Die Obstpressen laufen am Limit
Wegen der sensationell guten Ernte erleben Keltereien in der Region einen Ansturm. Bei einigen gibt’s ein „Sparkonto“
Landkreis Was für ein Obstjahr! Die Äste der Apfelbäume biegen sich unter der Schwere der Früchte. Marlene Oßwald, die Seniorchefin der gleichnamigen Mosterei in Haunsheim, muss weit in die Vergangenheit zurückblicken, um sich an eine ähnliche Situation zu erinnern. „1975 gab es schon einmal so viele Äpfel“, sagt die Haunsheimerin. Wie in den anderen Keltereien in der Region laufen die Obstpressen am Limit. Zu Chef Karl-Heinz Oßwald kommen Kunden bis aus Dachau, um aus ihren Äpfeln Saft machen zu lassen. „Wir sind bis zum 20. Oktober voll ausgebucht“, sagt Oßwald.
Im kleinen Mosthäuschen im Laugnaer Ortsteil Osterbuch herrscht in diesen Tagen ebenfalls Hochbetrieb. Das Ehepaar Monika und Heinz Keding vom Obst- und Gartenbauverein steht an mindestens drei Tagen in der Woche an der Saftpresse, die nächste Woche ist schon komplett ausgebucht, bei der übernächsten sind auch nicht mehr viele Termine frei. „Das ist schon ein außergewöhnliches Jahr“, sagt Heinz Keding. Die Mengen, welche die einzelnen Kunden zur Presse bringen, sind ganz unterschiedlich. Manche bringen nur wenige Säcke, ein anderer brachte dagegen 30 Zentner Äpfel ins Häuschen. Das ergab rund 900 Liter Apfelsaft.
Auch bei der Kelterei Huber in Bissingen gibt es einen Ansturm auf die Obstpresse. „2018 haben wir wirklich ein Rekordjahr“, berichtet Inhaber Karl Huber. „Wir bekommen etwa 150 Prozent mehr Obst als in einem Durchschnittsjahr.“Momentan komme man der Menge schon noch hinterher, das Obst werde weiterhin frisch gepresst und weiterverarbeitet. Ähnlich ist die Situation bei der Kelterei Wörrle in Lauingen. „Dieses Jahr haben wir einfach enorm viele Anfragen“, sagt Chefin Anja Wörrle. Gerade nach dem jüngsten Sturm seien noch einmal viele Früchte von den Bäumen gefallen. Die meisten Kunden liefern Äpfel an, aber auch Birnen oder Quitten werden in der AlbertusMagnus-Stadt gepresst. Der entstehende Saft wird anschließend erhitzt und in fünf oder zehn Liter fassende Beutel gefüllt. Kunden könnten ihre angelieferte Menge in Liter umrechnen lassen und sich Säfte aussuchen, die sie mit nach Hause nehmen.
Karl Huber wendet in seinem Betrieb im Kesseltal dasselbe Prinzip an. Die Kunden können im sogenannten „Bag-in-Box-Verfahren“ihr eigenes Obst zu Saft pressen lassen oder es eintauschen. „Für 100 Kilo Obst bekommt man bei uns etwa 60 Liter Saft gutgeschrieben, den man sich dann aussuchen kann“, sagt der Bissinger. Auch bei Fruchtsäfte Krebs in Steinheim gibt es diese Möglichkeit. „Es funktioniert praktisch wie ein Sparkonto, auf dem die Anlieferung gutgeschrieben wird“, erklärt Inhaber Stefan Krebs. Häufig liefern seinen Worten zufolge Kunden Äpfel an und nehmen andere Säfte, wie Johannisbeer- oder Traubensäfte, mit nach Hause. Wenn die Kunden den aus den heimischen Früchten gepressten Saft mitnehmen wollen, wird er in Glasflaschen umgefüllt, informiert Stefan Krebs. „Das ist eine umweltschonende Methode, da so keine Wechselwirkungen zwischen dem Saft und dem Behälter entstehen.“
Woran liegt die extrem hohe Ernte im Vergleich zum vergangenen Jahr? Stefan Krebs erklärt: „Ein Grund hierfür ist die Alternanz der Bäume.“ So würden sie nur alle zwei Jahre richtig viele Früchte liefern und dazwischen regenerieren. „Es war schon abzusehen, dass wir dieses Jahr viel Obst bekommen werden.“Auch die Trockenheit habe dieses Jahr nicht zu einer verringerten Ernte geführt. Die Zahl der Obstbäume werde aber immer weniger, hat Krebs festgestellt „Auch viele Obstwiesen werden immer öfter umgepflügt und anderweitig verwendet.“
Dennoch: Gerade bei den Äpfeln ist die Menge in diesem Jahr gigantisch. Karl-Heinz Oßwald sieht darin aber etwas Positives. „Viele Obstbaumbesitzer, die ihre Äpfel früher verkommen ließen, machen sich jetzt Gedanken, wie sie sie verwerten können“, sagt der Haunsheimer.
Doch nicht nur die Obsternte fällt dieses Jahr reichlich aus. Auch die Nussbäume produzieren unzählige Früchte. Die Haunsheimerin Karla Zuber sagt: „Letztes Jahr war wirklich ein schlechtes Jahr. Doch dieses Jahr sind es auffällig viele.“Karla Zuber betreibt mit ihrem Mann Ralf eine Nusspresse in Haunsheim. Hier können Besucher ihre Wal- und Haselnüsse aus dem Garten weiterverarbeiten lassen, selbst Kunden aus München oder Düsseldorf finden ihren Weg ins Bachtal. Die Pressung bedarf jedoch einer längeren Vorbereitung. Zunächst müssen die Nüsse zu Hause etwa zwei bis drei Wochen getrocknet werden. Anschließend sollte man diese an einem luftigen und trockenen Platz lagern. „Circa drei Monate müssen die Nüsse reifen, bevor sie gepresst werden können“, erklärt Zuber. Bevor die Früchte in die Maschine kommen, müssen die Kunden diese noch knacken.
Ab Ende Dezember läuft in Haunsheim die Presse. Um einen Liter Walnussöl zu erhalten, werden etwa zwei Kilogramm Walnusskerne benötigt.
„Viele Obstbaumbesitzer, die ihre Äpfel früher verkommen ließen, machen sich jetzt Gedanken, wie sie sie verwerten können.“
Karl-Heinz Oßwald, Mosterei in Haunsheim.