„Es herrscht eine gesunde Rivalität“
Das Interview am Montag Interview Lothar Sigl spricht über das Verhältnis zwischen den Spitzenklubs AEV und FCA. Der Hauptgesellschafter der Panther erklärt zudem, wie planbar Profisport ist – und warum Eishockey in unserer Region so tief verwurzelt ist
Sie führen seit mehr als 30 Jahren die Profi-Abteilung des Augsburger EV. Kann der Chef Schlittschuhlaufen? Sigl: Ja. Zwar eher schlecht, aber von einer Bande zur anderen würde ich es schon ohne Verletzung schaffen. Wenn dann Schläger und Puck dazukämen, wäre es schwieriger.
Woher kommt bei Ihnen die Begeisterung für Eishockey?
Sigl: Das ging bei mir in der Schule schon los. Als Schüler des FuggerGymnasiums ist man ja nicht so weit vom Eisstadion entfernt. Ich habe, wie es jetzt immer noch viele Fans machen, fiktiv selbst die Mannschaft aufgestellt. Da spielten Mauer, Maus und Anwander noch für den AEV, also zu Beginn der 70er Jahre.
Als ein Konkursverwalter 1987 den klammen Augsburger EV am Leben erhalten hat, sind Sie vom Fan zum Klub-Mitarbeiter und später zum Hauptgesellschafter geworden. Wie ist das gekommen?
Sigl: 1987 hat sich eine Fan-Gruppe zusammengefunden und überlegt, wie man dem Klub helfen kann. Ein Konkursverwalter war am Werk, der ein Novum erfunden hat: nämlich den Spielbetrieb i. K., also im Konkurs, aufrechtzuerhalten. Die Rechnung ist aufgegangen. Man hat drei Saisonen lang gebraucht, um sich finanziell zu konsolidieren. Ich war nie einer der gewählten Funktionäre, sondern war als Sportmanager für die Trainer- und Spielerverpflichtungen zuständig.
Wie ging es mit der Gründung der Deutschen Eishockey-Liga 1994 für Sie weiter?
Sigl: Die DEL ist eine Betriebsgesellschaft, in der die BundesligaKlubs ihre Profimannschaften in Kapitalgesellschaften auslagerten. Alle GmbHs mussten damals eine Einlage in der DEL einbringen. Man hat das Modell entwickelt, um Stabilität in die Liga zu bekommen und damit der Breitensport gesichert ist. Denn wenn es bei den Vereinen geknallt hat, dann im Profibereich.
Dieses Modell war einzigartig im deutschen Profi-Sport, selbst im Fußball haben damals noch Vereine gespielt, und die Deutsche Fußball-Liga wurde erst im Jahr 2000 gegründet.
Sigl: Die DEL war der Vorreiter. Heute sind sehr viele Profisport-Ligen so organisiert. Es gibt keine Vereine mehr im Profisport. Die DFL wird auch als Gesellschaft betrieben.
Die DEL feiert in dieser Saison ihr 25-jähriges Jubiläum. War es im Rückblick die richtige Entscheidung? Sigl: Auf Vereinsbasis ist Profisport nicht mehr zu organisieren. Man Entscheidungen nicht mehr per Mitgliederversammlung durchführen, das würde zu lange dauern. Kurze Wege sind unabdingbar. In der DEL kann ein Umlaufbeschluss innerhalb von zwei bis drei Tagen entschieden sein.
Wenige Monate nach dem Start der DEL gingen die Maddogs München pleite, später erwischte es die Adler Kaufbeuren. Hatten Sie anfangs Bedenken, ob die Liga lange durchhält? Sigl: Einige DEL-Mitglieder waren noch nicht reif für dieses Konstrukt, haben als GmbH weiter gewirtschaftet wie als Klub und waren zu mutig. Das ging schief. Dieser Trend hat sich erledigt. Wir hatten seit vielen Jahren keinen Finanzskandal mehr in der DEL.
Bei der Gesamtvermarktung liegt zwischen Eishockey und Fußball nicht nur eine Liga. Ein DEL-Klub erhielt zuletzt etwa 200000 Euro TV-Geld pro Saison. Da lacht ein Fußball-Bundesligist doch darüber.
Sigl: Das sind ganz andere Dimensionen. Der FC Augsburg hatte meines Wissens in der vergangenen Saison über 42 Millionen an Fernsehgeldern.
Fühlt man sich da als Eishockey-Klub nicht krass benachteiligt?
