Neues Kapitel aufschlagen
Arnold Schwarzenegger spricht sicherlich Millionen Menschen aus der Seele, wenn er Donald Trump als „schlechtesten Präsidenten aller Zeiten“bezeichnet. Der Sturm auf das USKapitol vergangene Woche war der unbestrittene Tiefpunkt seiner zerstörerischen und chaotischen Präsidentschaft. In acht Tagen ist der Horrorclown weg aus dem Weißen Haus. Geschichte ist er damit aber noch lange nicht. Ob sein toxisches Erbe nachhallt, liegt aber in den Händen der Amerikaner.
Es ist prinzipiell richtig, dass die Demokraten ein zweites Impeachmentverfahren gegen Trump einleiten. Falls der Präsident tatsächlich schuldig gesprochen würde, wäre der Weg zu seiner Wiederwahl für immer verbaut. Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass sich – wie beim ersten Amtsenthebungsverfahren wegen der Ukraine-Affäre – keine Zweidrittelmehrheit im Senat finden würde. Das würde Trump in die Karten spielen – könnte er sich doch somit erneut als Opfer einer Hexenjagd darstellen. Auch hat ein Impeachment den Nachteil, dass der Prozess die politischen Gräben weiter vertiefen und zugleich den Anfang der Präsidentschaft Joe Bidens überschatten würde. Dabei will dieser doch ein neues Kapitel aufschlagen und versuchen, die Nation wieder zu versöhnen. Schwer vorstellbar, wenn ein Aufregerthema wie ein Amtsenthebungsverfahren die Medien wochenlang dominieren würde.
Mit seinem Ziel, Amerika zu heilen, hat sich der 46. Präsident eine Mammutaufgabe vorgenommen, an der er eigentlich nur scheitern kann. Trump ist lediglich das Symptom einer Spaltung der amerikanischen Gesellschaft, die Jahrzehnte zurückgeht. Der Verlust von Arbeitsplätzen durch die Globalisierung hatte viele Menschen mittellos und gekränkt zurückgelassen. Die weiße Arbeiterklasse fühlt sich von den Demokraten verraten und glaubt, mit Trump und seinen Gesinnungsgenossen endlich Fürsprecher ihrer Interessen gefunden zu haben.
Die Gesellschaft ist von Misstrauen und Hass zerfressen. Derjenige, der anderer Meinung ist, wird verteufelt, so dass kein Dialog mehr möglich ist. Zudem ist das Vertrauen in die Demokratie, die Institutionen und den Rechtsstaat erodiert. Hinzu kommt der systemische Rassismus, der zu Verlustängsten bei der weißen Mehrheit und Wut bei der afroamerikanischen Minderheit geführt hat. Ein weiteres enormes Problem ist die wachsende Schere zwischen Arm und Reich.
Neben der Pandemiebekämpfung muss Biden soziale Ungleichheiten angehen, den Rassismus aufarbeiten, für eine bessere Bildung und mehr Sicherheit sorgen, die Wirtschaft fit für das 21. Jahrhundert machen, eine dringend notwendige Reform der sozialen Medien auf den Weg bringen ... Mit anderen Worten: Die Menschen müssen spüren, dass sich ihr Alltag unter einem Präsident Biden verbessert. Und dass sich langfristig miteinander mehr erreichen lässt als gegeneinander. Dieser Heilungsprozess wird Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Biden kann nicht mehr machen als ein Angebot. Ob sie es annehmen werden, liegt letztlich an den Menschen selbst.
Joe Biden muss den Amerikanern ein Angebot machen.
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