Wertinger Zeitung

„Unser Nachbar ist ein Engel“

Serie Egal, was bei Familie Wörner aus Bergheim zu erledigen ist, der 82-jährige Franz Schindler kümmert sich darum

- VON CORDULA HOMANN

Engel müssen nicht überirdisc­h sein. „Ach, du bist ein Engel“, sagt man zu einem Menschen, dem man besonders dankbar ist. Wir suchen Menschen, die einen Engel haben und sich bei ihm bedanken möchten. Oder eben Menschen, die für andere Engel sind. So wie Franz Schindler aus Bergheim für seine Nachbarn, die Wörners. Bergheim Als sie die ersten Folgen unserer „Engel“-Geschichte­n las, musste Josefine Wörner einfach bei der Zeitung anrufen. „Unser Nachbar ist ein Engel“, sagt sie.

Seit 40 Jahren lebt das Ehepaar Manfred und Josefine Wörner in Bergheim. Der Nachbar, Franz Schindler, war schon vorher da. Als die Wörners ihr Haus bauten, sei man bereits ins Gespräch gekommen, erzählt Manfred Wörner. Früher, wenn die vier Wörners in den Urlaub gefahren sind, hat sich der Nachbar um die Blumen gekümmert, die Post ins Haus gebracht und ordentlich sortiert abgelegt, hat die Abfalltonn­e rausgestel­lt, zählt Josefine Wörner auf. „Wir haben schöne Urlaube gemacht, nach Südtirol, Kreta oder Rhodos und konnten im- beruhigt sein. Wenn wir ein Fenster offen gelassen hatten, das war kein Problem: Der Franz hat unseren Schüssel und kennt sich bei uns aus. Er weiß, wo alles ist.“Obwohl der Nachbar nie Katzen, sondern nur mal Hunde besaß, kümmert er sich auch liebevoll um die Stubentige­r der Wörners. „Die Katzen sind schon okay“, sagt Franz Schindler und lacht.

Inzwischen sind Josefine und Manfred Wörner 76 und 77 Jahre alt und Franz Schindler schon 82. Trotzdem hilft er den Wörners, deren Kinder längst ausgezogen sind, immer noch – und mehr als früher. „Mein Mann kann nicht mehr so viel tun, nicht lang stehen, nicht schwer heben, deswegen braucht man so oft den Franz – und der ist noch so fit“, erklärt Josefine Wörner. Alle Nachbarn seien hilfsberei­t – aber der 82-Jährige kommt nicht nur bei Bedarf oder einfach, um mit Manfred Wörner in der Laube zu ratschen. Und der Franz Schindler, der denkt mit. „Wir hatten eine schwere Kreissäge im Keller, die wollten wir woanders hinstellen“, erklärt Josefine Wörner. Aber das Gerät war für zwei Leute viel zu schwer. So passierte erst mal nichts.

Franz Schindler war nach dem Krieg aus Tschechien ausgewiese­n worden und landete mit Mutter und Schwestern im Lauinger Schulhof. Rund 20 Jahre später baute er in Bergheim ein Haus. Zwölf Jahre später kamen die Wörners. Heute wohnt Schindler mit seinem Sohn und dessen Familie zusammen in einem Haus. Der heute 82-Jährige ist seit 32 Jahren verwitwet. Er hat seine drei Kinder nach dem frühen und plötzliche­n Tod seiner Frau allein großgezoge­n. Damals war Schindler bei Bosch tätig. Die große Tochter war schon in der Lehre, die zwei jüngeren gingen noch zur Schule. Schindler arbeitete im Schichtsys­tem, versuchte den Haushalt sauber zu halten und die Kinder zu versorgen. „Wenn ich heute darüber nachdenke, weiß ich gar nicht mehr, wie ich es geschafft habe“, meint er nachdenkli­ch. Die Erfahrung hat die Familie besonders zusammenge­schweißt. „Wir kennen unseren Vater nur als sehr lustigen und freundlich­en Menschen. Er hat uns Kinder immer mit Respekt behandelt“, lobt seine Tochter Evelyn Jindra. Der Opa sei für jeden Blödsinn seiner fünf Enkel zu haben. Die ganze Familie Schindler pflegt eine besondere Tradition: Seit vielen Jahmer ren treffen sich die drei Kinder mit ihren Ehepartner­n und den Enkeln jeden Sonntagabe­nd um 18 Uhr bei Franz Schindler zur Brotzeit. Und just an so einem Abend, es war im Sommer, rückte die ganze Gesellscha­ft bei den benachbart­en Wörners an, und Franz Schindler verkündete, jetzt könnte man doch gemeinsam die Kreissäge wegstellen. „Ruckzuck war das erledigt“, erinnert sich Josefine Wörner dankbar. „Es ist so toll, der Franz denkt einfach mit. Man kann ihn immer fragen, immer anrufen – außer, er ist bei seinen Bienen.“

Franz Schindler kennt man in Bergheim. Manche kaufen seinen Honig, denn die Bienen sind seit 55 Jahren die Leidenscha­ft des 82-Jährigen. Außerdem sei er ein Baumschnei­de-Profi, sagen die Wörners. „Ich steig seit fünf Jahren nicht mehr auf Bäume, sondern gebe nur Tipps“, erklärt Franz Schindler bescheiden. Bei Wörners steht inzwischen Sohn Joachim auf der Leiter und nimmt die Kommandos vom Nachbarn entgegen. Schindler gelte beim Baumschnei­den als absolute Koryphäe, sagt Manfred Wörner. Gehandicap­t, wie er ist, verbringt der 77-Jährige, so es das Wetter erlaubt, in der windgeschü­tzten Laube. Der ältere Nachbar dagegen, der sei immer unterwegs, zu seinen Bienen, zu Verwandten – oder auch mal im Urlaub. Aber wenn Franz Schindler seinen Nachbarn in der Laube sitzen sieht, gesellt er sich oft dazu. „Da geht’s dann um Ortspoliti­k“, sagt Manfred Wörner und lacht. Die beiden Männer verstehen sich gut. „Es ist schön“, sagt der Ältere. „Das gibt es nicht überall, dass man so gut miteinande­r klarkommt“, meint der Jüngere. Natürlich kennen sie die Telefonnum­mern des anderen auswendig. Doch Franz Schindler ist nicht nur für die Wörners etwas Besonderes. Tochter Evelyn Jindra meint: „Er ist nicht nur für seine Nachbarn ein Engel, sondern ganz besonders für unsere drei Geschwiste­r und die fünf Enkelkinde­r.“

Engel Sie haben oder kennen auch einen „Engel“? Dann melden Sie sich bei uns in der Redaktion. E-Mail: redaktion@donau-zeitung.de, Telefon: 09071/794910.

Nicht nur die Nachbarn bezeichnen ihn als „Engel“

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Foto: Cordula Homann Franz Schindler, Mitte, ist für Josefine und Manfred Wörner aus Bergheim ein Engel.

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