Russische Oligarchen kaufen sich türkische Pässe
Istanbul setzt die Sanktionen nicht um – Als Folge legen immer mehr Superjachten an den Stränden der Ägäisküste an
Ob in Bodrum, Fethiye oder Marmaris: Die Hotspots der türkischen Ägäisküste üben derzeit auf russische Oligarchen eine ganz besondere Anziehungskraft aus. Mindestens acht Superjachten russischer Eigner machten in den vergangenen Wochen in türkische Häfen fest, darunter die Schiffe „The Eclipse“und „My Solaris“des Milliardärs Roman Abramowitsch. Weil die Türkei als einziges NATO-Land die Sanktionen des Westens gegen Russland nicht umsetzt, sind die schwimmenden Paläste dort sicher vor Beschlagnahme.
Zahlung in bar oder Gold
Aber nicht nur für ihre Jachten, auch für sich selbst suchen viele Oligarchen jetzt einen sicheren Hafen – und finden ihn in der Türkei. Wer dort mindestens 250 000 Dollar in eine Immobilie oder 500 000 Dollar in eine Firma, türkische Staatsanleihen oder einen
Investmentfonds investiert, kann die türkische Staatsangehörigkeit bekommen. An manchen Tagen verkaufe sie sieben bis acht Wohnungen an Russen, berichtete eine Maklerin der Nachrichtenagentur Reuters. Viele bezahlten in bar oder mit Gold, so die ImmobilienVermittlerin.
Pässe für Immobilienkäufer, dieses Geschäftsmodell boten auch einige EU-Staaten bis vor kurzem an. Inzwischen haben sie aber auf Druck der EUKommission und des Europaparlaments die „Golden Passport“Programme gestoppt. Die Inselrepublik
Zypern, die seit 2007 fast 2 900 Staatsbürgerschaften an Russen verkaufte, hat nach der russischen Invasion in der Ukraine sogar damit begonnen, sanktionierten Oligarchen die Pässe wieder abzunehmen.
Pässe werden teurer
Umso attraktiver wird nun die Türkei als Fluchtpunkt für reiche Russen. Das Land bemüht sich um Neutralität in dem Konflikt. Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat einen direkten Draht zu Wladimir Putin. Außenminister Mevlüt Cavusoglu hieß russische Oligarchen sogar in der Türkei ausdrücklich willkommen, auch wenn sie auf den Sanktionslisten der EU und der USA stehen. Neben der politischen Affinität gibt es auch praktische Gründe, die aus Sicht russischer Oligarchen für die Türkei sprechen: Istanbul ist, neben Dubai, die letzte verbliebene Drehscheibe für den Luftverkehr zwischen Russland und dem Westen. Und an vielen türkischen Geldautomaten können die Russen ihre im Westen wertlosen Bankkarten einsetzen, weil mehrere türkische Kreditinstitute dem russischen Zahlungssystem Mir angeschlossen sind. Verlockend auch: Die EU hat der Türkei eine Aufhebung der Visapflicht in Aussicht gestellt. Dann könnte man mit einem türkischen Pass ohne weitere Formalitäten in die EU-Staaten reisen.
Nach Angaben des türkischen Statistikamtes stieg die Zahl der Immobilienverkäufe an Russen im Februar gegenüber dem Vorjahr um 96 Prozent. Das Gesetz von Angebot und Nachfrage gilt in der Türkei offenbar auch für Staatsbürgerschaften: Die Regierung erwägt jetzt, die Mindestsumme für die Passvergabe durch Immobilienerwerb von 250 000 auf 400 000 Dollar heraufzusetzen. Für die russischen Oligarchen wäre das immer noch ein Klacks.G.H.