Erinnerung an die Unmenschlichkeit
75 Jahre nach der Befreiung: Gedenkfeier im ehemaligen SS-Sonderlager Hinzert
Hinzert (D). Es war ein Ort der Barbarei, auch wenn heute fast nichts mehr daran erinnert. Das ehemalige SS-Sonderlager im Hunsrück, nur gut 20 Kilometer von Trier entfernt, ist bis in die Gegenwart hinein für Luxemburg ein Sinnbild für Unterdrückung und Unmenschlichkeit geblieben. Während des Zweiten Weltkriegs wurden in das Konzentrationslager zahlreiche Menschen aus dem Großherzogtum verschleppt. Für viele war es nur der Vorhof zur Hölle. Weitere Stationen auf ihrem Leidensweg waren größere Lager wie Dachau, Buchenwald, Mauthausen oder Natzweiler-Struthof.
Auch 75 Jahre nach der Befreiung des KZ Hinzert sind die Opfer nicht vergessen. Jedes Jahr kehren Angehörige am dritten Samstag im September an den Ort des Schreckens zurück, um sich an sie zu erinnern. Die diesjährige Gedenkfeier, bei der es wegen der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Abstandsregeln deutlich weniger Teilnehmer gab als in den Vorjahren, begann mit einer Messe, die von Generalvikar Patrick Muller vor der Sühnekapelle auf dem Standort des ehemaligen Lagerkomplexes gefeiert wurde.
Unmenschliche Bedingungen trotz bescheidener Größe
Für die Nazis war Hinzert „nur ein kleines KZ“. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Haftbedingungen dort menschlicher gewesen wären. Zwangsarbeit, Demütigungen
und Misshandlungen prägten den Lageralltag. Sämtliche Arbeiten mussten im Laufschritt verrichtet werden.
Das Lager im Hunsrück bestand von 1939 bis 1945. Ursprünglich war es als „Arbeitserziehungslager“eingerichtet worden, um Regimegegner, die beim Bau des Westwalls eingesetzt waren, gefügig zu machen. Während des Zweiten Weltkriegs entwickelte es sich zu einem Konzentrationslager, in das Menschen aus den von NaziDeutschland
besetzten Gebieten verschleppt wurden.
1940 wurde das Konzentrationslager der SS unterstellt. Bis zu 1 000 Menschen, die von 200 SSLeuten bewacht, gedemütigt und gequält wurden, waren zeitweilig in dem Lager zusammengepfercht. Man geht heute davon aus, dass zwischen 11 500 und 13 500 Menschen während des Zweiten Weltkriegs nach Hinzert verschleppt wurden. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil zahlreiche Dokumente 1945 vor der Ankunft der amerikanischen Befreier zerstört wurden. 321 namentlich bekannte Männer überlebten die Hölle von Hinzert nicht. Sie wurden ermordet oder starben an den Folgen der unmenschlichen Behandlung oder von Krankheiten.
Unter den Häftlingen waren verhältnismäßig viele Luxemburger. 1 600 Menschen aus dem Großherzogtum, die sich den Nazis nicht unterwerfen wollten, wurden in das Lager im Hunsrück verschleppt. Andere Quellen gehen von 1 800 aus.
Holzkreuze erinnern an die Ermordeten
Zahlreiche Luxemburger wurden während des Krieges in Hinzert hingerichtet. Nach dem Generalstreik vom 31. August 1942 wurden zwischen dem 2. und 10. September 20 Männer, die an den Streikaktionen beteiligt waren, als „abschreckende Maßnahme“in der Nähe des Lagers erschossen und im Wald verscharrt. 23 Widerstandskämpfer wurden am 25. Februar 1944 hingerichtet. An sie erinnern heute im Wald bei Hinzert schlichte Holzkreuze. Die Toten wurden, sofern sie noch zu identifizieren waren, nach dem Ende des Krieges in die Heimat überführt.
Insgesamt kamen in Hinzert 82 Luxemburger ums Leben. Annähernd 40 Männer starben an Unterernährung, Krankheiten oder den Folgen von Misshandlungen.
Das SS-Sonderlager Hinzert wurde am 3. März 1945 wegen des Vorrückens der US-Streitkräfte geräumt. Ein Großteil der Häftlinge wurde auf einem Gewaltmarsch in Richtung KZ Buchenwald getrieben und auf dem Weg dorthin in Oberhessen befreit.
Der Lagerleiter Paul Sporrenberg, ein überzeugter Nationalsozialist, konnte zunächst untertauchen und wurde erst 1959 in Mönchengladbach gefasst und angeklagt. Zu einer Gerichtsverhandlung kam es nie, weil Sporrenberg vor der Eröffnung des Verfahrens starb.