Von wegen Musterschüler
Defizitziel weit verfehlt: Regierung Rajoy verspielt Vertrauen und hinterlässt ein schweres Erbe
Madrid – dpa/tl. Noch weiß niemand, wann Spanien eine neue Regierung bekommen und wer künftig an der Macht sein wird. Aber eines steht jetzt schon fest: Die künftige Regierung tritt ein bitteres Erbe an. Sie wird Einsparungen und Steuererhöhungen in einer Größenordnung von 20 bis 25 Milliarden Euro vornehmen müssen. Dies entspricht etwa dem Volumen der Sparmaßnahmen, die die konservative Regierung Rajoy 2012 auf dem Höhepunkt der Wirtschafts- und Finanz- krise beschlossen hatte und die zu harschen Einschnitten führten.
Die Regierung war von den EUPartnern wegen ihrer Anstrengungen um die Sanierung der Staatsfinanzen als Musterschüler gepriesen worden. Im letzten Jahr ihrer Amtszeit nahm sie es mit dem Haushalten nicht mehr so genau und verhalf den Spaniern – mit Blick auf die Wahlen im Dezember – sogar zu Steuererleichterungen. Die Regionalregierungen taten es der Zentralregierung gleich und gaben eifrig Geld aus.
Die Folge: Die Neuverschuldung betrug statt der vereinbarten Marke von 4,2 Prozent fast 5,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Für 2016 hatte Spanien zugesagt, das Defizit auf 2,8 Prozent zu drosseln. Um dies zu erreichen, wären Einsparungen notwendig, die die Regierung nicht vornehmen kann. Sie ist seit den Wahlen nur geschäftsführend im Amt und daher eingeschränkt handlungsfähig.
Die Regierung Rajoy muss sich nun vorhalten lassen, alle Warnun- gen in den Wind geschlagen und die Öffentlichkeit mit falschen Informationen („Spanien hält das Defizitziel ein“) getäuscht zu haben. Sozialisten und Ciudadanos bezichtigen Rajoy der Lüge.
Die Regierung wiederum schiebt die Schuld für die Lage auf die Länder. Finanzminister Cristóbal Montoro kündigte an, ihnen Daumenschrauben anzulegen. Aragón und Extremadura bekamen dies bereits zu spüren, andere wie Valencia und Andalusien erhielten Blaue Briefe.