Das Scheitern der Super League ist eine Großchance
Jahrzehntelang ließ sich der Europäische Fußball-Verband Uefa mit der Drohkulisse einer Elite-Liga erpressen. Deren Ende könnte nun alles ändern
Hinter dem Profi-Fußball liegt die irrste, aufreibendste und vermutlich prägendste Woche seiner jüngeren Geschichte. In der Nacht auf Montag hatte eine Gruppe aus zwölf Top-Klubs aus Spanien, Italien und England unter Führung von Real Madrid und Juventus Turin bekannt gegeben, eine geschlossene Elite-Liga zu gründen und damit faktisch die Champions League, das Produkt des europäischen Verbands Uefa, zerstören zu wollen. Finanziert werden sollte das von der US-Bank JP Morgan. Das Kredithaus war bereit, 3,5 Milliarden Euro alleine in die Anschubfinanzierung des Wettbewerbs zu stecken.
Dass das großspurig angekündigte Projekt gerade mal 48 Stunden nach seiner Ankündigung wieder eingestampft werden musste, lag an der gerade sensationell dilettantischen Vorgehensweise der Vereine, die daran beteiligt waren: Sie schienen weder den Ärger der Fans noch den Unmut von Spielern und Trainern auf dem Plan gehabt zu haben. Vor allem in England, wo gleich sechs Vereine beteiligt gewesen wären, war der Aufschrei groß: Fans demonstrierten und zerrten die Fahnen aus den Stadien, selbst Premier Boris Johnson kündigte rechtliche Schritte gegen die Super League an.
Die Raubkatze Super League endete als Stubentiger: Letztlich gaben alle Klubs ihren Rückzug bekannt und baten ihre Fans kleinlaut um Verzeihung – eine Bauchlandung erster Klasse.
Was bleibt, ist zum einen ein riesiger Image-Schaden bei den beteiligten Vereinen. Das Vertrauen der Fans wieder zurückzugewinnen, wird dauern. Absurd scheint es auch, mit welcher Dreistigkeit Florentino Pérez, Präsident von Real Madrid, die Einführung der Ego-Liga rechtfertigen wollte: ausschließlich mit Geld. Sein Klub brauche noch mehr davon als ohnehin schon, um überleben zu können. Dass das Defizit von Klubs wie Real, Barcelona oder Turin darauf zurückzuführen ist, dass seit Jahren über die eigenen Verhältnisse gelebt wird und weniger an den Einnahmen (die sind auch jetzt schon monströs), scheint in der Logik von Pérez keine Erklärung für die gigantischen Schuldenberge zu sein.
Die Super League ist tot und angesichts der Wucht ihres Scheiterns
wird sich so schnell kein Klub mehr daran wagen – doch ist jetzt alles gut? Mitnichten.
Die Uefa hat am Montag eine Reform der Champions League beschlossen, die als direkte Reaktion auf den Druck zu verstehen ist, den die Großklubs über Jahrzehnte hinweg auf sie ausgeübt haben: Ab 2024 soll es 100 zusätzliche Spiele in der Königsklasse – und damit viel mehr Einnahmen – geben. Die Uefa hat über Jahrzehnte das Geld in
Richtung der großen Klubs gelenkt, die sie teils unverhohlen mit der Gründung einer eigenen Super League erpresst haben. Schon der Start der Champions League im Jahr 1992 war eine Reaktion darauf. Die Königsklasse hat dem Vereinsfußball seinen reizvollsten Wettbewerb beschert, aber auch die ganz große Gier losgetreten. Dass die Uefa um ein Haar ein Opfer dieses unstillbaren Hungers wurde, hat dabei eine ironische Note.
Das Wegfallen des Druckmittels Super League könnte aber eine echte Revolution in Europas ProfiFußball bewirken: Weg mit der Aufblähung der Champions League, weg vom Schneller-höher-mehrDenken. Hin zu einer gerechten Geldverteilung, hin zu einer Stärkung der kleineren Klubs. Die TopKlubs stehen nun ohne eine Drohkulisse da – und haben ebenso wie die Uefa gemerkt, welche Kraft der gebündelte Widerstand der Fans entfalten kann. Die Stimmung unter den Anhängern ist klar: jetzt oder nie. Fan-Netzwerk „Football Supporters Europe“schrieb: „Der wahre Kampf beginnt jetzt.“
Die Fans haben gesehen, welche Macht sie haben