Die Krise beflügelt die Erotik-Industrie
Lea-Sophie Cramer hat mit dem Erotik-Händler Amorelie ein Unternehmen gegründet, das eine Branche revolutioniert hat und für viele das Liebesleben bereichert
Am Ende war es doch gut, dass sie nicht auf ihre Großmutter gehört hat. Als Lea-Sophie Cramer, 33, an einem Weihnachtstag ihrer Familie vom Plan berichtet, einen Online-Erotikhändler zu gründen, stößt dies nicht auf ungeteilte Begeisterung. Die Oma wendet ein, ob sie nicht auch etwas anderes verkaufen könnte. Haustiere habe die Enkelin früher sehr spannend gefunden, da könne sie ja Haustierfutter verkaufen. Letztlich hält die Familie Lea-Sophie Cramer nicht auf, sagte sie kürzlich. Im Jahr 2013 gründet die Berlinerin mit Sebastian Pollok Amorelie. Damit hat sie eine Branche revolutioniert und dem Liebesleben vieler Deutscher neuen Schwung gegeben.
Trotz Marken wie Beate Uhse war der Handel mit Erotikspielzeug lange eher mit einem Schmuddel-Image behaftet, fast ein Tabu. Mit Amorelie hat sich dies geändert. Es ist gelungen, ein Liftstyle-Thema daraus zu machen. „Ich und mein Mitgründer haben uns gefragt, wie wir selbst gerne einkaufen und informiert werden wollen: In einem stilvollen OnlineShop für das Liebesleben“, verriet sie im Interview mit der Uni Mannheim, wo sie studiert hat.
Amorelie präsentiert knuffige, bunte Sextoys, wo es früher seltsame hautfarbene Produkte gab. Cramers Strategie ist es, Frauen stärker anzusprechen. Davor galten eher Männer als Zielgruppe, erklärte sie. Das Unternehmen startet durch, beschäftigt heute 140 Mitarbeiter, ist international aktiv. In der Corona-Krise erleben Erotikspielzeuge einen Boom. Das berichteten unlängst mehrere Händler.
Ohne Plattformen wie Amorelie wäre dies nicht möglich gewesen. Studiert hat Lea-Sophie Cramer BWL, danach fängt sie als Beraterin bei der Boston Consulting Group an. Sie kündigt noch in der Probezeit, um zur Internet-Schmiede Rocket Internet von Oliver Samwer zu wechseln. Dort baut sie in Japan die Rabatt-Plattform Groupon für Asien auf. Auf der Suche nach einem Geschäftsmodell für ein eigenes Unternehmen entdecken die Gründer am Ende Erotikspielzeug als Produkt für einen Online-Handel.
Als Kind, sagte Cramer, sei sie sehr schüchtern gewesen, habe sich nicht getraut, alleine ein Getränk zu bestellen. Heute will sie Frauen Mut machen, Gründerinnen zu werden.
Bisher seien nur rund 15 Prozent der Gründer in der Start-up-Szene weiblich. Die 33-Jährige ist verheiratet, hat zwei Kinder. Eine Firma zu führen, war als junge Mutter ein Kraftakt. Verzichten wollte sie darauf nicht und nahm den Nachwuchs auch mit in den Betrieb. Manchmal habe sie dann während einer Besprechung hinter dem Paravent gestillt. Inzwischen haben die Gründer Amorelie an verkauft, Ende 2019 zog sich Cramer als Managerin zurück. Sie investiert heute in Start-ups und schließt eine neue Gründung nicht aus.
Ihre Mutter habe ihr an jenem Weihnachtstag übrigens ihr Okay gegeben, falls es ihr nicht nur darum geht, Geld zu verdienen, sondern wenn sie auch gesellschaftlich etwas bewegen will, sagte Lea-Sophie Cramer. Das ist ihr gelungen.