Sollen prominente Sportler provokante Meinungen vertreten?
Natürlich darf jeder in Deutschland seine Meinung frei äußern. Der gehässige Troll im Internet genauso wie der prominente Sportler. Es entspricht aber der Elfenbeinmentalität vieler Stars (auch jenseits des Sports), dieses Privileg zu ignorieren. Deren perfekt orchestrierten Imagekampagnen vertragen sich nicht mit den Realitäten außerhalb der VIPRäume. Niemand muss sich zu allem und jedem eine Meinung bilden. Aber zu behaupten, dass Prominente in der Öffentlichkeit nur noch Positionen vertreten dürfen, die gesellschaftlicher Konsens sind, ist Humbug.
Das Problem ist vielmehr, dass es heutzutage auf jede Aussage ein unmittelbares Echo gibt. Die sozialen Medien haben dafür die Plattform geschaffen. Klar, dass dieses Echo nicht immer positiv ausfällt. Das gehört dummerweise auch zur Meinungsfreiheit. Wenn ein Prominenter vor 50 Jahren etwas Provokantes sagte, stand das am nächsten Tag in der Zeitung. Der geneigte Leser diskutierte die Sache abends am Stammtisch und am nächsten Morgen lag eine neue Zeitung im Briefkasten. Heute werden Aussagen tagelang durchs Internet getrieben. Jeder, der sich ärgern will, kann das: sofort und anonym. Ein Shitstorm jagt den nächsten. Aber deshalb die Klappe halten? Falsch. Wer eine Meinung hat, soll sie auch sagen – er muss eben das Echo aushalten. Und nicht allzu ernst nehmen, was manch Schreihals von sich gibt. Meinungsfreiheit kann ziemlich nerven.
Es ist definitiv schwierig geworden eine Meinung zu haben, die dem „Mainstream“nicht gefällt.
Für Sportler gilt das ganz besonders. Journalisten, die in diesem Metier beschäftigt sind, können ein Lied davon singen. Seit Jahren müssen Interviews, die Spieler oder Trainer geben, vor der Veröffentlichung noch gegengelesen werden. Das Interview klingt nach der Rückgabe meist weichgespült. Verteidiger Martin Hinteregger vom Bundesligisten FC Augsburg hat das kürzlich kritisiert: „Du gibst ein Interview, der Pressesprecher sitzt daneben und passt ein bisschen auf. Es wird dann alles korrigiert. Aber das ist bei jedem Verein das Gleiche.“Das heißt auch, manche Sportler würden vielleicht gerne öffentlich mal zu einem brisanten Thema ihre Meinung sagen, werden aber angehalten, dies lieber nicht zu tun.
Ansonsten könnte es Ihnen auch gehen wie Mesut Özil, der immer der Meinung war und wohl immer noch der Meinung ist, dass es völlig okay war, dem türkischen Präsidenten Erdogan ein Trikot zu schenken und sich dabei mit ihm fotografieren zu lassen. Das Ende dieser Geschichte ist bekannt.
Der ehemalige Bayernspieler Philipp Lahm hatte der Süddeutschen Zeitung einmal ein Interview gegeben, in dem er das System des FC Bayern unautorisiert kritisiert hat. Angeblich musste Lahm dafür 50 000 Euro Strafe dafür bezahlen. Wer soll da noch große Lust haben, provokant zu sein?