Auf der dunklen Seite des Mondes
Forschung Zum ersten Mal überhaupt landet eine Sonde auf der mysteriösen Rückseite des Erdtrabanten. Und China versucht, die Vormacht im All zu werden
Peking Mit der ersten Landung auf der Rückseite des Mondes feiert Chinas Weltraumprogramm einen Meilenstein. Als die Raumsonde Chang’e 4 am Donnerstagmorgen genau zur geplanten Zeit um 3.26 Uhr im Aitken-Krater in der Nähe vom Südpol aufsetzt, macht sich Erleichterung unter den Wissenschaftlern und Ingenieuren im Pekinger Kontrollzentrum breit. Das Manöver galt als besonders schwierig, weil die Rückseite des Mondes im Funkschatten zur Erde liegt.
„Die Landung hat vor allem einen großen symbolischen Wert“, sagt der Dortmunder Techniksoziologe und Weltraumexperte Johannes Weyer. Die Amerikaner hätten sich zuletzt mit den Russen einen Wettkampf um die Vorherrschaft im All geliefert – und gewonnen. Jetzt kommen die Chinesen, „die demonstrieren, dass sie eine technologische Großmacht sein wollen“. Auch im All müssen sich die USA also daran gewöhnen, dass sie Konkurrenz bekommen.
Die sogenannte Rückseite des Mondes galt lange als Mysterium, denn von der Erde aus ist sie nicht sichtbar. Dauerhaft dunkel aber ist die der Erde abgewandte Seite unseres Trabanten deshalb nicht – auch wenn spätestens seit Pink Floyds legendärem Rock-Album „The Dark Side of the Moon“von 1973 immer wieder über eine „dunkle Seite des Mondes“fantasiert wird. Fakt ist: Der Mond dreht sich so um die Erde, dass er ihr immer dieselbe Seite zuwendet. Eine Umrundung dauert rund vier Wochen. Innerhalb dieser Zeit bestrahlt die Sonne reihum alle Seiten des Mondes. Bei Vollmond wird die der Erde zugewandte Seite des Mondes erhellt, bei Neumond die abgewandte. Das Prinzip lässt sich leicht prüfen: Ein Püppchen, das um einen Apfel kreist und ihm immer das Gesicht zuwendet, wird einmal von vorne und einmal von hinten direkt von dem Licht bestrahlt, das durchs Fenster fällt.
Die ersten Bilder von der erdabgewandten Seite lieferte 1959 die sowjetische Sonde Lunik 3. Die Astronauten von Apollo 8 konnten die „Rückseite“1968 als erste Menschen mit bloßem Auge sehen.
Mit Roboterfahrzeugen, die lediglich Fotos von der Mondoberfläche machen, will sich China nicht mehr lange begnügen. Kaum ist die nach der chinesischen Mondgöttin benannte Chang’e 4 gelandet, steht auf Pekings eng durchgetaktetem Weltraum-Plan schon die nächste Mission an. Mit Chang’e 5 sollen noch in diesem Jahr Gesteinsproben zurück auf die Erde gebracht werden. 2030 soll dann erstmals ein Chinese auf dem Mond landen.
„Alles baut aufeinander auf“, sagt Ouyang Ziyuan, führender wissenschaftlicher Berater des chinesischen Mondprogramms. China denke sehr langfristig und zeigt Interesse an den Rohstoffen auf dem Mond – besonders Helium-3. Das Isotop gilt als möglicher Brennstoff für Kernfusionskraftwerke.
Doch nicht nur auf dem Erdtrabanten verfolgt Peking ambitionierte Pläne. 2018 schickte China zum ersten Mal mehr Raketen in den Orbit als jedes andere Land. So soll für China nicht nur bald schon eine Reise zum Mars Wirklichkeit werden, sondern bereits in naher Zukunft der Bau einer großen chinesischen Raumstation gelingen, die ständig bemannt ist. 2022 soll sie betriebsbereit sein. Chinas Raumfahrtvorhaben dienen nicht nur dem Prestige und der wissenschaftlich-technischen Entwicklung, verfolgt werden auch militärische Interessen.
Militärexperten in China verweisen gerne darauf, dass künftige Kriege im All gewonnen werden. „Wer Raketen in den Weltraum schießt, kann auch andere Länder bedrohen. Das muss man immer im Hinterkopf haben“, sagt Weltraumexperte Weyer. Auf die neue militärische Konkurrenz im All stellen sich die USA längst ein. Präsident Donald Trump hat ein neues militärisches Führungskommando, „Space Command“, ins Leben gerufen.
„The Dark Side of the Moon“geht übrigens nicht auf Pink Floyd zurück. Quelle ist eine Metapher des amerikanischen Schriftstellers Mark Twain (1835-1910): „Jeder ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt.“Ihm ging es um die verschiedenen Facetten eines Charakters. Jörg Petring, dpa