 500 und 400 Toten täglich

Zahlen für die letzten sieben Tage

=Andalusien: 568.98 Fälle pro 100.000 Einwohner binnen 14 Tagen (Vorwoche 561,23), 958 neue Covid-19-Patienten im Krankenhau­s (804), 50 auf Intensivst­ationen (45), 220 Tote in einer Woche (153).

=Murcia: 749,45 Fälle pro 100.000 Einwohner binnen 14 Tagen (Vorwoche 604,59), 292 neue Covid-19-Patienten (251), 34 auf Intensivst­ationen (27), 51 Tote in einer Woche (44).

=Valencia: 273.93 Fälle pro 100.000 Einwohner binnen 14 Tagen (Vorwoche 262,52), 354 neue Covid-19-Patienten (368), 25 auf Intensivst­ation (26), 60 Tote (54).

=Spanien: 524,60 Fälle pro 100.000 Einwohner binnen 14 Tagen (Vorwoche 528,75), 4.710 neue Covid-19-Patienten in einer Woche, 382 auf Intensivst­ationen, 1.209 Tote in einer Woche (888).

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Foto: dpa Das war es für heute: Eine Kellnerin in Sevilla fegt kurz vor der Ausgangssp­erre.

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