Tempo, bitte!
Marke Das Taschentuch wird 90 – und ein Limit ist nicht in Sicht
Ach, es geht doch nichts über so eine Erkältungssaison im Büro. Irgendwo hustet oder niest immer jemand. Und angesichts der Berge an zerknüllten Taschentüchern im Papierkorb erscheint dieses Tempolimit, von dem gerade alle reden, dringend angebracht. Oder haben wir da was falsch verstanden? Viele Deutsche denken jedenfalls zuerst an die weißen, akkurat gefalteten Papiertücher, wenn sie den Begriff Tempo hören. Und erst dann an schnelle Autos und Andreas Scheuer.
Aber der Reihe nach: Vor 90 Jahren ging ein gewisser Oskar Rosenfelder von den Vereinigten Papierwerken Nürnberg zum Reichspatentamt. Es war eine der besseren Ideen seines Lebens. Denn seine eingetragene Marke wurde zum Synonym schlechthin für Taschentücher. Die meisten Deutschen bitten bis heute um ein Tempo, wenn
die Nase läuft – egal, von welchem Hersteller es kommt. Marketingexperten nennen dieses Phänomen „generische Verselbstständigung“. Nur einer Handvoll Firmen ist das gelungen: Der Klebestreifen wurde im Volksmund zum Tesa, der Lippenpflegestift zum Labello, der wasserfeste Stift ist ein Edding – und das Taschentuch eben ein Tempo. Millionen Päckchen werden jeden Tag produziert, und niemand denkt an ein Limit. Ach ja, da wären wir wieder bei Andreas Scheuer. Der Verkehrsminister will ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen unbedingt verhindern – und das ganze Land diskutiert mit. Nur leider über das falsche Thema. Warum? Das erklärt Tobias Schaumann im Leitartikel.