Wertinger Zeitung

Was für ein Moment

Mein Moment Das Ehepaar Schneider aus Kicklingen war zwei Wochen weg. Was der ehemalige Wertinger Bauhofleit­er und seine Frau bei ihrer Rückkehr erlebt haben, rührt sie bis heute

- VON CORDULA HOMANN

Familie Schneider kommt nach zwei Wochen von der Reha zurück nach Kicklingen. In der Zwischenze­it waren daheim ganz viele Helfer sehr, sehr fleißig.

Kicklingen „Mein Mann dachte, wir sind im falschen Haus“, sagt Thea Schneider und strahlt über das ganze Gesicht. Was ihre Familie ihr und ihrem Ehemann Helmut beschert hat, war „so ein wunderbare­s Erlebnis. Ich habe damals eine Stunde lang geweint“.

Helmut Schneider, 63 Jahre alt, ist seit fast sechs Jahren schwer krank. Er hat ein Glioblasto­m, einen bösartigen Gehirntumo­r. „Damals hat man ein MRT gemacht und einen 5,8 Zentimeter großen Tumor entdeckt. Mein Mann wurde operiert“, erzählt Thea Schneider. „Dann hieß es, er habe eine Lebenserwa­rtung von ein paar Monaten.“Seit der Diagnose ist die Familie für jeden gemeinsame­n Tag unendlich dankbar, sagt Thea Schneider. „Wir sind noch enger zusammenge­wachsen.“Seit 1981 lebt das Paar im eigenen Haus in Kicklingen. Sohn Bernd hat mit Frau Ann-Katrin inzwischen ein Eigenheim in Kicklingen, Tochter Christina lebt mit Ehemann Stefan Geier und den beiden Söhnen in Fristingen. Die jüngste der drei Kinder, Tochter Carina, wohnt noch mit im Haus. Für Thea Schneider ist die Familie aber viel größer. „Die Kinder haben ja auch so liebe Schwiegerl­eut’“, schwärmt sie.

Helmut Schneider leitete jahrelang den Bauhof der Stadt Wertingen. Er war handwerkli­ch begabt und liebte seine Arbeit. Die Verbindung zu den Kollegen muss eng gewesen sein, noch heute schauen sie bei den Schneiders regelmäßig vorbei. Und in der Küche hängt ein großes Bild. Darauf stehen alle Mitarbeite­r der Stadt samt Bürgermeis­ter Willy Lehmeier und halten große Buchstaben hoch. Darauf steht „Du schaffst das Helmut“. Viele kennen den Kicklinger auch, weil er jahrelang Jagdpächte­r war. Dutzende Genesungsb­riefe seien eingegange­n, als er erkrankte.

Früher, da habe Helmut viel zuhause gewerkelt, erzählt seine Frau. Doch mit der Erkrankung war Schluss. Der 63-Jährige kann sich einigermaß­en selbst versorgen, aber körperlich arbeiten geht nicht mehr. Und das Zuschauen falle ihm schwer. Dabei hat er immer Pläne. Vor allem der Wintergart­en sollte nach 20 Jahren saniert werden. Erst im Frühjahr 2019 hatte die ganze Familie gemeinsam das Bad gerichtet. „Wenn etwas zu machen ist, packen alle mit an“, erklärt Thea Schneider stolz. Alle seien handwerkli­ch begabt.

Im Oktober dieses Jahres dann war das Ehepaar auf Reha. Dennoch wunderte sich die 60-Jährige überhaupt nicht, dass keines der drei Kinder während der Reha zu Besuch kam. Stattdesse­n riefen die drei Erwachsene­n regelmäßig ihre Eltern auf der Kur an und hatten allerlei

Ausreden parat, warum es einfach nicht klappen wollte. „Kein Problem“, sagte Thea Schneider. Die 60-Jährige, so scheint es, ruht in sich. Sie strahlt die Dankbarkei­t aus, die sie empfindet und ist glücklich über die vielen netten Begegnunge­n. Erst im Sommer waren alle miteinande­r samt Dackelmisc­hling Emmi in den Urlaub nach Sonthofen gefahren. Die Kinder, sagt sie gerührt, tragen einen auch.

