„Es ist ein enormer Mehrwert“
Rektor Stéphane Pallage und Jens Kreisel, Vizerektor für Forschung, über die Kooperationen der Universität Luxemburg
Je mehr Menschen zusammenarbeiten, desto höher ist das Potenzial für neue Ideen. Getreu diesem Motto hat die Universität ihre Kooperationen mit dem Luxembourg Institute of Health (LIH) und dem Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) mit der Unterzeichnung zweier bilateraler Verträge auf offizielle Pfeiler gestellt. Im Interview erklären Universitätsrektor Stéphane Pallage und der Vizerektor für Forschung, Jens Kreisel, wieso Zusammenarbeit für die Universität wichtig ist und wie Luxemburg davon profitieren kann.
Stéphane Pallage (SP), Jens Kreisel (JK), wieso geht die Universität gerade jetzt diese Kooperationen ein?
SP: Forscher der Universität und des LIST oder des LIH haben schon häufig zusammengearbeitet, auch mit Forschern des Luxembourg Institute of Socio-Economic Research (LISER) gab es gemeinsame Projekte. Alle Direktoren der Forschungsinstitute und auch ich als Rektor der Universität wurden in den vergangenen drei oder vier Jahren ernannt. Wir sind also noch jung in unseren Positionen und haben ein echtes Team geschaffen. Wenn wir ins Ausland fahren, tun wir das gemeinsam, um unsere Institutionen zusammen zu vertreten – so ist auch die Marke Research Luxembourg entstanden. Zusammen wird aus den Teams ein Netz von Forschern auf Weltniveau.
JK: Die Mitarbeiter bei uns und an den Instituten haben vermehrt nachgefragt, wie man kooperieren kann. Das wurde so stark, dass wir gesagt haben, wir verschriftlichen das. Ich habe früher selbst am LIST eine Abteilung geleitet. Mir war recht klar, was von beiden Seiten benötigt wird, so dass ich das auch ein bisschen vorantreiben konnte.
Welche Vorteile ergeben sich aus den Kooperationen für die Universität?
SP: Wir teilen. Das heißt, man kann gemeinsam investieren, in wichtige Maschinen etwa. Je mehr Forscher in einem Bereich arbeiten, desto eher kann man den Bereich revolutionieren. Wir bieten außerdem Lehrangebote. Es ist ein enormer Mehrwert für unsere Studenten, Zugang zu Forschern anderer Institute zu haben.
JK: Die Uni hat ein großes Interesse daran, starke Forschungszentren neben sich zu haben – und umgekehrt. Denn gemeinsam treibt alle eines an: den Forschungsund Innovationsstandort Luxemburg bekannter zu machen und eine hochqualitative Ausbildung von Studenten und Doktoranden anzubieten. Daneben geht es auch um die kritische Masse. Nimmt man etwa die Materialwissenschaften, hat man am LIST rund 200 Leute aus dem Bereich und an der Uni etwa 200 im Bereich Physik/Materialwissenschaften. 400 ist schon deutlich mehr als 200, aber relevante Forschungseinrichtungen haben
1 000. Im Medizinbereich ist es das Gleiche.
Und welche Vorteile hat die Zusammenarbeit für die Studierenden der Universität?
JK: Forschungszusammenarbeit bringt immer ganz direkt etwas für die Karriere der Doktoranden. Der nächste Schritt ist, dass die Interdisziplinarität auch an unsere Studenten herangetragen wird. Ohne dass man die disziplinären Schwerpunkte aufweicht. Gute Interdisziplinarität fußt auf starkem disziplinären Wissen.
In welchen Gebieten sind Kooperationen angedacht?
SP: Momentan arbeiten wir mit dem LIST im Bereich Materialwissenschaften. Da existierten die Kooperationen bereits vorher. Mit dem LIH arbeiten wir vor allem am Thema der personalisierten Medizin.
Gibt es bereits konkrete Projekte, die Sie gemeinsam realisieren?
