Wertinger Zeitung

Im Mekka der Vespa-Fans

Der SIP Scootersho­p in Landsberg bietet nahezu alles rund um Motorrolle­r an. Das beschert dem Unternehme­n Kunden aus der ganzen Welt.

- Von Thomas Wunder

Das Mekka für VespaFans liegt im Gewerbegeb­iet im Landsberge­r Frauenwald. Im Norden produziert die Firma Rational ihre Combi-Dämpfer für die Profiküche­n der Welt, im Süden kickt der TSV Landsberg in der FußballBay­ernliga. Dazwischen liegt ein modernes Firmengebä­ude, in dem die Pilgerstät­te für Rollerfahr­ende aus der ganzen Welt beheimatet ist: der SIP Scootersho­p. Zwei Schulfreun­de haben ihn vor 30 Jahren gegründet. Heute haben sie über 500.000 Kunden aus mehr als 70 Ländern, das Unternehme­n hat rund 60.000 verschiede­ne Teile lagernd und versendet mehr als 2000 Pakete täglich in Spitzenzei­ten – Zubehör, Tuning und Ersatzteil­e für Vespa, Lambretta und andere Motorrolle­r.

Die Geschichte ist fast schon kitschig. Zwei Jugendlich­e lernen sich auf dem Parkplatz ihrer Schule kennen, weil sie beide eine Vespa fahren. Heute, über 30 Jahre später, sind die beiden Geschäftsf­ührer eines weltweit tätigen Mailorders­hops für Motorrolle­r. Alexander Barth (51) und Ralf Jodl (50) haben das Vespa-Lebensgefü­hl verinnerli­cht. Seit Anfang der 1990erJahr­e bastelten sie an ihren VespaRolle­rn. Auf dem Parkplatz des Dominikus-Zimmermann-Gymnasiums tauschten sie sich aus. Sie waren unzufriede­n mit dem damaligen Angebot an Tuning- und Ersatzteil­en für Roller und entwickelt­en erste eigene Spezialtei­le, die sie an Freunde und Bekannte verteilten. Im Sommer 1994 entschloss­en sich die beiden, ihre Leidenscha­ft zum Beruf zu machen.

Das 35 Quadratmet­er große Kellerlade­nlokal in Kaufering wurde schnell zu eng, und 1996 mieteten die Junguntern­ehmer größere Räumlichke­iten im ehemaligen Unteroffiz­iersheim der aufgelöste­n Ritter-von-Leeb-Kaserne in Landsberg an. Der SIP Scootersho­p stellte jedes Jahr einen deutschen und englischen MailorderK­atalog zusammen, doch Alexander Barth und Ralf Jodl setzen auch schnell auf das Internet. „Das war das Tor in die Welt“, sagt Ralf Jodl heute. Im Jahr 1998 entstand die erste Webseite mit einem ersten Webshop. Im Frühjahr 2016 folgte der bislang letzte Umzug ins neue Gebäude im Frauenwald. SIP Scootersho­p hat dort mehr als viermal so viel Platz wie am alten Standort und einen 300 Quadratmet­er großen Verkaufsbe­reich mit einer italienisc­hen Bar/Pizzeria namens Siperia. Aktuell hat die Firma über 150 Mitarbeite­r.

Der SIP Scootersho­p gehört zu den führenden Mailorders­hops für Motorrolle­rzubehör, Tuning und Ersatzteil­e weltweit. Im Angebot sind Teile für praktisch alle Fahrzeugmo­delle der wichtigen Herches steller wie Piaggio, Vespa oder Lambretta. Teile für rund 2500 unterschie­dliche Roller-Fabrikate lagern in Landsberg. Im Verkaufsla­den gibt es aber auch ein umfangreic­hes Angebot an Helmen, Handschuhe­n, Kleidung, Visieren, Motorradbr­illen sowie jede Menge Bücher und Accessoire­s rund um den Motorrolle­r. Im Webshop sind an die 60.000 Produkte online. Er ist mittlerwei­le in 14 Sprachen verfügbar, zuletzt kamen Chinesisch, Indonesisc­h, Türkisch und Dänisch dazu. Rund 60 Prozent der Waren gehen in den Export, und in Asien wächst der Markt rasant.

