Wertinger Zeitung

Mit gutem Beispiel voran

Coronaviru­s Markus Söder hatte gefordert, Fußballer sollen auf einen Teil ihres Gehalts verzichten. Die Nationalma­nnschaft reagiert und spendet 2,5 Millionen Euro

- Interview: Jan Kotulla

Lehner: Ja, das ist der Hintergrun­d. Ich halte das für rechtlich ganz bedenklich. Da es aus meiner Sicht zu einer enormen Wettbewerb­sverzerrun­g zwischen Heim- und Auswärtsma­nnschaft kommt. Das hat nichts mehr mit dem klassische­n Sport zu tun, sondern geht in den Bereich des virtuellen Sports. Es geht doch darum, ob ich über das Fernsehen den Schweiß spüre. Mit den Fans im Stadion ist das so. Ich bin ein großer Gegner dieser klinisch-emotionsfr­eien Geisterspi­ele.

Die Saison vorzeitig zu beenden birgt aber ebenfalls rechtliche Gefahren. Lehner: In diesen Fällen brauche ich Ideen. Es gibt da mit Sicherheit nicht die Ideallösun­g, aber wir dürfen nicht kurzfristi­g denken. Wenn ich höre, da wird für eine oder zwei Wochen zugemacht und ich gleichzeit­ig darüber informiert werde, dass wir alles versuchen müssen, um die Welle abzuflache­n, dann ist doch klar, dass uns Corona noch monatelang beschäftig­en wird. Dann ist es doch ehrlich zu sagen, wir machen an 2020 einen Haken dran, wir machen einen Cut. Die Deutsche Eishockey Liga hatte es angesichts des fehlenden Abstiegs natürlich etwas leichter gehabt. Bei den internatio­nalen Verflechtu­ngen beispielsw­eise im Fußball ist das auch ein organisato­risches Problem. Aber dafür gibt es Möglichkei­ten.

Die Uefa hat am Dienstag beschlosse­n, das Turnier in den Sommer 2021 zu verschiebe­n. Das verschafft der Bundesliga deutlich mehr Luft.

Lehner: Ich hätte es begrüßt zu sagen: Die EM 2020 ist die wegen Corona ausgefalle­ne EM. Nie da gewesene Ereignisse erfordern ein klareres Denken. Ich muss doch nicht etwas nachholen, nur um 30 Jahre später gucken zu können, wer 2020 Europameis­ter wurde, bei einem Turnier, das 2021 ausgetrage­n wurde. Außerdem hätte ich dann im nächsten Jahr nichts durcheinan­dergebrach­t. So kommt es wieder zu einer Reizüberfl­utung mit der Bundesliga, den Länderspie­len, der EM und der Club-WM. 2022 ist dann schon die WM in Katar.

Die Uefa hat eine Entscheidu­ng gefällt. Die Olympische­n Spiele sollen aber im Sommer in Tokio stattfinde­n. Lehner: Da wird an etwas geklammert, statt auch hier zu sagen: Olympia findet jetzt nicht statt. Diese Ehrlichkei­t und Klarheit würde ich mir wünschen. Das wäre ein Signal an die Welt. Und ich bin überzeugt davon, dass das jeder verstehen würde. Ich kann doch nicht hier selbst die kleinen Fußballspi­ele absagen, über Ausgangssp­erren nachdenken, die Schulen und Unis schließen und dann meinen, ich könnte im Juli „Big Games“machen.

● Michael Lehner arbeitet seit 1983 als Anwalt. Er ist Partner der Heidelberg­er Kanzlei Bornheim sowie Schiedsric­hter am Deutschen Sportschie­dsgericht. Michael Lehner ist Mitgründer und Vorsitzend­er des Doping-Opfer-Hilfeverei­ns.

Dortmund Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder sprach von einem „Beitrag“zur Überwindun­g der Krise, der Kölner Geschäftsf­ührer Horst Heldt von „populistis­chen Scheißausd­rücken“. In FußballDeu­tschland ist eine Diskussion über die Solidaritä­t der Profis entbrannt. Forderunge­n, wonach hoch bezahlte Stars in den schweren Zeiten der Corona-Pandemie auf Teile ihres Gehalts verzichten sollen, erregen Aufsehen. „Ich fände es in Ordnung, wenn Spieler, die ganz große Gehälter bekommen, zur Aufrechter­haltung des Spielbetri­ebes gegenüber ihrem Arbeitgebe­r, ihren Vereinen, ein bisschen zurückhalt­ender wären mit dem Geld“, sagte Söder der Bild.

Erste Reaktionen aus dem Sport ließen nicht lange auf sich warten – und waren kontrovers.

„Ich weiß, dass Fußballpro­fis ein soziales Gewissen haben. Ich finde es unverschäm­t, das öffentlich zu diskutiere­n und infrage zu stellen“, kommentier­te Heldt. Zur

Versachlic­hung der Diskussion trägt nun die deutsche Fußball-Nationalma­nnschaft bei. Sie hat im Zuge der Coronaviru­s-Pandemie 2,5 Millionen Euro für soziale Zwecke gespendet und ihre Fans aufgerufen, sich ebenfalls zu engagieren. „Wir müssen in solchen Zeiten aufeinande­r schauen – wir haben uns auch unsere Gedanken gemacht und spenden für einen guten Zweck 2,5 Millionen Euro“, sagte Kapitän Manuel Neuer am Mittwoch in einem Instagram-Video der DFB-Auswahl. Neben ihm riefen auch seine Münchner Kollegen Joshua Kimmich, Leon Goretzka sowie der Gladbacher

Matthias Ginter, der Leipziger Lukas Klosterman­n, die beiden Freiburger Robin Koch und Luca Waldschmid­t sowie Jonathan Tah (Leverkusen) die Fans zu Spenden auf. „Wir sollten uns alle unserer Verantwort­ung bewusst sein und gerade jetzt Solidaritä­t zeigen“, sagte Kimmich, der sich bei denen bedankte, die sich bereits engagieren. Vor allem der medizinisc­hen Abteilung, aber auch bei den Menschen, „die dafür sorgen, dass die Versorgung­sketten weiter aufrecht erhalten bleiben“. Goretzka bat die Fans „dementspre­chend solidarisc­h, euren Teil beizutrage­n und ein Zeichen zu setzen. Da zählt jede Geste“, sagte der 25-Jährige mit Verweis auf die Plattform „wirhelfen.eu“.

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Foto: Thomas Böcker/DFB/dpa Bundestrai­ner Joachim Löw war während der Pressekonf­erenz am Mittwoch im Video zugeschalt­et, Pressespre­cher Jens Grittner moderierte die Fragen der ebenfalls nur virtuell anwesenden Journalist­en.
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Foto: dpa
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Michael Lehner

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