Der Stoff, aus dem die Träume sind
Mercedes war lange Zeit Pionier des Wasserstoff-Antriebs. Inzwischen ziehen andere vorbei. Doch auch sie kämpfen mit den charakteristischen Nachteilen der Technologie. Kann sie den Durchbruch überhaupt schaffen?
Wir schreiben das Jahr 2009: Mercedes prescht in Sachen Wasserstoff-Antrieb vor und präsentiert die B-Klasse F-Cell der Öffentlichkeit. Ein kompakter Stromer, mit Lithium-Ionen-Akku, Wasserstofftank und Brennstoffzelle, der, ganz ohne CO2-Ausstoß, gut 400 Kilometer schafft. Offiziell ist der Benz noch als Prototyp deklariert, aber Mercedes-Chef Dieter Zetsche verspricht schon bald einen ersten Feldversuch zu starten und ab 2015 damit zu einem bezahlbaren Preis in Serie zu gehen. Die Testflotte mit rund 200 Fahrzeugen hat es tatsächlich auf die Straße geschafft, und zum 125. Firmenjubiläum im Jahr 2011 haben sogar drei F-Cell B-Klassen die Welt umrundet und auf ihrer gut 30000 Kilometer langen Tour eindrucksvoll bewiesen, dass die Technik funktioniert. Allein zum geplanten Serienstart kam es bis heute nicht.
Zwischenzeitlich sah es sogar so aus, als schwöre Daimler der Brennstoffzellen-Technik ab. Anfang 2017 erklärte Zetsche auf einem Automobil-Kongress, der Schwerpunkt der Mercedes-Entwicklung
Das größte Problem sind die fehlenden Tankstellen
läge in den nächsten zehn Jahren auf batterieelektrischen Autos. Schließlich gingen die Kosten für die Akkus zusehends nach unten, die Herstellung des Wasserstoffs bleibe dagegen teuer.
Während es dem Firmenboss vor allem um die Kosten ging, hat der Wasserstoff noch mehrere Pferdefüße: Die Produktion des farblosen Gases mit der chemischen Formel H2 ist ökologisch umstritten. Häufig wird Wasserstoff noch aus Erdgas hergestellt; und auch für die Gewinnung aus Wasser (Elektrolyse) wird nicht immer nur „grüner Strom“verwendet. Dazu kommt, dass Wasserstoff unter hohem Druck getankt werden muss. Um das Gas ins Auto zu pressen, sind mehrere hundert Bar nötig, was sich ebenfalls negativ auf die Umweltbilanz auswirkt. Das größte Problem aber ist noch immer die fehlende Tankstelleninfrastruktur. Auf ihrer Weltumrundung sind die B-Klassen an exakt zwei (!) Zapfsäulen vorbeigekommen; ansonsten schleppten Lkw den nötigen Wasserstoff mit um die Erde. In den vergangenen sieben Jahren hat sich die Zahl der H2-Tankstellen in Deutschland zwar verneunfacht. Mit gerade mal 45 rund um die Uhr zugänglichen Zapfanlagen sind wir von einer flächendeckenden Versorgung allerdings noch weit entfernt.
Sollte die Fachpresse, die aus Zetsches leichtfertig ausgesprochener Anmerkung im vergangenen Frühjahr das Ende des Wasserstoff-Antriebs schlussfolgerte, also recht behalten? Nein! „Daimler sieht eine Zukunft in der Brennstoffzelle“, hieß es kurz darauf aus Stuttgart und gleichzeitig bekräftigen die Schwaben, noch 2017 ihr erstes F-Cell-Serienauto vorstellen zu wollen: den GLC F-Cell Plug-in-Hybrid, der sich tatsächlich im Herbst auf der Frankfurter IAA der Öffentlichkeit zeigte.
Vom Durchbruch des Wasserstoffs-Antrieb bei Mercedes zu reden, wäre allerdings noch viel zu früh. Zum einen hat der Autobauer den Marktstart des H2-SUV noch mal hinausgezögert. Erst Ende des Jahres sollen die ersten Fahrzeuge ausgeliefert werden. Zum anderen schränken die Stuttgarter die Verfügbarkeit stark ein: Gerade mal „eine vierstellige Stückzahl“soll zum noch nicht näher bezifferten Preis in den Handel kommen.
Dazu kommt, dass das Konzept des H2-GLC nicht ganz schlüssig ist. Mit dem zusätzlich an der Steckdose aufladbaren Akku will Mercedes den Kunden die Angst nehmen, keine Tankstelle zu finden. So weit, so verständlich. Allerdings sind die mit den 13,8 kWh Strom in der Praxis machbaren 30 Kilometer nur ein schwacher Trost, und mit gerade mal 4,4 Kilogramm Wasserstoff an Bord fährt der GLC auch nicht vorne mit. Die reichen nach dem NEFZ-Zyklus gemessen für 437 Kilometer, auf der Straße ist mit deutlich weniger zu rechnen.
Dass es auch anders geht, zeigt die Konkurrenz: Der schon seit 2014 gebaute Toyota Miraii schafft problemlos 450 Praxis-Kilometer und im Herbst schickt Hyundai den Nexo ins Rennen, der den ix35 Fuel Cell ablöst und realistisch 600 Kilometer weit fahren kann. Der eigentliche Unterschied zum GLC ist aber gar nicht die Reichweite der asiatischen Stromer, sondern ihre Verfügbarkeit: Anders als bei Mercedes kann jeder, der will, beim Hyundaioder Toyota-Händler für jeweils rund 80000 Euro ein Brennstoffzellen-Auto kaufen!
Das ist freilich viel Geld, und natürlich braucht es neben einem gut gefüllten Bankkonto immer noch reichlich Pioniergeist, um die Suche nach einer H2-Zapfsäule sportlich zu nehmen. Das aber galt bisher für jede neue Technik – und nur wenn man den Kunden überhaupt die Möglichkeit gibt, dieses Abenteuer auf sich zu nehmen, kann sich der Wasserstoffantrieb etablieren.