Sigl: Nein. Fußball ist einfach eine andere Hausnummer. Man hat es bei der Handball-WM gesehen, zwei Wochen lang hat das Fernsehen groß und breit berichtet, aber jetzt ist der Handball wieder von der Bildfläche verschwunden. Fußball lässt wenig Raum für andere Sportarten.
Während der EHC München Red Bull im Rücken hat, kommt Augsburg seit Jahren ohne Hauptsponsor aus. Wie können die Panther mit den Großen mithalten?
Sigl: Man muss sich von dem, was richtig Geld kostet, und das sind teure Stars, verabschieden. Wir versuchen, mit einem vergleichsweise kleinen Budget klarzukommen. Wobei ich nicht über unsere Sponsorensituation jammere. Wir sind sehr breit mit bodenständigen, regionalen Partnern aufgestellt, die uns meist langfristig die Treue halten. Viele unserer Partner networken untereinander und gehen freundschaftlich miteinander um. Ich halte diese Konstellation sogar für eine unserer Stärken. Mit den großen Klubs, die fast mäzenatenartig geführt werden, können und wollen wir uns nicht vergleichen. Allerdings ist unser Vorteil, dass wir nicht von Einzelpersonen und deren Lau- nen oder wirtschaftlichen Situationen abhängig sind.
Ist Eishockey auch in Augsburg ein Zuschuss-Geschäft?
Sigl: Es gibt keinen Klub in der DEL, der sich auf lange Sicht selbst trägt. Die beiden geschäftsführenden Gesellschafter, Martin Horber und ich, sind ehrenamtlich für die Panther tätig und haben es bisher geschafft, ohne Crash durchzukommen.
Wie stark ist Augsburg von den Zuschauereinnahmen abhängig?
Sigl: Unser größtes Standbein sind inzwischen die Einnahmen durch Marketing und Sponsoring. Aber gleich dahinter folgen die Zuschauer-Einnahmen. Deshalb sind die Einnahmen vom Dauerkartenverkauf so wichtig, denn so können wir die Personalplanung für die nächste Saison frühzeitig in Angriff nehmen. Und: Wir müssen jetzt die Fundamente für die nächste Saison legen. Ich höre aus der Kabine nur positive Stimmen. Früher hat es Grüppchen gegeben: dort die Ausländer, da die Deutschen, hier die Jungen, da die Alten. Diesen Teamgeist kannst du dir nicht erkaufen. Auch deshalb haben wir schon mit 17 Spielern verlängert. Der Großteil der Fans erkennt den eingeschlagenen Weg an und geht diesen mit: Wir haben zum Abschluss des Aktionszeitraums trotz erforderlicher Preisanpassung Rekordzahlen im Verkauf der Dauerkarten erzielt und konnten eine dreistellige Zahl von neuen Dauerkarteninhabern gewinnen. Dafür sind wir dankbar und es zeigt, dass der Zusammenhalt nicht nur in der Mannschaft, sondern auch bei Fans und Sponsoren gelebt wird.
Kann ein Stinkstiefel im Team eine Mannschaft zerstören?
Sigl: Ja, das haben wir schon erlebt. So ein Spieler bringt schlechte Stimmung in die Kabine und nimmt die Motivation raus. Das passiert nicht über Nacht, aber ein Stinkstiefel kann ein funktionierendes Gebilde zum Wackeln bringen.
Inwieweit ist Profisport planbar? Sigl: In gewissem Maße ja, sofern man mit ausreichend finanziellen Mitteln eine Basis legen kann. Mit dem Geld, das uns zur Verfügung steht, kann man eine Mannschaft so planen, dass man nicht Letzter oder Vorletzter wird. Einen sechsten Tabellenplatz können wir nicht planen. Da greifen weiche Faktoren wie Kameradschaft und Gesundheit. Das Verhältnis innerhalb der Mannkann schaft oder zum Trainer muss passen. Die Wohnung muss okay und die Frau glücklich sein. Neid spielt auch eine Rolle, wenn man große Stars verpflichtet. Daher bemühen wir uns darum, das Gehaltsgefüge möglichst homogen zu halten.
Wo liegen die Unterschiede zwischen der Deutschen Eishockey-Liga und der Deutschen Fußball-Liga?