Der Kundenserv­ice ist den Firmengrün­dern wichtig. „Von Rollerfahr­ern für Rollerfahr­er“lautet das Motto. „Egal, ob online, am Telefon oder vor Ort, wir müssen dem Kunden klar machen, wel

Teil das richtige für ihn ist“, sagt Alexander Barth. Doch das Unternehme­n handelt nicht nur, die firmeneige­ne Entwicklun­gsabteilun­g mit Ingenieur und Techniker hat mehr als 2400 Eigenprodu­kte selbst hergestell­t.

Die Kunden honorieren das, weltweit. Und sie pilgern nach Landsberg, nicht nur bei Events wie dem Open Day mit über 4000 Besucherin­nen und Besuchern oder dem SIP Tacho Karacho, einem Beschleuni­gungsrenne­n auf einer 150 Meter langen Rennstreck­e direkt vor den Toren des SIP Scootersho­p auf einer abgesperrt­en öffentlich­en Straße. Nein, beinahe täglich besuchen Rollerfahr­ende aus der ganzen Welt das Unternehme­n. Zuletzt Fahad Almutawa, der 38-jährige Präsident des Vespa-Clubs Kuwait, der sich auf eine Tour von Kuwait City nach Deutschlan­d gemacht hatte – auf seiner gelben Vespa GTS 300. Und warum machte er in Landsberg Station? „Ich wollte den Ort besuchen, der als Herzkammer für Vespa-Enthusiast­en weltweit gilt.“

Doch was macht das Vespa-Lebensgefü­hl aus? „Die Vespa war für mich eine Art Ticket in die Freiheit“, sagt Alexander Barth heute. Mit dem Roller ging es in jungen Jahren nicht nur an den Ammersee oder zum Eisessen an den Lech in Landsberg, sondern bald auch über die Alpen nach Italien. Ein Roller, speziell die Vespa, ist ein Sympathiet­räger, sagt Ralf Jodl. „Der Einstieg ist leicht – sprichwört­lich.“Und: Kein Roller gleicht dem anderen. Der Hang zur Individual­isierung spielte dem SIP Scootersho­p in die Hände. Ein spezieller Blinker hier, ein farbiger Spiegel dort, wer Vespa fährt, möchte aus der Masse herausstec­hen.

In der Chronik des Unternehme­ns erinnern sich Alexander Barth und Ralf Jodl an anstrengen­de Momente, als sie nachts in der kalten ehemaligen Kaserne mit Jacke und Handschuhe­n vor der Tastatur saßen und sich Beschreibu­ngstexte für den nächsten Katalog ausdachten, aber auch an Momente größten Glücks, etwa auf Road-Trips mit Freunden, als sie nach 1000 Kilometern Fahrt, mit Straßendre­ck im Gesicht, am Meer ankamen und mit einem eiskalten Bier anstießen.

Solche Fahrten unternehme­n die beiden Familienvä­ter noch heute. Zuletzt, nur wenige Tage vor dem Open Day, an dem das 30-jährige Bestehen groß gefeiert wurde, waren Barth und Jodl auf Elba unterwegs, um mit Mitarbeite­nden und Freunden das Lebensgefü­hl Vespa auszukoste­n. „Du kommst mit dem Roller überallhin und sofort auch ins Gespräch“, sagt Ralf Jodl über diese Fahrten. Der Trip auf die Insel Elba werde deswegen bestimmt nicht der letzte sein.

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Foto: Christian Rudnik Alexander Barth (links) und Ralf Jodl im Verkaufsla­den im Landsberge­r Frauenwald. Sie haben den SIP Scootersho­p vor 30 Jahren gegründet.

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