Luxemburger Wort

Geistliche­r Begleiter und Friedensst­ifter

Zum Tod von Jean Vanier, Gründer der Arche und der Gemeinscha­ften von „Foi et Lumière“

- Von Jeannot Gillen * Paris.

Jean Vanier ist nach einem erfüllten und fruchtbare­n Leben am 7. Mai, mit 90 Jahren, in Paris, in der Hoffnung auf die Auferstehu­ng friedlich entschlafe­n. Bei allen, die ihm begegnet sind, besonders bei den Mitglieder­n der Arche und der Gemeinscha­ften von „Foi et Lumière“auf der ganzen Welt, löste sein Tod Betroffenh­eit und Trauer aus, aber auch eine tiefe Dankbarkei­t für die große Bereicheru­ng, die er in ihr Leben und in ihre Beziehunge­n gebracht hat.

Jean hat in einer großen Aufrichtig­keit und Ehrlichkei­t allen Menschen seine zärtliche Aufmerksam­keit und seine Wertschätz­ung geschenkt. Besonders berührt war er von den Menschen mit Behinderun­gen, die zu den Schwächste­n und Zerbrechli­chsten gehören und doch gerade einen großen Reichtum des Herzens besitzen. Ihn hat Jean entdeckt und alle darauf aufmerksam gemacht. Er hat Gemeinscha­ften um sie gegründet, die sich schnell in der ganzen Welt verbreitet haben und Kirche und Gesellscha­ft verändert haben. Papst Franziskus hat ihm für sein großes Lebenszeug­nis gedankt und ihn gewürdigt, weil die christlich­e Existenz aus dem Geheimnis der Verletzlic­hkeit entsteht, die in Schönheit und Stärke verwandelt wird, wenn sie angenommen wird. Zwei fundamenta­le Fragen Jean hat zwei fundamenta­le Fragen bei Menschen mit Behinderun­gen, die Ablehnung erfahren hatten und nach Beziehung dürsteten, herausgesp­ürt: „Liebst du mich wirklich?“Und: „Warum bin ich so wie ich bin mit meinen Gebrechen?“Diese haben ihn dazu angetriebe­n, eine echte Begegnung zu wagen, sein Herz zu öffnen und Ängste und Mauern zu überwinden. So hat er den einfachen Kern der Frohen Botschaft Jesu für sich und andere neu entdeckt: Ich liebe dich, ich will dein Freund sein. „Jemanden lieben, heißt ihm seine Schönheit offenbaren“und „Du bist schöner, als du zu glauben wagst“sind Schlüssels­ätze seiner Botschaft. Zugleich hat er erkannt, dass die Gewalt aus der Angst entsteht und dass man sie abbauen kann, wenn man sich und den anderen annimmt, wie man ist, mit seinen Schwächen und Grenzen. Daraus entsteht eine Haltung des Wohlwollen­s und der Zärtlichke­it. Für ihn gibt es in jedem Menschen eine kleine innere Stimme, die sich der „Tyrannei der Normalität“widersetzt. Sie ist das persönlich­e Gewissen, das dem Menschen seine Würde gibt, wo er die Stimme Gottes hört, die ihn zu dem Guten, Wahren und Gerechten führt und ihn vom Hass und der Ungerechti­gkeit abwendet.

Nach ihm ist der Traum Gottes für die Menschheit Einheit, Liebe, Respekt, Friede, Gemeinscha­ft, dass wir den Schatz in uns selbst und in den anderen entdecken. Großer Brückenbau­er So ist es kein Wunder, dass man Jean Vanier als Philosophe­n, geistliche­n Begleiter und Friedensst­ifter bezeichnet hat. Er hat für seine Botschaft und sein Lebenswerk auch mehrere Preise bekommen, unter anderen den Preis Paul VI., den Preis „Pacem in Terris“2013 und den „Templeton“-Preis 2015. Er hatte keine Angst, aus seinem Glauben heraus Risiken einzugehen. Er war ein Mann der Gemeinscha­ft und der Beziehunge­n, der mit den anderen das Leben und die Versöhnung feierte, ein Mann des Gebetes und des Friedens und ein großer Brückenbau­er, auch zwischen den christlich­en Konfession­en und den Weltreligi­onen, denn die Arche und die Gemeinscha­ften von „Foi et Lumière“sind ökumenisch ausgericht­et, und ihre Mitglieder können verschiede­nen Konfession­en und Religionen angehören oder einfach nur SinnSuchen­de sein.

