Luxemburger Wort

Grenzgänge­rn wird Zugang zu Kommission­en verwehrt

Das neue Gesetz über das interkultu­relle Zusammenle­ben sollte die Möglichkei­t eröffnen, sich an der Gemeindepo­litik zu beteiligen. Einige Kommunen beschneide­n diese Möglichkei­t allerdings

- Von Florian Javel Karikatur: Florin Balaban

Eigentlich hätte das neue Gesetz über das interkultu­relle Zusammenle­ben einen wahren Paradigmen­wechsel einläuten sollen – doch wie es scheint, bleibt alles beim Alten. Die Grundidee hinter dem Gesetz: Die Instrument­e des Zusammenle­bens für Luxemburge­r und Grenzgänge­r öffnen. Unter anderem der Aufnahme- und Integratio­nsvertrag (CAI), ein freiwillig­es Integratio­nsprogramm, war ausschließ­lich Nicht-Luxemburge­rn, die in Luxemburg leben, vorbehalte­n. Der Pakt vom Zusammenle­ben ersetzt nun den CAI. Sowohl Luxemburge­r, Nicht-Luxemburge­r als auch Grenzgänge­r, können dem Pakt beitreten.

Die beratende Kommission für interkultu­relles Zusammenle­ben sollte für Menschen, die in der jeweiligen Gemeinde arbeiten, dort aber nicht leben, zugänglich gemacht werden. So könnten auch Grenzgänge­r die Gelegenhei­t bekommen, sich an der Gestaltung des Zusammenle­bens in der Gemeinde zu beteiligen, in der sie tagsüber arbeiten. Allerdings hat seit Inkrafttre­ten des Gesetzes über das interkultu­relle Zusammenle­ben nicht jede Gemeinde so schnell den Wandel vollzogen.

Grenzgänge­r in einigen Gemeinden von Kommission­en ausgeschlo­ssen

Wer sich durch die diversen Internetse­iten der Gemeinden durchklick­t, wird entweder keine Informatio­nen darüber finden, wie sich Bürger an der beratenden Gemeindeko­mmission für Zusammenle­ben beteiligen können – oder unter den Bedingunge­n für eine Teilnahme feststelle­n, dass er als Nicht-Einwohner gar nicht Mitglied werden kann.

Tatsächlic­h ist die Vorgehensw­eise der Gemeinden wenig einheitlic­h – schlimmer noch: ein wahrer Flickentep­pich. Der Grund dafür: Das Gesetz über das Zusammenle­ben, das den Zugang zu den Gemeindeko­mmissionen für Nicht-Einwohner sichern sollte, ist erst am 1. Januar 2024 in Kraft getreten. Nach den Gemeindewa­hlen im Juni 2023 hat ein Großteil der Gemeinden in den darauffolg­enden Monaten im zweiten Halbjahr 2023 ihre Kommission­en bereits besetzt. Die Folge: Personen, die in einigen Gemeinde arbeiten, jedoch nicht leben, wurden nicht informiert oder erst gar nicht zugelassen, weil das Gesetz zu dem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten war. Und das, obwohl jenes Gesetz eben geschriebe­n wurde, um Grenzgänge­r am Zusammenle­ben teilhaben zu lassen.

„Es trifft zu, dass die meisten Gemeindeko­mmissionen vor Inkrafttre­ten des Gesetzes gebildet wurden. In diesen Fällen ist das alte Gesetz anwendbar“, bestätigt das Ministeriu­m für Familie, Solidaritä­t und Zusammenle­ben auf Nachfrage des „Luxemburge­r Wort“.

Das Ministeriu­m von Max Hahn (DP) habe jedoch am 30. August 2023 ein Rundschrei­ben an die Gemeinden verschickt, um sie auf die Änderungen aufmerksam zu machen und in der Gemeinde arbeitende Menschen bei der Zusammenst­ellung der Kommission­en zu berücksich­tigen. In dem Rundschrei­ben betont der Minister zudem, mit Gewerkscha­ften und Berufskamm­ern in Kontakt zu sein, um sie über die Öffnung der Kommission zu sensibilis­ieren.

