Familien- und Bildungspolitik für die Kinder
Die Gesellschaft braucht mehr Zeit und Verantwortung für die Kinder, meint der Autor
Alle Jahre wieder. Ende des Kalenderjahres finden landesweit die Elternabende in den Schulen statt. Ein Kennenlernen von Eltern und Lehrern. Ein Austausch und eine erste Bestandsaufnahme. Und doch hat sich etwas verändert über die letzten Jahre.
Viele Eltern bleiben dem Treffen fern, immer schwieriger fällt der Kontakt zwischen Schule und Eltern im Allgemeinen aus. Eine Entwicklung, die sich über viele Jahre vollzogen hat, im Gleichschritt mit tiefgreifenden Veränderungen in unserer Gesellschaft. Schuldzuweisungen an Eltern, Schüler oder Lehrer sind fehl am Platz, denn das Problem liegt tiefer. So tief, dass wir mittlerweile damit verwurzelt sind.
Es gab Zeiten, da reichte ein Einkommen in der Familie, um über die Runden zu kommen. Es gab Zeiten, in denen sich Arbeit und Zeit mit der Familie vereinbaren ließen. Es gab Zeiten, die nicht einfacher waren, die aber trotzdem weniger schnell, weniger stressig, weniger pessimistisch waren.
2022 müssen beide Partner in der Regel Vollzeit arbeiten. Beide müssen in der Regel im Stau stehen. Beide müssen in der Regel 30 Jahre die Hypothek abbezahlen. Beide müssen funktionieren in einer Gesellschaft, die von Stress,
Leistungsdruck und existentiellen Ängsten geprägt ist. Beide müssen … und die Kinder?
Als 2013 die Regierung antrat, wollte sie vieles besser machen. Auch in der Familienpolitik und der Bildungspolitik. Es ging darum, Familie und Beruf besser zu vereinen. Und eine Schule zu schaffen, in der jeder seinen Platz findet. Eine Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen, die sich immer schneller vollzogen. und noch länger abbezahlt. Die Staus auf den Straßen wurden größer. Also fuhr man noch früher von zu Hause weg und kam noch später wieder nach Hause.
Die Folge? Gut gemeinte Ansätze in der Familien- und Bildungspolitik 2013 entpuppten sich durch eine sture und einseitige politische Haltung in der Folge als Brandbeschleuniger eines Feuers, das die Gesellschaft und ihre Kinder nach und nach immer kranker macht. Dass der Staat dort einspringt, wo Eltern nicht mehr können? Ein gut gemeinter Ansatz. Was aber, wenn Eltern immer weniger können? Was dann? Noch mehr gratis? Noch mehr Verantwortung für Betreuer und Lehrer? Ein noch stärkerer Staat, überall, jederzeit? Nein.
Unsere Gesellschaft braucht keine weiteren gratis Betreuungsangebote, sie braucht keine weitere Zuteilung von Verantwortung an Lehrer und Betreuer, sie braucht keinen allgegenwärtigen Staat und keine Politik, die die Familien weiter auseinandertreibt. Was unsere Gesellschaft braucht, ist wieder mehr Wertschätzung für die Familie, mehr Wertschätzung für die Lehrer und Betreuer und neben all den gratis Angeboten für Eltern wieder mehr Zeit und Verantwortung für … die Kinder.
* Der Autor ist Präsident von Fokus.