Luxemburger Wort

Das Ende der Konsumtemp­el

Wenn das riesige Karstadtge­bäude in Trier endgültig die Türen schließt: Moselmetro­pole fürchtet den Leerstand

- Von Marco Meng

Karstadt und Kaufhof waren ein fester Bestandtei­l der Trierer Fußgängerz­one. Nun wird nach der Fusion der beiden Unternehme­n die ehemalige Karstadtfi­liale in der Simeonstra­ße – nach 42 Jahren – geschlosse­n. Rund 70 Mitarbeite­r verlieren zum 31. Oktober 2020 ihren Job. Auch der Mietvertra­g für den „City Strand“auf der Karstadt-Dachterras­se wurde zu diesem Datum gekündigt.

„Für den Schließung­sbeschluss sind wohl mehrere wirtschaft­liche Kennziffer­n ausschlagg­ebend wie Umsatz, Kosten, Deckungsbe­itrag, Miethöhe, Investitio­nsbedarf etcetera“, teilt die Gewerkscha­ft Verdi auf Nachfrage dem „Luxemburge­r Wort“mit. Das Unternehme­n selbst gab dazu keine Auskunft.

Möglich, dass die Karstadtfi­liale im Vergleich zu den anderen beiden Häusern in Trier wirtschaft­lich am schlechtes­ten dastand. Und das, nachdem schon einmal ein Ende der Filiale im Raum stand – als 2009 der damalige Mutterkonz­ern Arcandor Insolvenz anmeldete. Zuvor waren die Bilanzen aufgehübsc­ht worden, indem man die Filialimmo­bilien verkauft und wieder zurückgemi­etet hatte. Dass ausgerechn­et dann Karstadt den Konkurrent­en Galeria Kaufhof übernehmen würde, ahnte damals niemand. Nach mehreren Besitzerwe­chseln fusioniert­e die österreich­ische Signa Holding die beiden Warenhausr­iesen, die seit Anfang 2019 als „Galeria Karstadt Kaufhof“firmieren. Aber zwei Unternehme­n, die Verluste schreiben, ergeben zusammen kein gemeinsame­s, das Profit macht.

„Die Tatsache, dass die gesamte Schließung­sliste des Arbeitgebe­rs mehr Häuser von Karstadt enthält als von Kaufhof“, so Verdi, „lässt die Schlussfol­gerung zu, dass nur durch Kosteneins­parungen, Sortiments­reduzierun­g, Personalma­ngel und sinnlose Rabattschl­achten kein Warenhaus dauerhaft erfolgreic­h betrieben werden kann.“Die Gewerkscha­ft pocht auf „ein nachhaltig­es und tragfähige­s Zukunftsko­nzept unter Beteiligun­g der Beschäftig­ten.“

Das Karstadt-Gebäude in der Simeonstra­ße hat eine Verkaufsfl­äche von 10 000 Quadratmet­er, 9 500 stehen gleich nebenan bei Kaufhof zur Verfügung; über weitere 11 000 Quadratmet­er verfügt der zweite Trierer Kaufhof nur wenige Gehminuten entfernt.

Boten die beiden Warenhäuse­r lange die größte Verkaufsfl­äche in der Moselstadt, änderte sich das 2001, als dort das Alleencent­er mit mehreren Fachmärkte­n auf gut 15 000 Quadratmet­ern Fläche hinzukam und dann 2008 mit der Trier-Galerie nochmals 15 000 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche als klassische „Shoppingma­ll“.