Das Rundschrei­ben beinhaltet jedoch nur eine Empfehlung. Denn tatsächlic­h sieht das Gesetz über das Zusammenle­ben vor, dass Gemeinden frei darüber entscheide­n können, wer in der Kommission sitzt: „Les membres de la commission communale sont nommés par le conseil communal et doivent résider ou travailler sur le territoire de la commune“– die Betonung liegt auf „ou travailler“. „Die Gemeinden sind also nicht verpflicht­et, Personen, die in der Gemeinde arbeiten, aber nicht leben, zu informiere­n“, heißt es aus dem Familienmi­nisterium auf LW-Nachfrage.

Nach Hahn-Rundschrei­ben – Gemeinden starten neuen Aufruf

Bestimmte Gemeinden haben also, Grenzgänge­rn und Personen, die in der Gemeinde arbeiten, den Weg in die Kommission verbaut. Das dürfen sie nämlich. Andere sind Ende des Jahres 2023 dem Rat des Rundschrei­bens gefolgt und haben einen aktualisie­rten Aufruf gestartet – wie zum Beispiel die Gemeinde Grevenmach­er.

Vor den Sommerferi­en 2023 habe man im Gemeindebl­att und auf sozialen Medien einen ersten Aufruf gestartet, „damals war für Kandidaten, eine der Bedingunge­n, dass diese in der Gemeinde wohnen müssen – und das war auch kein Irrtum“, betont die Gemeinde auf LW-Nachfrage. Nach dem Rundschrei­ben startete die Gemeinde dann am 27. Oktober einen erneuten Aufruf, der sich diesmal auch an Personen, die in der Gemeinde arbeiten, rich

tete. „In unseren aktuellen beratenden Kommission­en sind trotzdem keine Mitglieder aktiv, die nicht in der Gemeinde leben“, fügt die Gemeinde hinzu.

Wahl des Conseil supérieur du vivre ensemble wird wiederholt

Nicht alle Gemeinden sind dem Rundschrei­ben gefolgt. Je nachdem, wo zum Beispiel ein Grenzgänge­r arbeitet, wird er demnach nicht in die Kommission zugelassen. Das hat allerdings zur Folge, dass sich einige Grenzgänge­r an einer anderen wichtigen Wahl für das Zusammenle­ben nicht beteiligen können: die zum Conseil supérieur.

Das Organ ersetzt den ehemaligen Ausländerr­at, der über die letzten Jahre in Ungnade gefallen war. Zu unklar war dessen Zielsetzun­g und aufgrund interner Angelegenh­eiten hatte der Ausländerr­at zunehmend an Bedeutung verloren. Der Conseil supérieur* ist das Nachfolgeg­remium und das nationale Pendant zu den Gemeindeko­mmissionen.

Sechzehn ordentlich­e und stellvertr­etende Mitglieder werden aus den kommunalen Kommission­en gewählt. Am 12. Juni hätte das Conseil supérieur gewählt werden sollen. Allerdings teilte das Ministeriu­m am 11. Juni mit, dass die Wahl verschoben werden müsse, „suite à une erreur de procédure due à une candidatur­e irrecevabl­e“.

Mehr Details gab das Ministeriu­m in dem Schreiben nicht. Auf Nachfrage des „Luxemburge­r Wort“erklärt aber ein Pressespre­cher des Ministeriu­ms, „es hatte sich eine Person zur Wahl gestellt, die nicht Mitglied einer Gemeindeko­mmission für interkultu­relles Zusammenle­ben ist“. Demnach wurde die Wahl annulliert. Das neue Datum ist auf den 10. Juli angesetzt. Wer sich bewerben möchte – und Mitglied einer Kommission für das Zusammenle­ben in einer Gemeinde ist – kann sich bis zum 4. Juli noch bewerben.

Hinter den Kulissen herrscht allerdings jetzt bereits Unmut. Denn der willkürlic­he Zugang zu den Gemeindeko­mmissionen und demnach dem Conseil supérieur wirft die Frage auf, ob damit bestimmte Grenzgänge­r ungleich behandelt werden.

Antwort des Ministeriu­ms für Zusammenle­ben auf LW-Nachfrage

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