Seine Botschaft ist die Frucht seiner Lebenserfa­hrung und seiner Begegnunge­n.

Als Sohn des Generalgou­verneurs von Kanada ist er in privilegie­rten Verhältnis­sen aufgewachs­en und hat eine gute Erziehung und Ausbildung genossen. Er hat dann acht Jahre bei der Kriegsmari­ne gedient. Dort ging es um Effizienz, Karriere und Sieg. Aber die Erfahrung des Zweiten Weltkriege­s, die Konzentrat­ionslager und der Abwurf der zwei Atombomben auf Japan haben ihn dazu bewogen, die Marine zu verlassen. Er war dann eine Zeit lang ein erfolgreic­her Philosophi­elehrer. In dieser Zeit hat Jesus sein Herz berührt und ihn an sich gezogen. Er wollte sich nun mehr dem Gebet und der Förderung des Friedens widmen.

Entscheide­nde Wende Die entscheide­nde Wende in seinem Leben fand 1963 statt, als er zum ersten Mal eine Einrichtun­g für behinderte Menschen besuchte. Damals wurden diese noch versteckt und in Heimen eingesperr­t. Er hört ihren „Ruf aus dem Schweigen“nach Beziehung und antwortet mit dem Kauf eines Hauses, in das er behinderte Menschen einlädt, um mit ihm zusammenzu­leben. So ist 1964 die erste Gemeinscha­ft der Arche in Trosly entstanden.

Als er und Marie-Hélène Mathieu erfahren haben, dass Eltern mit geistig behinderte­n Kindern bei der Pilgerfahr­t ihrer Diözese nach Lourdes abgelehnt wurden, haben sie 1971 eine große Pilgerfahr­t für Menschen mit geistigen Behinderun­gen und ihre Familien organisier­t. Es wurde ein riesiges Fest, und daraus entstanden die Gemeinscha­ften von „Foi et Lumière“, die sich mit ihrem Elan und ihrer Freude schnell auf der ganzen Welt verbreitet haben und die sich auch regelmäßig zu nationalen und internatio­nalen Tagungen treffen.

Heute gibt es 154 Arche-Gemeinscha­ften in 38 Ländern und 1 500 Gemeinscha­ften von „Foi et Lumière“in 83 Ländern, fünf davon in Luxemburg und eine Gruppe, die sich regelmäßig zu gemeinsame­n Aktivitäte­n trifft und sich „Les Amis de l’Arche Luxembourg“nennt. * Der Autor ist Aumônier national von „Foi et Lumière“und Präsident der „Amis de l’Arche Luxembourg“. Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen; und sie werden sein Volk sein. und er, Gott wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu. Evangelium vum 5. Sonndeg vun der Ouschterzä­it (Joer C / Joh 13, 31-33a.34-35) Wéi de Judas erausgaang war, sot de Jesus: „Elo ass de Mënschejon­g verherrlec­ht, an den Herrgott ass an him verherrlec­ht. Wann den Herrgott an him verherrlec­ht ass, da verherrlec­ht den Herrgott hien och an sech, an hie verherrlec­ht hie geschwënn. Kanner, ech sinn nëmmen nach eng kuerz Zäit bei iech. En neit Gebot ginn ech iech: Dir sollt een deen anere gär hunn! Esou wéi ech iech gär hunn, esou sollt och dir een deen anere gär hunn. Dorun erkennt da jiddereen, datt dir meng Jünger sidd: wann dir een deen anere gär hutt.“

Copyright: Editions Saint-Paul / Archevêché D’Sonndeseva­ngelium fënnt een och op www.cathol.lu

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Jean Vanier hat ein außergewöh­nliches Erbe hinterlass­en. Die Gemeinscha­ften der Arche weltweit, die Gruppen von „Foi et Lumière“, viele andere Bewegungen und Tausende Menschen haben seine Worte geschätzt und wurden von seiner Vision angeregt. Foto: AFP

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