Im Mekka der Vespa-Fans
Der SIP Scootershop in Landsberg bietet nahezu alles rund um Motorroller an. Das beschert dem Unternehmen Kunden aus der ganzen Welt.
Das Mekka für VespaFans liegt im Gewerbegebiet im Landsberger Frauenwald. Im Norden produziert die Firma Rational ihre Combi-Dämpfer für die Profiküchen der Welt, im Süden kickt der TSV Landsberg in der FußballBayernliga. Dazwischen liegt ein modernes Firmengebäude, in dem die Pilgerstätte für Rollerfahrende aus der ganzen Welt beheimatet ist: der SIP Scootershop. Zwei Schulfreunde haben ihn vor 30 Jahren gegründet. Heute haben sie über 500.000 Kunden aus mehr als 70 Ländern, das Unternehmen hat rund 60.000 verschiedene Teile lagernd und versendet mehr als 2000 Pakete täglich in Spitzenzeiten – Zubehör, Tuning und Ersatzteile für Vespa, Lambretta und andere Motorroller.
Die Geschichte ist fast schon kitschig. Zwei Jugendliche lernen sich auf dem Parkplatz ihrer Schule kennen, weil sie beide eine Vespa fahren. Heute, über 30 Jahre später, sind die beiden Geschäftsführer eines weltweit tätigen Mailordershops für Motorroller. Alexander Barth (51) und Ralf Jodl (50) haben das Vespa-Lebensgefühl verinnerlicht. Seit Anfang der 1990erJahre bastelten sie an ihren VespaRollern. Auf dem Parkplatz des Dominikus-Zimmermann-Gymnasiums tauschten sie sich aus. Sie waren unzufrieden mit dem damaligen Angebot an Tuning- und Ersatzteilen für Roller und entwickelten erste eigene Spezialteile, die sie an Freunde und Bekannte verteilten. Im Sommer 1994 entschlossen sich die beiden, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen.
Das 35 Quadratmeter große Kellerladenlokal in Kaufering wurde schnell zu eng, und 1996 mieteten die Jungunternehmer größere Räumlichkeiten im ehemaligen Unteroffiziersheim der aufgelösten Ritter-von-Leeb-Kaserne in Landsberg an. Der SIP Scootershop stellte jedes Jahr einen deutschen und englischen MailorderKatalog zusammen, doch Alexander Barth und Ralf Jodl setzen auch schnell auf das Internet. „Das war das Tor in die Welt“, sagt Ralf Jodl heute. Im Jahr 1998 entstand die erste Webseite mit einem ersten Webshop. Im Frühjahr 2016 folgte der bislang letzte Umzug ins neue Gebäude im Frauenwald. SIP Scootershop hat dort mehr als viermal so viel Platz wie am alten Standort und einen 300 Quadratmeter großen Verkaufsbereich mit einer italienischen Bar/Pizzeria namens Siperia. Aktuell hat die Firma über 150 Mitarbeiter.
Der SIP Scootershop gehört zu den führenden Mailordershops für Motorrollerzubehör, Tuning und Ersatzteile weltweit. Im Angebot sind Teile für praktisch alle Fahrzeugmodelle der wichtigen Herches steller wie Piaggio, Vespa oder Lambretta. Teile für rund 2500 unterschiedliche Roller-Fabrikate lagern in Landsberg. Im Verkaufsladen gibt es aber auch ein umfangreiches Angebot an Helmen, Handschuhen, Kleidung, Visieren, Motorradbrillen sowie jede Menge Bücher und Accessoires rund um den Motorroller. Im Webshop sind an die 60.000 Produkte online. Er ist mittlerweile in 14 Sprachen verfügbar, zuletzt kamen Chinesisch, Indonesisch, Türkisch und Dänisch dazu. Rund 60 Prozent der Waren gehen in den Export, und in Asien wächst der Markt rasant.
Der Kundenservice ist den Firmengründern wichtig. „Von Rollerfahrern für Rollerfahrer“lautet das Motto. „Egal, ob online, am Telefon oder vor Ort, wir müssen dem Kunden klar machen, wel
Teil das richtige für ihn ist“, sagt Alexander Barth. Doch das Unternehmen handelt nicht nur, die firmeneigene Entwicklungsabteilung mit Ingenieur und Techniker hat mehr als 2400 Eigenprodukte selbst hergestellt.
Die Kunden honorieren das, weltweit. Und sie pilgern nach Landsberg, nicht nur bei Events wie dem Open Day mit über 4000 Besucherinnen und Besuchern oder dem SIP Tacho Karacho, einem Beschleunigungsrennen auf einer 150 Meter langen Rennstrecke direkt vor den Toren des SIP Scootershop auf einer abgesperrten öffentlichen Straße. Nein, beinahe täglich besuchen Rollerfahrende aus der ganzen Welt das Unternehmen. Zuletzt Fahad Almutawa, der 38-jährige Präsident des Vespa-Clubs Kuwait, der sich auf eine Tour von Kuwait City nach Deutschland gemacht hatte – auf seiner gelben Vespa GTS 300. Und warum machte er in Landsberg Station? „Ich wollte den Ort besuchen, der als Herzkammer für Vespa-Enthusiasten weltweit gilt.“
Doch was macht das Vespa-Lebensgefühl aus? „Die Vespa war für mich eine Art Ticket in die Freiheit“, sagt Alexander Barth heute. Mit dem Roller ging es in jungen Jahren nicht nur an den Ammersee oder zum Eisessen an den Lech in Landsberg, sondern bald auch über die Alpen nach Italien. Ein Roller, speziell die Vespa, ist ein Sympathieträger, sagt Ralf Jodl. „Der Einstieg ist leicht – sprichwörtlich.“Und: Kein Roller gleicht dem anderen. Der Hang zur Individualisierung spielte dem SIP Scootershop in die Hände. Ein spezieller Blinker hier, ein farbiger Spiegel dort, wer Vespa fährt, möchte aus der Masse herausstechen.
In der Chronik des Unternehmens erinnern sich Alexander Barth und Ralf Jodl an anstrengende Momente, als sie nachts in der kalten ehemaligen Kaserne mit Jacke und Handschuhen vor der Tastatur saßen und sich Beschreibungstexte für den nächsten Katalog ausdachten, aber auch an Momente größten Glücks, etwa auf Road-Trips mit Freunden, als sie nach 1000 Kilometern Fahrt, mit Straßendreck im Gesicht, am Meer ankamen und mit einem eiskalten Bier anstießen.
Solche Fahrten unternehmen die beiden Familienväter noch heute. Zuletzt, nur wenige Tage vor dem Open Day, an dem das 30-jährige Bestehen groß gefeiert wurde, waren Barth und Jodl auf Elba unterwegs, um mit Mitarbeitenden und Freunden das Lebensgefühl Vespa auszukosten. „Du kommst mit dem Roller überallhin und sofort auch ins Gespräch“, sagt Ralf Jodl über diese Fahrten. Der Trip auf die Insel Elba werde deswegen bestimmt nicht der letzte sein.