Von wegen Bullerbü
Die 70er – Blick hinter die Fassade
Nein, ein Super-8-Film war das Leben im ländlichen Schallerup, das Anne Müller in ihrem Debüt „Sommer in Super 8“beschreibt, nicht. Es sind die 1970er Jahre, die Menschen landen auf dem Mond, die Sängerin Alexandra stirbt bei einem Unfall, und der Vater, ein Landarzt, filmt seine Familie in Super-8. Bei den Filmvorführungen im kleinen Kreis ist der Rückwärtslauf immer das Highlight, besser als Dick und Doof. Der Vater liebt die Augsburger Puppenkiste – und den Alkohol. Bullerbü ist in Schallerup nur Fassade, dahinter verbirgt sich eine Lebenslüge mit dramatischen Folgen.
Auch die Welt draußen ist nicht heil: Das Olympia-Attentat beendet die Zeit der unbeschwerten Spiele. Und doch geht das Leben weiter, scheinbar unbekümmert. Das Saturday Nightfever gras- siert auch in Schallerup, es wird getanzt und geflirtet. Und dann endet alles in einer voraussehbaren Tragödie. Am Ende bleibt nur ein letzter Film.
Anne Müller erzählt den Roman aus der Sicht der heranwachsenden Clara, dem mittleren von fünf Kindern im Landarzt-Haushalt. Mit Claras Augen sieht man eine scheinbare Familien-Idylle, die zunehmend Risse bekommt, und ahnt, dass vieles im Alltag eine Inszenierung ist wie die Familienaufstellung in den Amateurfilmen. Das liest sich leicht und locker trotz der Gewissheit, dass sich das Leben nicht zurückdrehen lässt wie ein Film. (li)