Zu viert zum Führerschein
Verkehr Edmund Reith ist seit mehr als 40 Jahren Fahrlehrer. Doch so etwas hat der Ostallgäuer noch nicht erlebt: Vierlinge, die gemeinsam Fahrstunden nehmen. Das hat so seine Tücken
Friesenried Manchmal muss Edmund Reith kurz nachdenken. Nicht immer will ihm auf Anhieb der richtige Name einfallen. Wenn die Vierlinge gleichzeitig im Auto sitzen, dann ist die Straße vor ihm die kleinste Herausforderung. Aber Ylleza, Kandita, Esmajle und Argjenta Salihi sind geduldig mit ihrem Fahrlehrer. Und für den 67-Jährigen ist es nach immerhin vier Jahrzehnten Berufserfahrung eine Premiere: Der Inhaber einer Ostallgäuer Fahrschule möchte die Vierlinge durch die Prüfung bringen. Die 18-Jährigen sind sich zwar auch am Steuer ziemlich ähnlich. Verwechslungsgefahr ist in diesem Punkt aber so gut wie ausgeschlossen. „Jede hat ihren eigenen Fahrstil“, sagt Reith.
Der Fahrlehrer kannte die vier Mädchen aus der Ostallgäuer Gemeinde Friesenried schon, da waren sie noch Grundschülerinnen und äußerlich kaum zu unterscheiden. Als die Eltern eines Tages bei ihm durchklingelten, um ihre Töchter für die Fahrschule anzumelden, war er aber doch erstaunt. „Alle zusammen“, sagt Reith. „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“An die 10 000 Fahrschüler hat er in seinem Berufsleben bereits durch die Prüfung gebracht – die jüngsten 17, die älteste 67 Jahre alt.
Für Reith sind die gemeinsamen Fahrten mit den Salihis dennoch ganz neue Erfahrungen. Dass das Quartett zusammen im Auto sitzt, kommt zwar eher selten vor. Oft nehmen aber zwei oder drei Mädchen gemeinsam Fahrstunden. „Das ist dann zwar etwas eng, aber wir lernen auch voneinander“, sagt Esmajle. Reith sieht einen weiteren Vorteil, wenn die Schwestern gemeinsam im Golf sitzen. „Das gibt Rückhalt in schwierigen Situationen“, sagt er.
Bei diesen Fahrschülerinnen heißt es zwar: alles mal vier. Mehr Sorgen muss sich Reith aber nicht machen, denn junge Frauen agierten, anders als die Männer, meist zurückhaltender im Straßenverkehr. „Rückwärts einparken können alle schon sehr gut“, sagt er. Eine Eigenschaft, die Frauen gerne klischeehaft abgesprochen wird. „Alles Quatsch“, sagt der Fahrlehrer. Und selbst wenn es so wäre, wegen ein, zwei Versuchen falle heute niemand mehr durch. Wichtig sind laut Reith: rechts vor links, abknickende Vorfahrt, Blinker setzen, am Stoppschild auch wirklich stehen bleiben. Das müsse sitzen.
„Einfach geradeaus fahren“, antwortet Esmajle lachend, nach ihren bevorzugten Strecken gefragt. Gibt es so etwas wie Konkurrenzkampf, Zickenkrieg unter den Vierlingen? „Keine Spur“, sagt Ylleza. Die ganze Gruppe freue sich schon auf die „Autobahnfahrt“nach Berlin, die ansteht. Reith hat das mit Schülern schon häufiger gemacht. Bei Vierlingen ist das gleich gar kein Problem. „Jede muss vier Stunden auf die Autobahn“, sagt Reith. „Das reicht, um hin- und zurückzukommen.“
Reith weiß um die enorme finanzielle Belastung für die Eltern, die 1992 während der Kriegswirren im ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland kamen. Für die Fahrstunden hat er einen Mengenrabatt für die jungen Frauen angeboten, die mittlerweile ihre Berufsausbildungen in Kaufbeuren und Kempten absolvieren. Nur Kandita geht noch zur Schule in Kaufbeuren. Möglicherweise verkauft die Familie ihr jetziges Auto, um zwei kleinere Wagen anzuschaffen. „Vielleicht findet sich ja jemand, der hilft“, sagt Reith.
Zuvor müssen die Vierlinge aber die praktische Fahrprüfung bestehen. Edmund Reith hofft, dass alle zur selben Zeit an der Reihe sind. „Das“, sagt der Fahrlehrer, „wäre dann nach einem langen Berufsleben auch meine persönliche Meisterprüfung.“