JK: Im Bereich Materialwissenschaften geht es um funktionale Materialien, also solche mit einer bestimmten Eigenschaft, die in einer Anwendung benutzt werden kann – im Bereich der Sensorik etwa, beispielsweise im Auto bei Auslösen des Airbags. Da interessiert es uns, neue Sensorikmaterialien herzustellen, die umweltfreundlich sind. Häufig enthalten sie aktuell Blei, weil dieser gute physikalische Eigenschaften hat. In der Biomedizin geht es darum, gemeinsame Plattformen für die personalisierte Medizin zu schaffen. Die Charakterisationsinstrumente sind enorm teuer und technisch aufwendig. Man braucht Ingenieure, Techniker und Forscher, die das beherrschen. Das sind hoch komplizierte Geräte, die es erlauben, individuelle Patientenproben zu untersuchen und daraus bestimmte genetische und zelluläre Profile zu erstellen. Es geht um eine systemische Herangehensweise, die es erlaubt, unterschiedliche Krankheiten zu adressieren.
Beginnt die Arbeit an diesen Themen jetzt oder liefen die Kooperationen auch schon vor der offiziellen Zusammenarbeit?
JK: Beide Kooperationen gehen aus einem „Pearl“des Fonds National da la Recherche (FNR) hervor. Das ist ein fünf- bis zehnjähriges Projekt des FNR, das mit starken Finanzmitteln unterstützt wird. Beide Projekte haben also bereits eine fünfjährige Vorlaufzeit.
Die Konzepte sind entwickelt, in beiden Bereichen haben wir Industriekontakte. Die Hälfte haben wir also geschafft.
Haben Sie schon Kooperationen in anderen Bereichen ins Auge gefasst?
SP: Das Laboratoire National de Santé (LNS) gehört auch schon zu unseren Partnern, ebenso wie die Krankenhäuser – wir sind dabei, mit ihnen Kooperationen einzugehen, um die Medizinausbildung voranzubringen. Und wir sind auch in Gesprächen mit dem LISER, um die Zusammenarbeit mit ihnen ebenfalls auf eine vertragliche Basis zu stellen. In wenigen Jahren hat die Forschung in Luxemburg wirklich zusammengefunden. Die Pandemie hat unsere Zusammenarbeit auf die Probe gestellt und gezeigt, dass sie funktioniert.
JK: Wichtig ist, dass man die Zusammenarbeit nicht von oben runterdiktiert, sondern dass die Leute sich kennen und ein Interesse daran haben, zusammenzuarbeiten. Und dann kann man kleine Schritte gehen, von Zusammenarbeit über Projekte und Doktoranden hin zu einer interinstitutionellen Forschungsgruppe.
Die Verzahnung der Institutionen ist deutlich enger geworden. Jens Kreisel
Sind denn auch in den Bereichen Materialwissenschaft und Biomedizin schon weitere Projekte angedacht?
JK: In der personalisierten Medizin existiert eine große Doktorandengruppe, die zu Beginn stark auf Parkinson ausgerichtet war und jetzt auch vermehrt in der Immunologie und Onkologie arbeitet. Im Bereich Materialwissenschaften interessieren wir uns generell für neue Arten der Sensorik. Wie ist etwa die Wechselwirkung von Licht mit Materialien, welche neuen Eigenschaften kann man da finden? Das steht jedoch alles noch am Anfang. Die Verzahnung der Institutionen ist aber deutlich enger geworden.
Wie sieht die Finanzierung der Projekte aus – werden sie immer zur Hälfte von der Universität und zur anderen Hälfte von dem jeweiligen Partner getragen?
SP: Alle Aufteilungen sind möglich. Auch der FNR unterstützt uns extrem. Je mehr Forscher, desto weiter kann man gehen.
Und nicht jeder in einer Gruppe arbeitet immer am gleichen Thema. Aber wenn es Parallelen gibt, kann man von der Kreativität der anderen profitieren.
Zusammen wird aus den Teams ein Netz von Forschern auf Weltniveau. Stéphane Pallage