„Der Imageschaden ist nun besonders hoch“
Interview Energie-Expertin Claudia Kemfert kritisiert die Politik von Siemens-Chef Joe Kaeser
Wie schnell kann Deutschland aus der Kohle-Energie aussteigen?
Claudia Kemfert: Je schneller wir die erneuerbaren Energien ausbauen, desto eher können wir aus der Kohle raus. Wir könnten bis 2030 aus der Kohle raus sein, wenn man das Ausbautempo erneuerbarer Energien mindestens verdreifacht. Derzeit bremst die Politik den Ausbau sowohl von Wind- als auch Solarenergie aus. Wir laufen sehenden Auges in eine Versorgungslücke, wenn wir nicht schnell gegensteuern.
Sind die Aktivisten von Fridays for Future zu ungeduldig?
Kemfert: Nein, sie sind realistisch. Wenn wir die Klimaziele von Paris erreichen wollen, müssten wir sogar noch schneller aus der Kohle aussteigen, und nicht in Gas, sondern in eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien einsteigen.
Lässt sich die Bundesregierung dann zu viel Zeit beim Kohleausstieg? Kemfert: Eindeutig ja. Wir haben schon über ein Jahrzehnt mit Untätigkeit verloren, uns läuft die Zeit davon. Jetzt gilt es schnell umzusteuern.
Wie muss sich der Siemens-Konzern beim Kohleausstieg aufstellen? Kemfert: Siemens hat die besten Ausgangsvoraussetzungen, die komplette Bandbreite der Energiewende und Klimaschutz-Technologien anzubieten, angefangen von erneuerbaren Energien, Energieeffizienz, klimaschonenden Technologien für den Verkehrsbereich, Stromherstellung oder Gebäudeenergie bis hin zur vollen Digitalisierung. Dadurch ergeben sich riesige Marktchancen, die durch mehr Konsequenz viel besser genutzt werden könnten.
Hat Siemens-Chef Joe Kaeser einen Fehler begangen, indem er an der Zulieferung für das australische MinenProjekt festhält?
Kemfert: Absolut. Siemens sollte sehr viel stärker die Risiken fossiler Energien in jegliche Unternehmensentscheidungen einbeziehen, dies ist bisher in unzureichendem Maße passiert. Der Konzern verliert seine
Glaubwürdigkeit, wenn er einerseits ankündigt sich für den Klimaschutz einzusetzen und andererseits fossile Projekte unterstützt. Der Imageschaden für den Konzern ist nun besonders hoch und hätte vermieden werden können. Siemens sollte daraus lernen und zukünftig die wahren Kosten der Klima- und Umweltschäden in jegliche Unternehmensentscheidungen und Kalkulationen einbeziehen.