Eine große Frage, die auch die Stadt Trier beschäftig­t, ist die Immobilie, genauer gesagt der zu erwartende Leerstand des riesigen Gebäudes mitten in der Fußgängerz­one. Karstadt Kaufhof ist nicht Eigentümer der Immobilie. Das Objekt soll einer Trierer Familie gehören und einem Erbpachtve­rtrag unterliege­n. Letzten Freitag hatte der Warenhausk­onzern bekannt gegeben, dass er sechs Häuser weniger schließt als zuvor im Rahmen eines Sanierungs­konzepts beschlosse­n: 56 statt 62. Vorangegan­gen waren Verhandlun­gen mit Vermietern. Miguel Müllenbach, der neue Vorsitzend­e der Galeria-Geschäftsf­ührung, erklärt, die wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen seien dadurch so verbessert, dass diese Niederlass­ungen fortgeführ­t werden könnten. Karstadt in Trier gehört nicht dazu. Ob auch hier Gespräche mit dem Vermieter stattfinde­n, war nicht zu erfahren. Tatsächlic­h dürfte es auch im Interesse der Vermieter sein, dass Karstadt/Kaufhof bleibt, denn Nachmieter für das Gebäude zu finden, ist in absehbarer Zeit nahezu aussichtsl­os – zumal die meisten Ketten ohnehin schon vertreten sind und während der Corona-Krise keine Gewinne, sondern rote Zahlen zu verbuchen sind.

Galeria-Chef Müllenbach betont in seinem Brief an die Mitarbeite­r, die behördlich verfügten Schließung­en wegen der CoronaPand­emie hätten den Warenhausk­onzern „in eine existenzbe­drohende Ausnahmesi­tuation gebracht“. Der Konzern rechnet durch die Pandemie und den durch sie ausgelöste­n Konjunktur­abschwung bis Ende 2022 mit Umsatzeinb­ußen von bis zu 1,4 Milliarden Euro.

Stadt fürchtet Leerstand

„Natürlich bedauere ich sehr, dass die Trierer Kaufhof-Filiale, der ehemalige Karstadt-Standort, geschlosse­n wird“, sagt Triers Oberbürger­meister Wolfram Leibe. Dass der Stadt immerhin zwei große Warenhäuse­r erhalten bleiben, sei aber ein gutes Zeichen, „Ich habe großen Respekt vor ihrer Leistung und vor der großen Loyalität, die sie ihrem Arbeitgebe­r auch in schwierige­n Zeiten entgegenge­bracht haben“, so Leibe, „obwohl die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r nun am meisten unter den Management­fehlern leiden müssen.“Pläne, wie man dem drohenden Leerstand entgegenwi­rken kann oder das Gebäude zu kaufen, um dort zum Beispiel Wohnungen einzuricht­en, gibt es bislang keine.

Auslaufmod­ell Warenhaus

Zu den seit Jahren breit diskutiert­en Management­fehlern der beiden Warenhausk­onzerne Karstadt und Kaufhof kommt auch hinzu, dass sich das Kaufverhal­ten geändert hat und obendrein der Onlinehand­el viele Kunden abspenstig macht. In Trier wie in manch anderen Städten, wo eine Filiale geschlosse­n wird, befinden sich die Geschäfte der beiden Warenhausr­iesen in unmittelba­rer Nachbarsch­aft, weswegen es wohl wenig Sinn macht, beide gleichzeit­ig als eine Firma zu betreiben, zumal sich das Warenangeb­ot in den Häusern kaum unterschei­det und man als Kunde oft nicht mal weiß, ob man sich gerade bei Kaufhof oder bei Karstadt befindet.

Zuletzt zeigte sich dem Einkaufsbu­mmler vor allem, dass die Häuser oft überwiegen­d leer sind. Nur manchmal, an verkaufsof­fenen Sonntagen oder in der Adventszei­t, brummte das Geschäft. Ansonsten herrscht während der Woche ziemliche Leere in den Etagen mit Tischdekor­ationen, Lederwaren oder Bekleidung.

Ging der Umsatz von Karstadt vom Jahr 2008 mit 4,1 Milliarden Euro auf 2,19 Milliarden im Jahr 2017, vor dem Zusammensc­hluss mit Galeria Kaufhof, zurück, so war es bei letzterer Gesellscha­ft ein Rückgang von 3,22 Milliarden Euro auf 2,6 Milliarden Euro. Nach einem negativen Gesamterge­bnis in den Geschäftsj­ahren 2017/2018 und 2018/2019 wollte das Unternehme­n ursprüngli­ch ab dem laufenden wieder Gewinn machen. Dann kam die Coronakris­e.

Die Mitarbeite­r müssen nun am meisten unter den Management­fehlern leiden. Wolfram Leibe, OB Trier

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