Gefährlich schöne Pesqueras
Traditionelle Angelstellen gewinnen an Ansehen und werden saniert – bringen aber auch Probleme
Jávea/Benitachell – se. Der kaum zu erkennende Ziegenpfad führt durch Gestrüpp an Kiefern, Felsen und einer Höhle vorbei zum Steilhang. Dann geht es nur noch kletternd weiter, die Felswand hinunter. Als Hilfsmittel dient ein an einem Baum befestigtes Seil. 20 Meter weiter unten leuchtet das blaue Meer, schäumende Wellen brechen sich an den Klippen, nur undeutlich ist das Ziel der Exkursion zu erkennen: eine kleine, braune Plattform ein paar Meter über dem Wasserspiegel – die Pesquera.
Jáveas Bürgermeister José Chulvi hat jetzt den Kulturrat des Landes Valencia gebeten, diese traditionellen Angelstellen unter Denkmalschutz zu stellen und zu ihrem Erhalt beizutragen. Sie seien wie die Riurau-Bogengänge ein Kulturgut und müssten endlich als solches anerkannt werden.
Die Pesqueras liegen in Jávea und Benitachell und wurden bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts von wagemutigen Landarbeiter und Kleinbauern aus der Marina Alta genutzt. Sie hatten im Winter oft nicht genug Geld, um die hungrigen Mäuler ihrer Kinder zu stopfen. Später verfielen die Angelplätze, und die Pfade wuchsen zu.
Erst in letzter Zeit sind die wildromantischen Pesqueras aus ihren Dornröschenschlaf erwacht: Die Fotografen Felipe Escolano und Jake Abbott aus Jávea und Jesús Pobre folgten 15 Jahre lang den Spuren der Klippenfischer. Die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit zeigte bis Januar das Museo Marítimo in Barcelona. Die Ausstellung Nits de tinta (auf Deutsch etwa „Tintenschwarze Nächte“) mit Fotos, Videos und Interviews wurde sogar von der Popsängerin Shakira und dem Fußballstar Ger- ard Piqué besucht, wie die Regenbogenpresse berichtete.
Der Verein für Meeresforschung Irox (Institut de Recerca Oceanogràfica de Xàbia) stellt zur Zeit ein Verzeichnis der Pesqueras und ihrer Zugangspfade auf. Die Mitglieder – in ihrer Mehrzahl Fischer, Meeresbiologen, Taucher und andere Männer und Frauen der See – wollen erreichen, dass sie im Flächennutzungsplan eingetragen und dort unter Schutz gestellt werden. „Viele Pfade sind von illega- len Bauten versperrt. Auf einem steht sogar ein Aussichtspunkt der Stadt“, sagt Irox-Vorsitzender Javier Pascual. „Solche Übergriffe müssen verhindert werden.“
Seit November saniert der Verein die Wege und Angelpunkte auch. Die Mitglieder entfernen Pflanzen, hacken Erde auf, erneuern Taue und ihre Befestigungen, reparieren Leitern und sanieren in den Fels geschlagene Stufen. „Unser Ziel ist, dass die Pesquera-Pfade in Jáveas Wanderwegenetz aufgenommen werden“, sagt Pascual. „Und im Rathaus hat man unsere Bitte gut aufgenommen.“
Leider seien aber nicht alle Pesqueras als Ziel für Wanderungen geeignet. „Manche sind zu gefähr- lich“, schränkt der Vorsitzende ein.
Bisher wissen nur wenige Einheimische und noch weniger Touristen genau, wie man zu den Angelpunkten gelangt. Doch immer mehr abenteuerlustige junge Leute folgen den zugewachsenen Pfaden und vertrauen auf die oft verschlissenen Seile und vermoderten Holzleitern. Die Folge: Dieses Jahr mussten schon mehrere Wanderer – oft mit dem Hubschrauber – aus Notsituationen gerettet werden.
Zugewachsene Pfade, verschlissene Seile und vermoderte Holzleitern