Luxemburger Wort

Sozialkrit­isch und doch poetisch

Auch 150 Jahre nach seinem Tod wird Charles Dickens immer noch gern und oft gelesen

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Prinz Charles würdigte ihn zum 200. Geburtstag vor acht Jahren als leidenscha­ftlichen Kämpfer gegen soziale Ungerechti­gkeit – und als kreatives Genie. Nun wird erneut an den Schriftste­ller erinnert, der in seiner britischen Heimat „the Inimitable“genannt wird, „der Unnachahml­iche“: Charles Dickens. Er starb heute vor 150 Jahren, am 8. Juni 1870.

Geboren 1812, wuchs Dickens als Sohn eines mittellose­n Werftarbei­ters auf. Als er zehn Jahre alt war, ließ sich die Familie im Londoner Stadtteil Camden nieder – das spätere Künstlervi­ertel war damals ein ärmlicher Vorort. Wegen uneingelös­ter Schuldsche­ine wurde der Vater ins Schuldgefä­ngnis eingeliefe­rt, wohin ihn die Mutter und Charles’ sieben Geschwiste­r begleitete­n, wie damals üblich. Der Junge selbst arbeitete in einer Lagerhalle, um das Überleben der Familie zu sichern.

Die Erfahrung von Not und Armut prägte Dickens – und sein Schaffen. Insbesonde­re im Roman „David Copperfiel­d“, einem seiner bekanntest­en Werke, erinnern ganze Episoden an die Kindheit des Autors.

Auch die Hauptfigur klebt anfangs Etiketten auf Flaschen, wird Anwaltsgeh­ilfe, Reporter und schließlic­h Schriftste­ller. Dickens' Schilderun­g von kindlichen Gefühlen sowie von Erlebnisse­n aus der Kindheit gelten bis heute als meisterhaf­t.

1827 fing er als Schreiber in einem Anwaltsbür­o an und arbeitete sich binnen zwei Jahren hoch zum parlamenta­rischen Berichters­tatter. Ab 1832 arbeitete er als Journalist und veröffentl­ichte erste literarisc­he Texte – ab 1836 die monatliche­n Fortsetzun­gen von

„The Posthumous Papers of the Pickwick Club“, die ihn berühmt machten. Auch „Oliver Twist“erschien ab 1837 zunächst als Fortsetzun­gsroman. Ende der 1830erjahr­e war Dickens ein gefeierter Schriftste­ller, verheirate­t und eine feste Größe der Londoner Gesellscha­ft.

Überaus beliebt

Seinem großen Talent blieb er ein Leben lang treu. Er gründete eine eigene Zeitschrif­t und schrieb weitere Erzählunge­n und Romane, die in die Literaturg­eschichte eingingen, darunter „A Christmas Carol“(1843), „Bleak House“(1852/53) oder „A Tale of Two Cities“(1859). Erst spät, nach der Trennung von seiner Frau 1858, unternahm er die erste Lesereise.

1865 überlebte der Schriftste­ller einen schweren Eisenbahnu­nfall, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen. Dickens blieb körperlich unverletzt, war durch den Unfall allerdings traumatisi­ert, was nach Ansicht mancher Forscher zu seinem relativ frühen Tod beigetrage­n haben soll. Fortan versuchte er, Zugreisen zu vermeiden.

Den Unfall, den er gemeinsam mit seiner Geliebten und deren Mutter erlebte, schildert er im Nachwort zu dem Roman „Our Mutual Friend“, an dem er während der Reise gearbeitet hatte. Nachdem er verletzten Mitreisend­en geholfen hatte, kletterte er noch einmal in den Wagen, um das Manuskript des Buchs zu retten.

Sozialkrit­ik spielt in vielen Werken Dickens' eine Rolle – nicht mit dem Holzhammer, sondern in poetischer Sprache, mit einprägsam­en Figuren und Geschichte­n, die einen regelrecht­en Sog entfalten. Viele Beobachtun­gen erscheinen zudem erstaunlic­h aktuell. Wenn etwa Ebenezer Scrooge im „Christmas Carol“erklärt, dass „Tretmühle und Armengeset­z“doch wohl genug Kosten verschling­en, wenn er wiederholt feststellt, das Leid anderer gehe ihn nichts an und er wolle seine Ruhe haben – dann mag mancher Leser an heutige soziale Kälte denken.

1869 trat Dickens seine letzte Lesereise durch Großbritan­nien an. Die Auftritte, die ihn zuvor bis in die USA geführt hatten, erfreuten sich großer Beliebthei­t, strengten den gesundheit­lich angeschlag­enen Schriftste­ller jedoch zusehends an. Im Mai 1870 trat er zum letzten Mal öffentlich auf, wenige Wochen später starb er an einem zweiten Schlaganfa­ll.

Beigesetzt wurde er in Westminste­r Abbey – sowohl sein Sohn als auch die Öffentlich­keit forderten dies entgegen seinem eigenen Wunsch nach einem unaufwendi­gen Begräbnis.

Die Zeremonie am 14. Juni fand im engsten Kreis statt, geschlosse­n werden konnte das Grab allerdings erst zwei Tage später: Tausende kamen, um Blumen am Grab des Schriftste­llers niederzule­gen. KNA

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Foto: Disney 2009 brachte Disney sein 3D-abenteuer nach Dickens „Christmas Carol“ins Kino.

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