Sigl: Neben den riesigen Summen, die im Fußball unterwegs sind, ist es die 50+1-Regel in der DFL. Danach ist es Kapitalanlegern nicht möglich, die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften zu übernehmen. Das gibt es im Eishockey nicht. Die 50+1-Regel wird über kurz oder lang auch im Fußball fallen. Ansonsten sind das zwei verschiedene Größenordnungen. Wir müssen uns an Handball und Basketball orientieren. In den Hallensportarten liegt Eishockey in der Zuschauergunst meines Wissens immer noch vorne. Dort müssen wir arbeiten und diese Position weiter festigen.
Hat es die Sportart versäumt, die überraschende Silbermedaille von Pyeongchang auszuschlachten?
Sigl: Wir haben alles getan, was in unserer Macht gestanden ist. Aber ein Problem ist, dass der Spielbetrieb sofort weitergelaufen ist. Nach dem Medaillengewinn muss man die Spieler und den Trainer sehen. Mit Sturm hat das geklappt, der war vom Morgenmagazin bis Lanz überall vertreten. Ich finde jedoch, dass Eishockey im öffentlich-rechtlichen Fernsehen deutlich unterrepräsentiert ist. Man besitzt Zweitverwertungsrechte und könnte Kurzberichte ohne viel Aufwand übernehmen, aber die Bereitschaft ist nicht da, dem Eishockey fehlt die Lobby.
Ist in der Region Augsburg Platz für Erstligisten im Fußball mit dem FCA und Eishockey mit den Panthern? Sigl: Ich zähle zum Großraum Augsburg etwa eine halbe Million Menschen, da sollte Raum für zwei Erstligisten sein. Ich bin seit vielen Jahren FCA-Mitglied und weiß, wo der Klub herkommt. Es herrscht eine gesunde Rivalität. Klar ist für den Eishockey-Klub das Kuchenstück kleiner als für den Fußball-Bundesligisten. Bei den Sponsoren fischen wir teilweise im gleichen Teich. Aber wir müssen in diesem Wettbewerb unsere Identität bewahren. Unsere Werbepartner können uns auf dem kurzen Dienstweg erreichen. Wir sind vielleicht eher der Klub zum Anfassen. Das ist für einen Fußball-Bundesligisten allein wegen der Masse der Fans etwas schwieriger. Und: Dem FCA wünsche ich den Klassenerhalt, ein Abstieg wäre der Horror. Was antworten Sie, wenn ein Spieler zur Vertragsverhandlung kommt und künftig 20000 Euro netto im Jahr mehr fordert?
Sigl: Spinnst du? Nein, wenn es in diese Größenordnung der Gehaltssteigerung geht, dann wird es schwer bei uns. Ehe wir uns übernehmen, lassen wir einen Spieler ziehen. Gefährlich wird es, wenn sie 5000 Euro mehr wollen – dann fängt man zu überlegen an. Aber wenn 20 Spieler mit diesem Wunsch kommen und man müsste den Betrag auf brutto ja etwa verdoppeln, dann hätte man plötzlich 200000 Euro Mehrkosten.
Der Augsburger EV wurde 1878 gegründet. Spürt man die lange Tradition hier in der Stadt?
Sigl: Ich glaube, dass wir als Klub und Sportart tief verwurzelt sind in der Stadt und der Region. Das liegt an der Historie. Wir spielen jetzt seit 25 Jahren in der höchsten Spielklasse, der FCA spielt seine achte Bundesliga-Saison. Da haben wir einen gewissen Vorsprung. Ich habe meine erste Schüler-Dauerkarte vor rund 50 Jahren gekauft und ich kenne einige, die ebenfalls seit dieser Zeit im Stadion sitzen und dem AEV die Treue halten.
Wie weit kommen die Panther in dieser Spielzeit?
Sigl: Das erste Saisonziel haben wir erreicht, die erste Play-off-Runde ist uns sicher. Jetzt streben wir Platz sechs an und damit die direkte Qualifikation für das Viertelfinale. Wir können sogar noch Vierter werden, was das Heimrecht im ersten Viertelfinale bedeutet und ein großer Vorteil wäre. Aber da muss schon alles optimal für uns laufen.
Und wann holt der AEV die erste deutsche Meisterschaft?
Sigl: Das wünsche ich mir jedes Jahr, vielleicht wird es irgendwann einmal wahr. Wir haben in dieser Saison eine Mannschaft, bei der alles stimmt. Und wenn alles zusammenpasst: Gesundheit, Fitness, ein heißer Torwart und der richtige Schiedsrichter, dann ist alles möglich.