„Glorias“Gewalt
Tote und Vermisste nach Sturmtief – Zerstörte Promenaden
Mit heftigen Sturmböen, Wellen in Rekordhöhe und Schnee hat das Sturmtief „ Gloria“die Region Valencia, die Balearen und Katalonien seit Beginn der Woche heimgesucht. Die extremen Wetterbedingungen kosteten mindestens elf
Menschen das Leben, weitere werden noch vermisst. In der Provinz Alicante trafen meterhohe Wellen unter anderem auf die Strandpromenaden in Jávea, Dénia, Benissa oder Calp und rissen alles mit sich, was ihnen in die Quere kam. Zehntausende Menschen – auch im Süden und im Hinterland der Provinz
– waren zum Teil tagelang ohne Strom. In höheren Lagen mussten wegen heftiger Schneefälle Straßen gesperrt werden.
Valencia – ste/at/mz/ann/
fin/ab/mar/ms. Regen, Schnee, Wellen in Rekordhöhe und Sturmböen von teilweise weit über 100 Kilometern pro Stunde hatten die Provinz Alicante zu Beginn der Woche fest im Griff. Danach zog das Sturmtief „ Gloria“weiter Richtung Balearen und Katalonien. Elf Menschen fielen ihr zum Opfer, sechs davon in der Comunidad Valenciana, zwei in Katalonien, einer in Ávila, einer in Asturien und einer in Andalusien. Fünf weitere Menschen werden noch vermisst, zwei in Katalonien und drei auf den Balearen. Bis zum Redaktionsschluss ist ihren Verbleib noch nicht geklärt.
In der Provinz Valencia sind die Todesfälle eines 55-jährigen Ukrainers in Carcaixent, eines 70Jährigen in Moixent und eines Mannes in Tavernes de la Valldigna bestätigt. In Gandía wurde am Montag, 20. Januar, eine 54-jährige obdachlose Rumänin tot im Park l’Estació aufgefunden. Juliana lebte mit einem Bekannten auf der Straße. Noch am Sonntag hatten Mitarbeiter des Roten Kreuzes und Beamte der Ortspolizei wegen des einsetzenden Starkregens versucht, das Paar dazu zu bewegen, sich vorübergehend in einer Notunterkunft einquartieren zu lassen. Ohne Erfolg. Schließlich war es der Begleiter der Rumänin, der am Montag gegen 6 Uhr bemerkte, dass die Frau nicht mehr atmete. Der Mann alarmierte die Polizei, die nur noch den Tod der 54-Jährigen feststellen konnte. Ein Sprecher der Polizei erklärte, wegen der dramatischen Wetterverhältnisse habe man dem Paar erlaubt, im Bahnhofsgebäude zu übernachten. Doch auch das habe die Frau abgelehnt und darauf beharrt, im Park zu bleiben. Ein fataler Fehler.
Erschlagen vom eigenen Haus
Auch in der Provinz Alicante wütete „ Gloria“heftig. In Alcoy stürzten nach dem Unwetter drei Häuser ein. Eine 75-jährige Frau wurde von den Trümmern verschüttet, Spürhunde fanden ihre Leiche am Mittwochvormittag. Mehrere angrenzende Häuser wurden evakuiert. In La Nucía suchten am Dienstagvormittag Rettungskräfte nach einem 67-Jährigen aus Polop, dessen Auto am Montag vom Río Guadalest mitgerissen worden war. Am Dienstag fanden die Einsatzkräfte sein leeres Auto, am Mittwoch in dessen Nähe schließlich die Leiche. Der Mann war offenbar auf dem Weg nach Callosa d’en Sarrià gewesen. Beim Versuch, den Fluss zu überqueren, muss er von den Wassermassen mitgerissen worden sein. Das Wasserwirtschaftsamt des Júcar hatte am Montagmorgen vorsichtshalber den Stausee Guadalest geöffnet und vier Hektokubikliter abgelassen. Der See war schon vor dem Regen zu über 80 Prozent gefüllt gewesen. Das abgelassene Wasser trug wiederum dazu bei, dass der Río Algar über die Ufer trat (siehe Seite 16). Dies führte zu zahlreichen Überschwemmungen in Altea und Umgebung. Die Aufräumarbeiten und Suchen seien jedoch noch lange nicht abgeschlossen, erklärte Pepe Cerdá, Sprecher des Feuerwehrparks Benidorm, der für die gesamte Marina Baja sowie Calp zuständig ist. „ Leider können wir die Ausmaße des Sturmtiefs erst nach und nach erfassen. Seit Sonntag erreichten uns unendlich viele Notrufe und jeden Tag entdeckten wir neue Schäden und Opfer“, erklärte er betroffen. „ In unserer Zone war besonders der Wind ein Problem und natürlich der Río Algar. Wir waren im Dauereinsatz, um allen Notrufen gerecht zu werden, Straßen zu räumen und Unfälle aufzuklären“, ergänzte Santiago Rivera, Einsatzleiter der Feuerwehr.
Neben den Personenschäden hat das Tief auch beträchtliche Sachschäden hinterlassen, deren Höhe weder die spanische noch die valencianische Regierung aktuell beziffern können. Vermutlich liegen diese aber noch höher als bei der Dana im September. Der Flughafen Alicante musste den Betrieb von Sonntag 13 Uhr bis
Dienstag 5 Uhr einstellen. Grund waren die heftigen Sturmböen von über 100 Stundenkilometern zusammen mit den erhöhten Sicherheitsvorkehrungen nach dem Brand vom vergangenen Mittwoch. Betroffen waren fast 180 Flüge und 22.000 Passagiere.
Spaniens gerade erst wieder ins Amt gewählter Präsident, Pedro Sánchez, besuchte am Donnerstag Katalonien und die Balearen per Helikopter. Vor Ort versprach er umfassende Hilfen der Zentralregierung für die beiden Regionen. Zur Region Valencia äußerte sich Spaniens Regierungschef bis zum Redaktionsschluss nicht. Die Landesregierung wiederum kündigte bereits am Dienstag an, dass die Gemeinden 45 Tage Zeit haben, um Schäden zu melden und Hilfen zu beantragen.
Rekordverdächtig hohe Wellen
„ Gloria“brachte den Küsten der Marina Alta und Valencias Wellen in Rekordhöhe. Das Staatliche Wetteramt Aemet sprach von acht Metern in Valencia – andere Quellen maßen sogar über zehn. Die vorherige Höchstmarke hatte bei sechs Metern im Januar 2017 gelegen. Auch in Calp prallten solche Riesenwellen an die Küste. In ihrem Leichtsinn versuchte eine Gruppe Niederländer das Spektakel am Montag vom Deich des Puerto Blanco aus zu beobachten und wurde dabei von der Flut erfasst. Die fünf hatten Glück und wurden ins Innere des stillgelegten Sporthafens geschleudert. Einer musste wegen eines Beinbruchs behandelt werden. Auf Ibiza wird ein Engländer, der versuchte, die Wellen mit seinem Handy zu fotografieren, seit Mittwoch vermisst.
Auch Calps Fossa-Strand wurde von der Wucht der Wellen völlig demoliert. Bürgermeisterin Ana Sala spekulierte darauf, die Erklärung zum Katastrophengebiet zu beantragen – dabei traf es andere Gemeinden noch viel schlimmer.
An Benissas Sporthafen Les Bassetes brachen die Wellen über dem dazugehörige Strandrestaurant. Augenzeugen berichteten, dass die Innenräume komplett voller Wasser standen. Der kleine Sporthafen war einer der Orte in der Marina Alta, dem „ Gloria“mit am meisten zusetzte. Neben dem Restaurant wurden der Damm teilweise zerstört und Boote stark beschädigt. „ Unzählbar“seien die Schäden, schrieb der Sportclub auf seiner Facebook-Seite und veröffentlichte ein Video, bei dem die Wellen das Restaurant komplett überfluten. „ Die Realität hat die Vorhersage übertroffen“, hieß es weiter, die Wellen seien „ neun Meter“hoch gewesen. Um Plünderer abzuhalten, beauftragte der Betreiber laut der Online-Zeitung
„ La Marina Plaza“einen privaten Sicherheitsdienst.
Die Anwohner hatten ihre ganz eigene Meinung zur „ Gloria“. Juan José Marín, der in der Nähe vom Sporthafen arbeitet, wurde vom Unwetter nicht überrascht: „ So ein Unglück ist hier nicht zum ersten Mal passiert. Alle paar Jahre kommt das vor. Klimawandel“, fügte er lachend hinzu. „ Im Januar oder Februar spielt das Wetter immer verrückt. Entweder Schnee oder viel Wind und Wasser.“
Wenige Kilometer entfernt, an der Playa de la Fustera, fielen die Folgen nicht weniger schwer aus. Seetang und Dreck wurden an den Strand gespült. In die Bar Mandala Beach drang Wasser ein. Draußen wurde die Steinmauer, die das Restaurant vom Strand abgrenzte, größtenteils zerstört. Die Besitzer Nico Tufiño und Roy Erwin zeigten sich aber über die verhältnismäßig geringen Schäden erleichtert. „ Das ist jetzt das zweite Mal, dass so etwas passiert. Das ist zwar ärgerlich, aber immerhin ist nichts noch Schlimmeres passiert“, so Erwin.
Besonders schwer traf es auch Jávea. Sein Arenal-Strand glich am Montag einem Schlachtfeld. Die Wellen hatten es bis zur Ladenzeile geschafft, Glasscheiben zum Bersten gebracht und Tang, Wasser und Sand in die Restaurants und Geschäfte geschleudert. Praktisch keine Betonbank an der Promenade stand noch an Ort und Stelle. Palmen waren umgestürzt, den Kinderspielplatz hatte es komplett zerlegt. Mit Absperrbändern bemühte sich die Guardia Civil, den zahlreiche Schaulustigen am Ort der Zerstörung Herr zu werden, die Videos und Fotos machten, ohne die Absperrungen zu beachten. Ab und an tauchte ein Polizist auf und fordert die Passanten auf, sich wieder hinter die Absperrung zu begeben. An der gesamten Promenade verteilt lagen Glasscherben der umliegenden Restaurants und Geschäfte. Fleißig schippten Restaurantbesitzer und Ladeninhaber Sand, Steine, Glas und Müll aus ihren Geschäften und von ihren Terrassen, Sie alle beschäftigte vor allem die Frage, wie sie ihr Hab und Gut vor den Massen an Besuchern am Katastrophenort schützen sollten. Sicherheitsstadträtin Pepa Gisbert versicherte, dass die Gegend rund um die Uhr bewacht werde. „ Tagsüber ist die Ortspolizei vor Ort und bewacht die Gegend gemeinsam mit den Eigentümern und nachts haben wir einen privaten Sicherheitsdienst engagiert“, so die Politikerin.
Vor Ort reagierten Einheimische wie Besucher geschockt. Engländer Richard Williams lebt seit sieben Jahren in Jávea: „ In diesem Ausmaß habe ich so etwas noch nicht hier gesehen. Es herrscht ein großes Chaos, viele Restaurants am Strand sind zerstört.“Ähnlich äußerte sich auch Bürgermeister José Chulvi (PSOE): „ Früher hatten wir alle fünf Jahre ein schweres Unwetter, mittlerweile haben wir fünf im Jahr. Amwohnerin Amelia Rodríguez hatte das Schauspiel aus nächster Nähe erlebt: „ Das ist eine Katastrophe. Die Wellen waren enorm und haben großen Schaden angerichtet“, sagte sie verängstigt. „ Hoffentlich werden die Wellen in nächster Zeit nicht noch höher. Man möchte sich gar nicht vorstellen, was noch passieren könnte.“
Auch Jáveas Altstadt konnte „ Gloria“nicht entkommen. Winde von bis zu 135 Kilometern pro Stunde wurden dort gemessen. Das Ziffernblatt des Turms der historischen Wehrkirche wurde abgerissen und landete auf einem geparkten Auto.
Im Inland schwoll der Río Gorgos beinahe bis zum Überlaufen an. Am Mittwoch gab es endlich Entwarnung und der Fluss kehrte langsam auf seinen üblichen Wasserstand zurück.
Flüsse laufen über
Wassermengen rauschten im Vall de Laguar durch den Fluss Girona und trotzdem, beziehungsweise gerade deshalb wurde für die Anwohner am Dienstag das Trinkwasser knapp. Wie das Rathaus mitteilte, gab es einen Schaden am Versorgungsbrunnen Lucifer, zu dem man jedoch wegen des reißenden Girona-Flusses nicht gelangen und ihn daher nicht direkt beheben konnte.
In Altea sorgten die Wassermassen des Río Algar, hohe Wellen an der Küste und Winde von 120 Stundenkilometern an den Stränden La Roda und Espigó und 111 Stundenkilometern in Altea la Vella für ein Bild der Zerstörung. Als Zeugnis der brachialen Naturgewalt der Wellen wurde ein Käfig einer Fischzuchtanlage von Altea an die etwa 20 Kilometer entfernte Playa Centro in Villajoyosa gespült. Allein von Sonntag bis Montag registrierte Alteas Ortspolizei um die 200 Notrufe. Dazu kamen etwa 75 Notfälle über die 112 für die Gemeinde.
Besonders in Gefahr waren Obdachlose. Inma Martínez, technische Leiterin der Cruz Roja Altea, kümmerte sich gemeinsam mit vier Freiwilligen bei der Flut um Wohnungslose: „ Ich bin überrascht, wie gut die Menschen mit der Situation umgehen konnten. Die Straßen sind zerstört, es hat viele Stunden am Stück geregnet und trotzdem hat nur eine Person
Die Guardia Civil versuchte, Schaulustigen Herr zu werden