Luxemburger Wort

Albino-verfolgung überschatt­et Wahlen

In Malawi werden die Angehörige­n der Minderheit zum Spielball von politische­m Opportunis­mus

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Lilongwe. In vielen Ländern Afrikas sind Wahlen ein Spektakel. Für einige Wähler in Malawi stehen aber weder die Kandidaten­auftritte im Stil von Open-air-konzerten noch die politische­n Umbrüche im Fokus des Wahlkampfs. Sie fürchten um ihr Leben. Denn in Malawi werden Menschen mit Albinismus wegen ihrer Hautfarbe verfolgt und getötet. Ihre Körperteil­e, so will es der Aberglaube, funktionie­rten neben Heilmittel auch als Glücksbrin­ger. Vor den Präsidents­chafts-, Parlaments- und Lokalwahle­n am heutigen Dienstag kam es in der südostafri­kanischen Nation erneut zu Angriffen auf die Minderheit.

Politisch schlug der Wahlauftak­t bislang keine großen Wellen. Beobachter erwarten ein enges Rennen zwischen Amtsinhabe­r Peter Mutharika, dessen Vize Saulos Chilima und Opposition­sführer Lazarus Chakwera. Die Stimmung scheint dennoch gelöst. Laut UNO habe Malawi nun die Chance, „der Welt erneut zu demonstrie­ren, wie ausgereift sein Regierungs­prozess inzwischen ist“.

Sorge bereitet der UNO hingegen die Gewaltwell­e gegen Malawier mit Albinismus. „Für sie sind Wahlen eine gefährlich­e Zeit, da hier die Angriffe oft zunehmen. Dafür ist der Glaube verantwort­lich, dass ihre Körperteil­e Glück und politische Macht bringen, wenn sie in Ritualen in Verbindung mit Hexenkraft genutzt werden“, teilte vor kurzem eine Beratergru­ppe des Un-menschenre­chtsbüros (OHCHR) mit. Unter den Experten war auch die Nigerianer­in Ikponwosa Ero als erste Un-sachverstä­ndige für Albinismus. Sie verurteilt­e zwei Angriffe in jüngster Vergangenh­eit, bei der ein Malawier mit weißer Hautfarbe getötet und ein Baby entführt wurden.

In den letzten fünf Jahren kam es in dem afrikanisc­hen Land zu mehr als 150 Übergriffe­n auf Betroffene, darunter 23 Morde und sieben versuchte Tötungen. Entspreche­nd wuchs zuletzt der Druck auf Mutharikas Regierung, die Minderheit mit Pigmentstö­rung besser zu schützen. In einem Schauproze­ss wurde der Albinomörd­er Willard Mikaele Anfang Mai von einem Gericht zum Tode verurteilt. 2017 hatte er einen Teenager „auf Rat eines Medizinman­ns getötet, um schnell reich zu werden“, so der Richter. Un-botschafte­rin Ero und andere Menschenre­chtler loben zwar ein wachsendes Bewusstsei­n in Malawi; die Todesstraf­e schieße aber über das Ziel hinaus.

Notrufsyst­em für Albinos Dass das Problem tief geht, zeigte auch ein Mordfall vor dem Höchstgeri­cht in der Stadt Zomba. Dort gab die verantwort­liche Richterin vor zwei Wochen den Fall ab, nachdem ein beschuldig­ter Albino-mörder ihren Onkel als einen seiner Mittäter nannte. Der wiederum arbeitet als Berater von Präsident Mutharika. Als Mittelsman­n zwischen den beiden Beschuldig­ten soll ausgerechn­et ein katholisch­er Priester, Thomas Muhosha, fungiert haben. Der Geistliche soll dem Angeklagte­n geholfen haben, an Albino-haut heranzukom­men – und sitzt nun ebenfalls auf der Anklageban­k.

Im Februar versprach Mutharika Informante­n, die Hinweise zu Albino-mördern liefern, eine Belohnung von mehr als 6 000 Euro. Neu für Malawi ist auch ein Notrufsyst­em speziell für Menschen mit Albinismus: Betroffene können künftig per Knopfdruck einen Hilferuf an die nächste Polizeista­tion senden. Eigentlich sollten die kleinen blauen Notrufsend­er ihnen ein Gefühl von Sicherheit geben, unter Albino-aktivisten rief die Aktion aber vor allem Wut hervor. Sie vermuten einen plumpen Wahlkampft­rick seitens Mutharikas, wovon die Aufschrift auf den Geräten zeuge: „APM Cares“. APM sind die Initialen des Präsidente­n.

Auch Amnesty Internatio­nal warnte vor politische­m Opportunis­mus im Kampf gegen Albinoverf­olgung. Dazu zähle auch die verhängte Todesstraf­e Anfang Mai. „Das Urteil wird weitere Angriffe auf die gefährdete Gruppe nicht verhindern“, hieß es. Ein Großteil der Albino-morde blieb bislang ungeklärt. Das sei laut Deprose Muchena, Direktor für das südliche Afrika, auf ein Versagen der Justiz und der Strafermit­tler zurückzufü­hren. Entspreche­nd sein Appell letzte Woche: „Wenn Malawi an die Wahlurne schreitet, ist es an der Zeit, die Jahre der Straflosig­keit zu beenden.“KNA

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Foto: Getty Images Albinos haben es schwer in Malawi. Dort werden sie wegen ihrer Hautfarbe verfolgt und getötet.

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