Nichts geht mehr
Presslufthämmer schweigen, kein Kran dreht sich: Das Corona-virus stoppt alle Bauarbeiten
Ob es sich um die Verlängerung der Tramstrecke in der Hauptstadt, das neue Fußballstadion oder die Strafvollzugsanstalt in Sassenheim handelt – alle Baustellen im Großherzogtum sind seit gestern Abend bis auf Weiteres auf Anweisung der Regierung stillgelegt. Ziel auch bei dieser strikten Ansage ist es, die Verbreitung des Corona-virus einzudämmen.
Nun also schweigen die Presslufthämmer, kein Kran dreht sich mehr. So auch bei dem Luxemburger Bauunternehmen Karpkneip, das die meisten Arbeiten bereits am Freitagmorgen eingestellt hat. „Es sind lediglich nur noch einige Mitarbeiter im Büro“, erklärt Geschäftsführer François Thiry, dessen Firma in Luxemburg etwa 800 Menschen beschäftigt. Auch beim öffentlichen Projektträger „Société nationale des habitations à bon marché“(SNHBM) sind alle Projekte gestoppt. Guy Entringer, Direktor des Unternehmens: „Die Architekten, Zeichner und andere arbeiten in den kommenden Tagen zwar weiter, aber unter Beachtung der Sicherheitsvorschriften.“
Die letzten, noch zugelassenen Arbeitstage wurden überwiegend dafür genutzt, sämtliche Baustellen abzusichern, wie Pol Faber, Generalsekretär des „Groupement des Entrepreneurs“, erklärt. Laut Polizeisprecher Frank Stoltz werden auch Kontrollen durchgeführt, um die Umsetzung der Regierungsentscheidung zu überprüfen.
80 Prozent des Gehalts
Für viele der rund 45 000 Mitarbeiter des Baugewerbes gilt nun Kurzarbeit. Die Regierung hatte im
Zusammenhang mit Beihilfen für Unternehmen auch auf die Möglichkeit für Betriebe hingewiesen, Kurzarbeitergelder zu beantragen. Die Maßnahmen gelten allgemein für alle Bereiche der Wirtschaft und werden großzügig gehandhabt – das hat die Regierung betont.
Ziel ist, Arbeitgeber bei der durch das Corona-virus verursachten Reduktion oder gar Stilllegung der Produktion zu unterstützen. Entschieden wurde, dass der Arbeitsfonds 80 Prozent der Gehälter der betroffenen Mitarbeiter übernimmt – bis zu einem Höchstbetrag von 250 Prozent des sozialen Mindestlohns für einen ungelernten Arbeitnehmer. Konkret: Bis zu 4 284 Euro brutto im Monat gibt es für Mitarbeiter des Baugewerbes, die nun gezwungen sind, zu Hause zu bleiben. Nach Schätzungen von Arbeitsminister Dan Kersch (LSAP) werden die Kosten für den Arbeitsfonds allein im Baugewerbe 150 Millionen Euro pro Monat betragen.
„Im Normalfall kann es mehr als zwei Monate dauern, bis das Geld des Arbeitsfonds den Betrieben erstattet wird“, erklärt Roland Kuhn, Chef der „Fédération des Entreprises de Construction et de Génie Civil“, „angesichts der aktuellen Situation will die Regierung diese Prozedur aber auf einen Monat verkürzen. Eine gute Sache, denn auf viele Betriebe werden in den kommenden Wochen große Liquiditätsprobleme zukommen.“Nach Angaben des Verbandes sind mehr als 4 000 Handwerksbetriebe im Bausektor hierzulande tätig. Für Handwerksbetriebe seien Pleiten nicht ausgeschlossen, so Kuhn. Viele Firmen sind bereits jetzt in großer Sorge, weil allgemein befürchtet wird, dass der Betrieb erst nach den Osterferien wieder Fahrt aufnehmen kann.
Problem Bauzeitplan
Ein Blick auf die vielen Baustellen in Luxemburg reicht, um zu wissen: Die Auftragsbücher sind voll, die Fristen kurz. Damit stellt sich ein großes Problem bei den derzeit noch vorgesehenen Bauzeitpläne, die Auftraggeber und Bauunternehmen rechtlich binden. Denn im Normalfall gilt: Der Auftraggeber kann den Auftragnehmer im Fall einer Überschreitung der im Bauzeitplan festgeschriebenen Fristen haftbar machen. „Für jeden zusätzlichen Tag kann eine Geldstrafe gefordert werden“, erklärt Pol Faber, „das ist angesichts der aktuellen Situation nicht mehr vertretbar.“
„Es muss eine Lösung gefunden werden, um diese Fristen zu verlängern“, fordert auch Roland Kuhn, für den das „eine Frage des gesunden Menschenverstands ist.“Auf keinen Fall können die Mitarbeiter nach der Corona-pause aufgefordert werden, das Arbeitstempo zu beschleunigen, betont Jean-luc De Matteis, Gewerkschaftssekretär des OGBL – die Arbeitnehmerorganisation vertritt die Mehrheit der Beschäftigten im Bausektor: „Mehr Überstunden sind keine Lösung.“
Kollektivurlaub in Frage gestellt
Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-krise auf das Baugewerbe abzufedern, wird derzeit mit den zuständigen Ministerien, Verbänden und Gewerkschaften über eine mögliche Kürzung oder gar Abschaffung des Kollektivurlaubs in diesem Sommer diskutiert, wie Pol Faber vom „Groupement des Entrepreneurs“erklärt: „Die Betriebe waren auf eine derartige Situation überhaupt nicht vorbereitet. Es muss eine pragmatische Lösung gefunden werden.“„Es wäre unverantwortlich, den Kollektivurlaub aufrechtzuerhalten“, stellt auch Roland Kuhn von der „Fédération des Entreprises de Construction et de Génie Civil“fest.
Auch für die Arbeitnehmerorganisation OGBL ist es „zu früh, um konkret über eine Änderung des Kollektivurlaubs zu verhandeln. Wir sind aber bereit, darüber zu diskutieren“, erklärt Jeanluc De Matteis. Und stellt fest: „Wir wissen nicht, wie lange die Situation anhalten wird. Falls sich die schwierige Lage aber in die Länge ziehen sollte: Dann muss eine Lösung gefunden werden, damit alle Mitarbeiter ihren Urlaub nehmen können.“
Ein weiterer Punkt, um wirtschaftliche Folgen möglichst zu mindern, sind die Ausschreibungen zur Vergabe von Bauarbeiten. „Alle öffentlichen Auftraggeber wie Staat oder Gemeinden müssten ihre Ausschreibungen wenigstens bis zum Ende der Osterferien aussetzen und die Fristen verlängern, um keinem die Chance zu nehmen, an den Ausschreibungen teilzunehmen“, sagt Roland Kuhn.
Insgesamt sind sich jedoch sowohl Arbeitgeberseite als auch Arbeitnehmerseite darüber einig, dass die Entscheidung der Regierung, die Baustellen zu schließen, richtig ist: „Die Gesundheit geht vor.“
Auf viele Betriebe werden große Liquiditätsprobleme zukommen.
Roland Kuhn