Luxemburger Wort

Merkel dementiert Ambitionen auf Brüssel

Die deutsche Bundeskanz­lerin hat Spekulatio­nen über einen Wechsel in ein hohes Amt auf EU-Ebene eine klare Absage erteilt

- Von Helmut Uwer (Berlin)

Schon länger wurde gemunkelt, Angela Merkel könnte nach der Europawahl ein Spitzenamt in Brüssel übernehmen. Meist wurde sie dabei als Nachfolger­in für EURatspräs­ident Donald Tusk gesehen. Aber auch EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hatte die Spekulatio­nen angeheizt mit Aussagen wie: „Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass Angela Merkel in der Versenkung verschwind­et.“Sie sei nicht nur eine Respektspe­rson, sondern ein liebenswer­tes Gesamtkuns­twerk und hoch qualifizie­rt.

Vorgestern ließ dann eine Interviewa­ussage Merkels erneut aufhorchen: „Viele machen sich Sorgen um Europa, auch ich. Daraus entsteht bei mir ein noch mal gesteigert­es Gefühl der Verantwort­ung, mich gemeinsam mit anderen um das Schicksal Europas zu kümmern.“Doch schon am Nachmittag stellte die Kanzlerin klar, „dass ich für kein weiteres politische­s Amt, egal wo es ist, auch nicht in Europa, zur Verfügung stehe.“Damit bleibt sie bei der Linie, die sie schon beim Rücktritt vom Parteivors­itz Ende letzten Jahres vertrat. Sie will sich nach dem Ende der Legislatur­periode 2021 aus der Politik zurückzieh­en. Im letzten Jahr war sie auch als mögliche UNO-Generalsek­retärin gehandelt worden.

In dem Interview mit der „Süddeutsch­en Zeitung“Merkel suchte auch Behauptung­en zu entkräften, dass es mit den deutschen-französisc­hen Beziehunge­n derzeit nicht zum Besten steht. Merkel räumte zwar Meinungsve­rschiedenh­eiten ein, behauptete aber zugleich, dass das Verhältnis zu Macron unbelastet sei. Es gebe Mentalität­sunterschi­ede und Unterschie­de im Rollenvers­tändnis. Aber das sei auch früher schon so gewesen. Und in den großen Linien würden beide Länder stets Kompromiss­e finden.

Dennoch fällt auf, dass Merkel bei der Präsentati­on der letzten Reformvors­chläge Macrons das Feld CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r überlassen hat. AKK ging ziemlich auf Distanz zu Paris. Sie lehnte Macrons Mindestloh­n-Idee ab und forderte die Abschaffun­g von Straßburg als zweiten Parlaments­sitz. Als Trostpflas­ter hatte sie den Bau eines gemeinsame­n Flugzeugtr­ägers angeregt. Dabei ist Paris von der Rüstungszu­sammenarbe­it wegen der strikten deutschen Exportkont­rollen nicht sehr begeistert. „Beinfreihe­it“Ein Wechsel Merkels nach Brüssel hätte in der CDU die Machtfrage eindeutig geklärt. So aber müssen Merkel und AKK weiterhin einen modus operandi finden, der ihnen beiden möglichst viel Spielraum lässt. Zwar hat AKK eine gewisse „Beinfreihe­it“, da sie kein Regierungs­amt besitzt. Doch wird das mehr und mehr zum Nachteil, weil sie dadurch nicht selber gestalten kann. Eine Steuerrefo­rm wie in Österreich wird daher vorerst ihr Wunschtrau­m bleiben. Auch Merkel als Kanzlerin abzulösen. Denn die SPD will AKK nicht mitwählen. Und noch hat sich der Wechsel an der Spitze für die CDU nicht ausgezahlt. Wenn die Partei nun bei den Europawahl­en und später bei den ostdeutsch­en Landtagswa­hlen schlecht abschneide­t, könnte sich das Blatt schnell wenden und der Ruf nach Friedrich Merz erneut erschallen.

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