Doch wenn Thea Schneider erzählt, was ihre Lieben im Oktober bewerkstel­ligt haben, bekommt sie glasige Augen. „Wir kamen heim und alle haben uns im Wohnzimmer empfangen – wir haben uns gar nichts dabei gedacht. Es war einfach schön“, erinnert sich die 60-Jährige. Doch dann trat die Gesellscha­ft einen Schritt zurück und das Paar entdeckte: „Die haben den ganzen Wintergart­en gerichtet!“Eine neue Fußbodenhe­izung, neue Polster, das Holz geschliffe­n, liebevoll dekoriert – der ganze Raum strahlte in einem neuen Glanz. „Das war mit der schönste Augenblick überhaupt“, sagt Thea Schneider, immer noch etwas atemlos.

Alle hätten 14 Tage lang bis teils tief in die Nacht mitangepac­kt, geschraubt, genäht, gemacht, getan – bis einen Tag vor Ankunft der Eltern. „Die Kinder, ihre Schwiegere­ltern, seine Schwester Hilde Bucher, meine Schwester Clara Mayr, ihr Sohn Joachim, Bärbel und Rudi Geier – alle waren daran beteiligt“, zählt Thea Schneider begeistert auf. Ihr Neffe Joachim Mayr hatte die Fußbodenhe­izung verlegt und mit seiner Mutter die große Eckbank bezogen. Handwerker seien spontan eingesprun­gen, Freunde der Kinder hätten sich eingebrach­t. Und dann haben die vielen Helfer auch noch das ganze Haus geputzt, erzählt die 60-Jährige – der Staub von Schleifarb­eiten und Co. sei überall gewesen. Den schwersten Job hatten aber vermutlich die beiden Enkel Lukas, sechs Jahre, und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Jonas – denn die beiden durften Oma und Opa ja auf keinen Fall verraten, was während der Kur zuhause in Kicklingen alles vor sich ging. Die viele Arbeit sieht man: Passend zum ehemaligen Hobby des Vaters sind die Stoffe mit kleinen Hirschen verziert, gibt es Kissen mit Wildschwei­nfell. Die mehr als 40 Jahre alte Bank wurde aufgepolst­ert. Viele kleine Lichter, silberne und grüne Dekoelemen­te und ganz viel Holz geben dem Raum Wärme. Über dem großen Tisch hängt eine markante silberne Lampe, die ebenfalls warmes Licht ausstrahlt. An der Wand hängen ein Geweih und Bilder von der ganzen Familie. „Der Wintergart­en strahlt in neuem Glanz“, sagt Thea Schneider mit strahlende­n Augen.

Oft sitzt sie auf der Liege, schaut durch die großen Fenster nach draußen und genießt. Lange hat sie dabei darüber nachgedach­t, ob sie im Rahmen der Aktion „Mein Moment“die Zeitung anrufen soll. Warum sie das dann doch gemacht hat? „Wir sind so unendlich dankbar und möchten uns bei allen ganz herzlich bedanken, die mitangepac­kt haben.“

 ?? Fotos: Cordula Homann ?? Helmut und Thea Schneider sind überglückl­ich: Während die beiden auf Reha waren, hat die ganze Familie mit Bekannten, Freunden und Handwerker­n zusammen den Wintergart­en erneuert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Fotos: Cordula Homann Helmut und Thea Schneider sind überglückl­ich: Während die beiden auf Reha waren, hat die ganze Familie mit Bekannten, Freunden und Handwerker­n zusammen den Wintergart­en erneuert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
 ??  ?? Auch Dackelmisc­hling Emmi findet das Ergebnis gelungen.
Auch Dackelmisc­hling Emmi findet das Ergebnis gelungen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany